BGH: Kein datenschutzrechtlicher Anspruch auf Löschung aus Online-Bewertungsportal

BGH: Kein datenschutzrechtlicher Anspruch auf Löschung aus Online-Bewertungsportal
07.02.2023 | Lesezeit: 6 min

In einer aktuellen Entscheidung hat sich der BGH erneut mit den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Unterlassung der Verarbeitung von personenbezogenen Daten auf einem Online-Ärztebewertungsportal (www.jameda.de) befasst. Nach Ansicht des BGH besteht kein datenschutzrechtlicher Anspruch auf Löschung eines Jameda-Basisprofils, da grundsätzlich berechtigte Gründe aufseiten des Portalbetreibers überwiegen.

Jameda-Basisprofil ohne Foto

In dem zugrundeliegenden Rechtstreit klagte ein Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie gegen die Betreiberin des Arztsuch- und Bewertungsportals www.jameda.de.

In diesem Portal können allgemeine Informationen und anonyme Patientenbewertungen über Ärzte kostenlos abgerufen werden, wobei zu jedem Arzt – auch ohne eine ausdrückliche Veranlassung seinerseits – auf Grundlage öffentlich zugänglicher Daten ein Basis-Profil erstellt. Hierbei werden Name, ggf. akademischer Grad, Fachrichtung sowie Anschrift und Telefonnummer der entsprechenden Praxis aufgeführt.

Darüber hinaus bietet die beklagte Portalbetreiberin auch „Premium-Pakete“ an, bei denen die Profile zusätzlich mit einem Portraitfoto bzw. weiteren Fotos und zusätzlichen Informationen (Adresse und Verlinkung der Praxiswebseite, für Angaben zum Lebenslauf, Behandlungsschwerpunkte etc.) ergänzt werden können.

Der Kläger hatte nun die Beklagte auf Löschung personenbezogener Daten sowie auf Unterlassung der Veröffentlichung eines zu seiner Person angelegten Profils auf dem Ärztebewertungsportal in Anspruch genommen. Denn er hatte weder ein kostenpflichtiges Paket gebucht noch in die Aufnahme seiner Daten in das Portal eingewilligt.

Nachdem die Vorinstanzen dem Kläger zunächst Recht gaben und im Wesentlichen einen Anspruch aus § 823 Abs. 2, § 1004 BGB analog i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO bejahten, landete der Fall schließlich beim BGH.

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Überwiegen die Grundrechtspositionen des Arztes?

Das OLG München als Vorinstanz ist noch davon ausgegangen, dass die Grundrechtspositionen des Klägers im Rahmen einer nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO gebotenen Abwägung überwiegen würden.

Denn hinsichtlich der Gestaltung eines Basis-Profils des Klägers verschaffe die beklagte Portalbetreiberin den zahlenden Ärzten verdeckte Werbevorteile und würde nicht mehr als bloße Informationsvermittlerin fungieren. Der Kläger würde nämlich in den Augen der Nutzer so dargestellt werden, als sei er an einer aussagekräftigen Präsentation seines Profils nicht interessiert. Dadurch würde dieser unangemessenen Druck ausgesetzt werden, um ebenfalls ein kostenpflichtiges Premium-Paket zu erwerben.

BGH verneint Anspruch auf Löschung eines Basis-Profils

Der BGH (Urteil vom 13.12.2022 - VI ZR 54/21)hingegen verneint einen Löschungsanspruch und sieht aufseiten des Portalbetreibers berechtigte Gründe, welche überwiegen.

Dabei geht das Gericht zunächst auf die berechtigten Interessen der Beklagten aber auch die der Portalnutzer ein:

"Mit dem von ihr betriebenen Bewertungsportal und der (möglichst) vollständigen Aufnahme aller Ärzte verschafft die Beklagte der ihr Portal nutzenden Öffentlichkeit zunächst einen geordneten Überblick darüber, von wem und wo welche ärztlichen Leistungen angeboten werden. Mit der Sammlung, Speicherung und Weitergabe der Bewertungen vermittelt sie der das Portal nutzenden Öffentlichkeit darüber hinaus einen Einblick in persönliche Erfahrungen und subjektive Einschätzungen von Patienten des jeweiligen Arztes, die der jeweilige Leser (im Folgenden "passiver Nutzer" im Gegensatz zum bewertenden "aktiven Nutzer") bei seiner eigenen Arztwahl berücksichtigen kann."

Anschließend nimmt der BGH eine ausführliche Abwägung zwischen den Interessen beider Parteien vor. Im Ergebnis gewichtet er die Belange der Portalbetreiberin bzw. der nutzenden Öffentlichkeit höher.

Zwar sieht der BGH aufseiten des Klägers abgesehen von seinem Recht auf Schutz personenbezogener Daten Gefahren für dessen sozialen und beruflichen Geltungsanspruch sowie den wirtschaftlichen Erfolg seiner selbstständigen Tätigkeit, die eine Aufnahme in das streitige Portal mit sich bringen kann.

