Schmierige Angelegenheit: BGH zu unlauterer Werbung für „vollsynthetisches“ Motorenöl
Hinweis: Interessante weiterführende Informationen zum Thema hat die IT-Recht Kanzlei in ihrem Beitrag "Verkauf von Motorenöl, Getriebeöl, Ölfilter und Ölwechsel-Zubehör: Altölverordnung beachten!" veröffentlicht.
Einen spannenden Ausflug in die Welt der Petrochemie mussten kürzlich die Richter des Bundesgerichtshofs unternehmen: Zu klären war die Frage, ob ein durch „Hydrocracken“ chemisch veredeltes Schmiermittel als „vollsynthetisches Motorenöl der neuen Generation“ beworben werden dürfe. Der BGH verneinte dies und bestätigte die Argumentation der Vorinstanz: Der Verbraucher erwarte unter dieser Bezeichnung gerade kein Mineralöl, sondern ein künstliches Produkt (BGH, Urt. v. 21.06.2018, Az. I ZR 157/16).
Zunächst eine kleine Einführung in die Klassifizierung von Motorenölen: Diese werden vom American Petroleum Institute (API) in verschiedene Klassen eingeteilt, wobei Öle der Klassen I und II aus Mineralölen mit Additiven, der Klasse III aus per „Hydrocracking“ (katalytisches Verfahren zur Veredlung von Erdöl) verarbeiteten Mineralölen und der Klasse IV und V aus vollsynthetischen Ölen bestehen. Schmiermittel der Klassen IV und V gelten als besonders leistungsfähig und beständig, sind jedoch aufgrund der aufwändigen Herstellung auch deutlich teurer als die übrigen Produkte.
Die Beklagte hatte nun ein Öl der Klasse III („Hydrocracköl“) als „vollsynthetisches Motorenöl der neuen Generation“ beworben. Ein Wettbewerber sah dies naturgemäß anders und ging gerichtlich gegen diese Bezeichnung vor, da sie irreführend und somit unlauter sei: Der durchschnittliche Verbraucher assoziiere mit der Bezeichnung „vollsynthetisch“ eine besondere Qualität – und damit auch ein bestimmtes Preisniveau – des Öls. Genau das treffe jedoch nicht zu, wenn das beworbene Produkt gerade nicht aus synthetischen Grundstoffen, sondern aus (wenn auch per Hydrocracken veredelten) herkömmlichen Mineralölen bestehe. Das zunächst angerufene Landgericht Köln hatte die Klage noch abgewiesen (LG Köln, Urt. v. 26.05.2015, Az. 33 O 227/13), das daraufhin angerufene Berufungsgericht jedoch untersagte der Beklagten, weiterhin das Hydrocracköl als „vollsynthetisch“ bzw. „vollsynthetisches Motorenöl der neuen Generation“ zu bezeichnen (OLG Köln, Urt. v. 24.06.2016, Az. 6 U 78/15): Aufgrund der Bezeichnung erwarte der Verbraucher ein künstlich hergestelltes Öl, welches aufgrund seiner synthetisches Herstellung gegenüber herkömmlichen Mineralölen qualitative Vorzüge aufweise und daher auch teurer sein dürfe. Ob diese Erwartungen im Einzelnen gerechtfertigt seien oder nicht, sei dabei unerheblich; entscheidend sei allein, dass der Verbraucher bislang zwischen synthetischen Ölen und Mineralölen unterscheide und bei hochpreisigen Produkten die Eigenschaft „synthetisch“ für kaufentscheidend halte.
Der Bundesgerichtshof bestätigte in der Revision die Argumentation des OLG Köln (BGH, Urt. v. 21.06.2018, Az. I ZR 157/16). Insbesondere habe das Berufungsgericht hinreichende Feststellungen zum Verkehrsverständnis getroffen: Der Verbraucher unterscheide seit Jahrzehnten im Wesentlichen zwischen aus Erdöl gewonnenen und synthetisch hergestellten Produkten, wobei Letztere aufgrund der komplizierten Herstellung üblicherweise hochpreisig seien und gewisse Vorzüge gegenüber Mineralölen aufweisen. Auf konkrete Eigenschaften des einen oder anderen Produkts komme es dabei gerade nicht an.
Die Bezeichnung „vollsynthetisch“ für ein tatsächlich aus klassischen Mineralölen gewonnenes Produkt ist folglich irreführend und somit unlauter. Die Argumentation von Berufungs- und Revisionsinstanz ist letztendlich nachvollziehbar: Wer ein „vollsynthetisches“ Öl kauft, wird auch ein künstlich erzeugtes Produkt – und gerade kein katalytisch bearbeitetes Mineralöl – erwarten. Ob das eine oder andere Öl dabei bessere oder schlechtere Qualitätsmerkmale aufweist oder nicht, kann dabei eigentlich keine Rolle spielen: Wer ein bestimmtes Motorenöl mit besonderen Qualitätsmerkmalen anpreisen will, wird diese auch konkret darstellen und hervorheben müssen. Die Beklagte dagegen dürfte sich unterm Strich dafür entschieden haben, eine in Verbraucherkreisen etablierte Bezeichnung herauszuheben, die dort mit besonderer Qualität assoziiert wird. Aber: Auch ein chemisch noch so sehr bearbeitetes Mineralöl wird – unabhängig von seinen Qualitätsmerkmalen – niemals „vollsynthetisch“ werden.
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