BGH: Es gibt nichts geschenkt! Auch geringwertige Werbegaben von Apotheken beim Kauf von verschreibungspflichtigen Arzneimittel sind unzulässig
Die Arzneimittelpreisverordnung regelt die Preisbildung für verschreibungspflichtige Medikamente die in Deutschland verkauft werden. Patienten und Kunden sollen in jeder Apotheke, ohne zuvor Preisvergleiche durchführen zu müssen, die ihnen verschriebenen Medikamente zu dem gleichen Preis erhalten können. Verstöße gegen die Preisregelung stellen abmahnbare Wettbewerbsverstöße dar. Was vielen zunächst nicht bewusst ist - die Preisbindung hat auch gravierende Auswirkungen auf die Werbestrategien der einzelnen Apotheken. So können bereits geringwertige Werbegeschenke dazu führen, dass die Preisbindung unterlaufen wird. Der BGH hat in diesem Zusammenhang am 06.06.2019 (Az. I ZR 206/17 und Az. I ZR 60/18) zwei ähnlich gelagerte Fälle entschieden.
Inhaltsverzeichnis
- I. Die Sachverhalte
- II. Die gerichtlichen Entscheidungen
- 1. Zweck des Werbeverbots
- 2. Arzneimittelgesetz bleibt auch nach EuGH-Urteil auf nationale Sachverhalte anwendbar
- 3. Keine Verstoß gegen das Gleichheitsgebot Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz
- 4. Kein Verstoß gegen die Berufsfreiheit Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz
- III. Fazit
I. Die Sachverhalte
Die Beklagten - zwei Apothekenbetreiber aus Berlin und Darmstadt - gaben jeweils ihren Kunden für den Kauf von Arzneimitteln geringwertige Werbeartikel gratis dazu. Der Apotheker aus Darmstadt händigte einem Kunden anlässlich des Erwerbes eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels einen Brötchen-Gutschein über "2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti" aus. Der Apotheker aus Berlin gewährte seinen Kunden zeitweise eine Vergünstigung in Form eines Ein-Euro-Gutscheins. Die Kunden konnten diesen Gutschein bei einem weiteren Einkauf beim Beklagten einlösen.
Die Beklagten wurden jeweils von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Unterlassungsverpflichtung enthielt die Vorgabe, den Verkauf preisgebundener Arzneimittel nicht mit der Abgabe von kostenfreien Gutscheinen zu verknüpfen.
Nachdem der beklagte Apotheker aus Darmstadt sowohl erstinstanzlich vor dem LG Darmstadt als auch in zweiter Instanz vor dem OLG Frankfurt a.M. unterlegen war, hat er mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision die Klage bis zum BGH weiterverfolgt.
Der Beklagte aus Berlin unterlag ebenfalls in erster Instanz vor dem LG Berlin, hatte jedoch mit seiner Berufung vor dem OLG Berlin, das die Klage abwies, erfolg. Daraufhin hatte die Klägerin Revision zum BGH eingelegt.
II. Die gerichtlichen Entscheidungen
Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Ausgaben der streitgegenständlichen Gutscheine bei Erwerb von verschreibungspflichtigen Medikamenten wettbewerbswidrig seien. Beide Werbegaben verstießen gegen die Preisbindungsvorschrift aus §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG.
1. Zweck des Werbeverbots
Das generelle Werbeverbot aus § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG bezwecke den Schutz der Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern. Verbraucher sollen bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls welches Arzneimittel sie kaufen, nicht unsachlich durch Werbegaben beeinflusst werden. Werbegaben, die bei dem Kauf von verschreibungspflichtigen Heilmitteln gewährt würden, wirkten wie ein mittelbarer Rabatt oder eine Preisvergünstigung und verstießen somit gegen § 7 Abs. 1 Satz Nr. 1 Halbsatz 2 HWG in Verbindung mit § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG. Die Preisbindung bezwecke, dass ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindert würde und somit eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden könne.
