BGH: Kein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht bei online gekauften Konzerttickets

BGH: Kein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht bei online gekauften Konzerttickets
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von Axel Stoltenhoff
29.09.2022 | Lesezeit: 4 min

Verbraucher haben im Fernabsatz grundsätzlich ein Widerrufsrecht. Allerdings erklärt das Gesetz das Widerrufsrecht dann für ausgeschlossen, wenn eine Dienstleistung im Zusammenhang mit Freizeitangeboten steht und für die Leistungserbringung ein spezifischer Zeitraum vorgesehen ist. Der BGH entschied nun, dass dies auch für online gekaufte Konzerttickets gilt – selbst ohne Hinweis in der Widerrufsbelehrung.

I. Sachverhalt und Entscheidungen der Vorinstanzen

Die Parteien streiten um die Rückerstattung des Entgelts für Eintrittskarten zu einer Musical-Aufführung, die wegen der COVID-19-Pandemie abgesagt worden war.

Die Beklagte, eine Ticketsystemdienstleisterin, vertreibt über ein Internet-Portal Eintrittskarten für eine Vielzahl von Veranstaltungen. Am 16.12.2019 erwarb der Kläger über die Internetseite der Beklagten vier Eintrittskarten für eine Musicalaufführung, die am 18. April 2020 in Hamburg stattfinden sollte. Deren Veranstalterin war die S-GmbH. Dabei handelte die Beklagte als Kommissionärin der Veranstalterin im eigenen Namen und auf deren Rechnung. Vertragliche Leistungspflicht war allerdings nicht die Durchführung der Veranstaltung, sondern lediglich die Verschaffung des Besitzes und des Eigentums an der Eintrittskarte, die das Recht des Kunden auf Zutritt zu der Veranstaltung der S-GmbH verbriefte. Die gebuchte Veranstaltung wurde wegen der COVID-19-Pandemie abgesagt. Der Kläger verlangte deshalb von der Beklagten die Erstattung des Ticketpreises (756,46€).

Einerseits führt der Kläger dazu an, die Beklagte hafte für die spätere Absage der Veranstaltung.

Andererseits war der Kläger der Meinung, über ein ihm zustehendes Verbraucherwiderrufsrecht den Vertrag ordnungsgemäß widerrufen zu haben. Dass die maßgebliche Veranstaltung, für das er ein Ticket erworben hatte, eine termingebundene Freizeitveranstaltung im Gesetzessinne sein könne, schließe sein Widerrufsrecht vorliegend nicht aus, weil die Beklagte es unterlassen habe, in ihrer Widerrufsbelehrung über den Ausschluss des Widerrufsrechts zu belehren. Dieses Versäumnis führe dazu, dass der gesetzliche Ausschlussgrund – sofern er vorliege – ohnehin nicht greife.

Die u.a. auf Rückerstattung des Kaufpreises gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der Vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrte der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

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II. Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat in seinem Urteil vom 13.7.2022 (AZ.: VIII 317/21) die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.

Ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Ticketpreises bestehe nicht.

Die Beklagte habe im eigenen Namen mit dem Kläger einen Kaufvertrag im Sinne von § 453 BGB (Rechtskauf) abgeschlossen, aus dem sie verpflichtet gewesen sei, dem Kläger das durch die von der Veranstalterin ausgegebenen Eintrittskarten verkörperte Recht auf Teilnahme an der von der Veranstalterin durchzuführenden Veranstaltung am 18. April 2020 zu verschaffen.

Das Berufungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte den Kaufvertrag durch Übereignung der Eintrittskarten an den Kläger vollständig erfüllt habe und sie für die nachträgliche Absage der Veranstaltung nicht hafte. Weder sei das von ihr verkaufte Recht bei dessen Übertragung mangelhaft, noch habe die Beklagte vertraglich eine Haftung für die künftige Durchführung der Veranstaltung übernommen.

Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises ergebe sich auch nicht aus den §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 1, 3 Satz 1, 357 Abs. 1 BGB wegen eines Widerrufs des Klägers, da ihm ein Widerrufsrecht nicht zugestanden habe.

Zwar habe ein Fernabsatzvertrag im Sinne von § 312c Abs. 1 BGB vorgelegen. Dennoch habe ein Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB nicht bestanden. Diese Vorschrift, die ein Widerrufsrecht u.a. für Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen ausschließe, wenn der Vertrag für die Leistungserbringung einen speziellen Termin vorsehe, finde auch auf den vorliegende Rechtskaufvertrag Anwendung.

Die Voraussetzungen des § 312 g Abs. 2 Nr.9 BGB hätten hier vorgelegen.

Der im eigenen Namen für Rechnung der Veranstalterin geschlossene Kaufvertrag zwischen der Beklagten und dem Kläger habe das Zugangsrecht zu einer auf einen bestimmten Zeitpunkt terminierten Freizeitbetätigung, - einem Musical – zum Gegenstand gehabt. Ein Widerrufsrecht der Klägerin bestehe daher nicht.

Auch die seitens der Beklagten pflichtwidrig unterlassene Belehrung über das Nichtbestehen des Widerrufsrechts führe nicht zu einem anderen Ergebnis – so der BGH. Die Verletzung der Pflicht zur Information über den Ausschluss des Widerrufsrechts führe nicht zu dessen nachträglichem Entstehen. Ein allenfalls in Betracht kommender Schadenersatzanspruch wegen einer pflichtwidrig unterlassenen Information sei nicht Gegenstand des Rechtstreits.

Ohnehin habe der Kläger nicht vorgetragen, dass er den Rechtskaufvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn er zutreffend darüber belehrt worden wäre, dass ein Widerrufsrecht nicht bestehe. Dies wäre indes Voraussatzung eines etwaigen Schadenersatzanspruchs gewesen.

III. Fazit

Online-Vorverkaufsstellen, die im eigenen Namen und auf Rechnung des Veranstalters Eintrittskarten für auf einen bestimmten Termin festgelegte Freizeit-Veranstaltungen verkaufen, haften nicht für die Durchführung der Veranstaltung und sind nicht einem Widerrufsrecht des Käufers der Eintrittskarten ausgesetzt.

Dies gilt selbst dann, wenn pflichtwidrig versäumt wird, über das Nichtbestehen des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB in der Widerrufsbelehrung zu informieren.

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Bildquelle:
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