Dennoch erscheinen die Argumente zugunsten der Beklagten nach Ansicht des BGH wichtiger:

"Auf der anderen Seite steht hier - neben dem ebenfalls geschützten Eigeninteresse der Beklagten am Betrieb ihres Portals - das ganz erhebliche Interesse, das die Öffentlichkeit an den im Portal der Beklagten angebotenen Informationen und Möglichkeiten hat. Das Portal der Beklagten kann dazu beitragen, dem Patienten bei der Ausübung der Arztwahl die aus seiner Sicht erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, und ist grundsätzlich geeignet, zu mehr Leistungstransparenz im Gesundheitswesen beizutragen. Diesen Zweck kann es allenfalls noch eingeschränkt erfüllen, wenn es von der Zustimmung der bewerteten Ärzte abhängig wäre, die - etwa im Fall einer schwächeren Bewertung - zurückgenommen werden könnte […] Schließlich ist bei der Abwägung auch zu berücksichtigen, inwieweit die Beklagte im Portalbetrieb als "neutrale Informationsmittlerin" agiert. Verlässt sie diese Stellung, kann sich dies zu ihrem Nachteil auswirken. Ein strenges Gleichbehandlungsgebot mit der Folge, dass eine Ungleichbehandlung von nichtzahlenden und zahlenden Ärzten stets zur Unzulässigkeit der Datenverarbeitung im Rahmen des Portalbetriebs führt, lässt sich daraus aber nicht ableiten […]; ein solcher Automatismus ließe sich schon mit der nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO gebotenen Abwägung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls (vgl. EuGH, GRUR 2021, 1067 Rn. 111 - Mircom/Telenet) nicht vereinbaren […]"

Sodann stellte der BGH fest, dass nicht automatisch die Interessen der Klägerin am Unterbleiben der Datenverarbeitung überwiegen, weil zahlende Ärzte bei der Gestaltung des Profils gegenüber der nichtzahlenden Klägerin Vorteile genießen.

Zudem sie das auf den Basis-Profilen fehlende Portraitbild auch nicht geeignet, einen das Profil des betreffenden Arztes "besuchenden" potentiellen Patienten auf das Profil eines mit diesem konkurrierenden, aber zahlenden Arztes zu leiten.

Der BGH hierzu:

"Den diesbezüglichen Unterschied in der Profilgestaltung wird der potentielle Patient erst bemerken, wenn er das Profil eines Premium-Kunden der Beklagten mit demjenigen eines nichtzahlenden Arztes vergleicht. Die sich daraus für den nichtzahlenden Arzt ergebende Belastung ist nicht besonders schwerwiegend. Das Fehlen eines Bildes auf dem Basis-Profil lässt schon im Ausgangspunkt keinen Schluss darauf zu, der betroffene Arzt sei weniger qualifiziert als der Inhaber eines Premium-Profils mit Bild."

Lesetipp: Kundenrezensionen oder Berichte von Arztbesuchen können falsch oder beleidigend sein. Haftet in solchen Fällen nur die Person, die sich äußert, oder kann auch das Bewertungsportal zur Verantwortung gezogen werden, das die Bewertungen und Meinungen lediglich verbreitet? Die IT-Recht Kanzlei beantwortet diese und weitere Fragen zu Bewertungsportalen im Internet im Rahmen unserer Beitragsserie:

1. Teil: Muss man ein Bewertungsportal als Betroffener überhaupt hinnehmen?

Lesen Sie jetzt diesen Beitrag.

2. Teil: Ist die Nutzung von Bewertungsportalen im Internet anonym möglich oder nur unter Verwendung des Klarnamens?

Lesen Sie jetzt diesen Beitrag.

3. Teil: Die Haftung des Betreibers eines Bewertungsportals für eigene/ fremde Inhalte

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4. Teil: Habe ich als Verletzter einen Auskunftsanspruch gegenüber einem Bewertungsportal?

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5. Teil: Besteht ein Anspruch auf Löschung der persönlichen Daten gegenüber dem Bewertungsportalbetreiber?

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6. Teil: Die Ansprüche Betroffener bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Äußerungen in Blogs und Bewertungsportalen

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7. Teil: Pflichten von Betreibern von Blogs und Bewertungsportalen bei Hinweisen und Rügen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen

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8. Teil: Besteht ein virtuelles Hausrecht für einen Bewertungsportalbetreiber bzw. Blogbetreiber?

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9. Teil: Astroturfing - gefälschte Kundenbewertungen

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Fazit

Nach Ansicht des BGH lässt das Fehlen eines Bildes auf dem Basis-Profil schon im Ausgangspunkt keinen Schluss darauf zu, der betroffene Arzt sei weniger qualifiziert als der Inhaber eines Premium-Profils mit Bild.

Insoweit führt dies nicht zu einem unberechtigten Werbevorteil der zahlenden Ärzte. Im Ergebnis ist es damit auch ohne eine entsprechende datenschutzrechtliche Einwilligung möglich, dass Profile von Ärzten auf Jameda erstellt werden.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .


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