2. Arzneimittelgesetz bleibt auch nach EuGH-Urteil auf nationale Sachverhalte anwendbar
Der Gerichtshof der Europäischen Union hatte in der Sache "Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale" entschieden, dass die Arzneimittelpreisbindung gegen die Warenverkehrsfreiheit aus Art. 34 AEUV verstoße. Der BGH urteilte jedoch, dass dieses Urteil den Werbeverboten in den vorliegenden Fällen jedoch nicht entgegenstehe, da es für die Anwendung von Art. 34 AEUV eines grenzüberschreitenden Bezuges bedürfe. Für Apotheken, die innerhalb von Deutschland ihre Waren vertrieben, sei die Arzneimittelpreisbindung nach wie vor anwendbar.
3. Keine Verstoß gegen das Gleichheitsgebot Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz
Diese "Ungleichbehandlung" von deutschen Apotheken gegenüber solchen mit Sitz im europäischen Ausland verstoße jedoch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz, da sie auf einem sachlichen Grund beruhe und auch gerechtfertigt sei. Der Gesetzgeber habe für den Vertrieb von Arzneimitteln innerhalb von Deutschland Gestaltungsfreiheit. Zudem wirke sich die Preisbindung für Apotheken in Deutschland weniger stark aus, da diese nicht wie ausländische Apotheken auf den Versandhandel angewiesen wären, um Arzneimittel auf dem deutschen Markt abzusetzen.
4. Kein Verstoß gegen die Berufsfreiheit Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz
Die Preisbindungsvorschriften verstießen, laut BGH, auch nicht gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Der Eingriff in die Preisgestaltung sowie in Entscheidungsfreiheit bezüglich Werbemaßnahmen sei jedenfalls, gemessen an seinem Zweck die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln aufrechtzuerhalten, verhältnismäßig. Erst wenn der Umfang des Verkaufs nicht preisgebundener Arzneimittel mittels Versandapotheken aus dem europäischen Ausland solche Ausmaße erreiche, dass inländischen Apotheken der Konkurrenzdruck nicht mehr zumutbar wäre, müsste die Lage diesbezüglich gegebenenfalls anders beurteilt werden. Hierfür bestehe jedoch derzeit kein Anlass.
##5. Spürbare Beeinträchtigung der Interessen der Marktteilnehmer##
Dass es sich bei den Werbegutscheinen lediglich um geringwertige Werbegaben handele, ändere nichts daran, dass diese geeignet seien, um eine spürbare Beeinträchtigung der Marktteilnehmer zu bewirken. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG gehe, dem Wortlaut nach, ausdrücklich davon aus, dass jede Abweichung vom gebundenen Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel verboten sei und strikt eingehalten werden müsse. Jede auch nur mittelbar durch Werbegaben beeinflusste Preissenkung sei potenziell dazu geeignet, einen unerwünschten Preiswettbewerb auszulösen, der dem Gesetzeszweck zuwiderliefe.
III. Fazit
Die Urteile des BGH reihen sich in eine Serie von Urteilen ein, die es Apotheken immer schwerer machen, ihre Kunden anhand von Werbegeschenken, Preisausschreiben oder Rabattaktionen an sich zu binden. Auch wenn die deutsche Arzneimittelpreisbindung im europaweiten Kontext nicht gehalten werden kann, gilt sie in Deutschland nach wie vor und wird von den Gerichten eng ausgelegt. Apotheken werden hierzulande nicht als reine Wirtschaftsbetriebe angesehen, sondern haben vorzugswürdig den gesellschaftlichen Auftrag, die Arzneimittelversorgung auch in strukturschwachen Regionen aufrecht zu erhalten. Harte Preiskämpfe würden hierbei insbesondere kleinere Apotheken gefährden. Wie sich das Regelungsungleichgewicht zwischen ausländischen und nationalen Apotheken auf Dauer auf dem Markt auswirken wird bleibt abzuwarten. Apotheken, auch Online-Apotheken, sollten bis auf Weiteres aber auf die Beigabe jeglicher Werbegeschenke verzichten.
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