BGH: Online-Händler müssen für Lastschriften alle EU-Konten unabhängig vom Kundenwohnsitz zulassen
Wer im eigenen Online-Shop die Zahlung per Lastschrift anbietet, muss diese nach einem Urteil des EuGH vom 05.09.2019 (Az.: C-28/18) flächendeckend für jeden EU-Käufer anbieten. Eine Beschränkung der Nutzbarkeit nur für inländische Kunden ist unzulässig, auch wenn mit der EU-weiten Öffnung erhebliche Zusatzkosten für notwendige Bonitätsprüfungen und die Abwicklung entstehen. Dieser Leitlinie folgend hat mit Urteil vom 06.02.2020 (Az. I ZR 93/18) jüngst der BGH entschieden, dass in Online-Shops ein SEPA-Bankeinzug nicht versagt werden darf, wenn EU-Wohnsitz und EU-Kontositz auseinanderfallen.
I. Hintergrund: EuGH gebietet europaweite Lastschriftnutzung im Online-Handel
Mit Urteil vom 05.09.2019 (Az.: C-28/18) stellte der EuGH klar, dass die Möglichkeit einer SEPA-Lastschriftzahlung im Online-Shop nicht nur inländischen Kunden vorbehalten sein darf.
Die Beschränkung des Bezahlverfahrens auf Kunden, die ihren Wohnsitz im Inland haben, verstoße gegen Art. 9 Abs. 2 der SEPA-Verordnung Nr. 260/2012.
Diese Vorschrift, die EU-weit unmittelbar gilt, gibt Folgendes vor:
Ein Zahlungsempfänger, der eine Überweisung annimmt oder eine Lastschrift verwendet, um Geldbeträge von einem Zahler einzuziehen, der Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Union ist, gibt nicht vor, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist, sofern das Zahlungskonto gemäß Artikel 3 erreichbar ist.
Shopbetreiber müssen dem Urteil nach die SEPA-Lastschriftzahlung also für alle EU-Kunden ermöglichen, unabhängig davon, in welchem Mitgliedsstaat sie ihren Wohnsitz haben.
Unerheblich sei für die Verbotswirkung der Länderbeschränkung auch, ob der Shopbetreiber neben der SEPA-Lastschriftzahlung andere Zahlungsmöglichkeiten anbiete, die tatsächlichen allen EU-Kunden gleichermaßen zur Verfügung stünden.
Weitere Informationen zum Grundsatzurteil des EuGH stellt die IT-Recht Kanzlei in diesem Beitrag bereit.
In einem ähnlich gelagerten Fall der Beschränkung der Lastschrift-Zahlungsmöglichkeiten innerhalb der EU hatte jüngst der BGH mit Urteil vom 06.02.2020 (Az. I ZR 93/18) zu entscheiden. Die Ausgangslage des Sachverhalts wich jedoch von derjenigen aus dem EuGH-Verfahren ab.
II. Der Sachverhalt
Die Beklagte, ein Online-Versandhandelsunternehmen aus Deutschland, bot Kunden für Online-Bestellungen zwar die SEPA-Lastschriftzahlung an und ermöglichte diese auch Kunden aus dem EU-Ausland.
Allerdings gab die Eingabemaske der Beklagten vor, dass das für die Lastschriftzahlung verwendete Konto zwingend mit dem anzugebenden Wohnsitzland des Kunden übereinstimmen musste. Zugelassen wurden mithin nur Bankkonten aus dem jeweiligen Wohnsitzland.
Nachdem einem Kunden mit deutscher Rechnungsadresse, aber einem in Luxemburg geführten Bankkonto eine Fehlermeldung angezeigt wurde, als er für die Lastschrift seine luxemburgische IBAN (LU…) angeben wollte, und die Beklagte mitteilte, bei Kunden mit Wohnsitz in Deutschland sei eine Abbuchung nur von einem deutschen Konto möglich, erhob ein Verbraucherschutzverband nach erfolgloser Abmahnung zunächst Klage zum Landgericht Freiburg.
Vorgeworfen wurde der Beklagten ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 der SEPA-Verordnung, weil die Beklagte entgegen der Vorschrift Zahlungskonten aus dem EU-Ausland nicht akzeptiere. Art. 9 Abs. 2 der Verordnung sei eine Marktverhaltensnorm, Verstöße gegen diese seien also nach § 3a UWG wettbewerbswidrig.
Die Beklagte berief sich für eine Rechtfertigung des Verhaltens auf die Verhinderung von Geldwäsche und auf Sicherheitsrisiken beim Zahlungsverkehr und bestritt den Normcharakter als Marktverhaltensnorm.
Nachdem zunächst in erster Instanz das Landgericht Freiburg der Klage stattgegeben und sodann in zweiter Instanz das OLG Karlsruhe die Berufung des Beklagten zurückgewiesen hatte, strebte die Beklagte ein Revisionsverfahren vor dem BGH an.
Der BGH, der das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH in der oben benannten ähnlichen Sache ausgesetzt hatte, wies die Revision schließlich zurück, bestätigte die Berufungsentscheidung und erklärte das Verhalten der Beklagten für wettbewerbswidrig.
III. Die Entscheidung
Der BGH führte zunächst aus, dass es sich bei Art. 9 Abs. 2 der SEPA-Verordnung Nr. 260/2012 um eine verbraucherschützende Marktverhaltensnorm handele.
Dies sei dann der Fall, wenn die Vorschrift zumindest auch dem Schutz der Verbraucher diene und bei der dieser nicht nur untergeordnete Bedeutung habe oder eine nur zufällige Nebenwirkung sei.
Dieses Verbraucherschutzziel habe der EuGH mit seiner Entscheidung vom 05.09.2019 bestätigt. Danach trage die Vorschrift essentiell zur Erreichung des Ziels bei, das hohe Maß an Verbraucherschutz zu erreichen, das erforderlich ist, um sicherzustellen, dass die Verbraucher SEPA unterstützen.
Insofern begründe die Vorschrift unmittelbare Verhaltenspflichten der Unternehmer gegenüber den Verbrauchern und sei mithin wettbewerbsrechtlich relevant.
Sodann führte der Senat aus, die Beklagte habe mit Ihrem Verhalten gegen Art. 9 Abs. 2 der SEPA-Verordnung verstoßen. Diese Vorschrift verpflichte nämlich Unternehmer dazu, Verbrauchern die Teilnahme an einem zur Bezahlung angebotenen Lastschriftverfahren nicht allein deshalb zu versagen, weil sie für die Lastschrift ein Konto in einem von ihrem Wohnsitz abweichenden Mitgliedstaat angeben.
Der Ausschluss von Lastschriften bei auseinanderfallendem Wohnsitz- und Kontoführungsland aus Gründen der Generalprävention von Geldwäsche und wegen genereller Sicherheitsbedenken sei nicht zu rechtfertigen. Art. 9 Abs. 2 der SEPA-Verordnung sehe dies gerade nicht vor. Vielmehr sollten Verbraucher durch die Vorschrift die freie Wahl eines Zahlungsdienstleisters in einem beliebigen SEPA-Staat für alle ihre Lastschriftzahlungen im einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum ermöglicht werden.
Dies lasse zwar die Möglichkeit unberührt, wegen einzelner konkreter Verdachtsfälle individuelle Lastschriftzahlungen gegebenenfalls berechtigterweise zu versagen. Ein genereller präventiver Ausschluss bei Auseinanderfallen von Wohnsitzland und Kontoführungsland sei aber ein eindeutiger Verstoß gegen die gesetzlich verankerte unionsweite SEPA-Nutzungsmöglichkeit.
IV. Fazit
In einem jetzt bekannt gewordenen Urteil vom 06.02.2020 (Az. I ZR 93/18) hat der BGH entschieden, dass es unzulässig ist, im Online-Handel für Lastschriftzahlungen ein Konto vorauszusetzen, das dem Land des angegebenen Kundenwohnsitzes entspricht.
Verboten ist es beispielsweise also, für die Nutzung des Lastschriftverfahrens durch einen deutschen Kunden nur eine deutsche IBAN zuzulassen.
Nach Art. 9 Abs. 2 der SEPA-Verordnung Nr. 260/2012 müssen Online-Händler die SEPA-Lastschrift vielmehr auch dann ermöglichen, wenn EU-Wohnsitzland und EU-Kontositzland auseinanderfallen. Die SEPA-Lastschrift muss daher, wenn angeboten, für alle EU-Konten unabhängig vom angegebenen Wohnsitz bzw. der Rechnungsadresse zugelassen werden.
Verstöße gegen Art. 9 Abs. 2 der SEPA-Verordnung können über § 3a UWG wettbewerbsrechtlich geahndet werden.
Online-Händler, die SEPA-Lastschriftzahlungen anbieten, haben daher dringend sicherzustellen, dass dieses Angebot keinen EU-länderspezifischen Einschränkungen unterliegt.
Eine Pflicht dazu, SEPA-Lastschriften überhaupt anzubieten, besteht dahingegen grundsätzlich nicht. Nach § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB ist der Händler nur verpflichtet, Verbrauchern mindestens ein gängiges, zumutbares und unentgeltliches Zahlungsmittel anzubieten.
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