BGH: „Grundsätzliche Bereitschaft“ zur Teilnahme am Streitschlichtungsverfahren löst keine erweiterte allgemeine Hinweispflicht aus

BGH: „Grundsätzliche Bereitschaft“ zur Teilnahme am Streitschlichtungsverfahren löst keine erweiterte allgemeine Hinweispflicht aus
von Dr. Bea Brünen
29.11.2019 | Lesezeit: 5 min

Seit dem 1. Februar 2017 ist sie DER Dauerbrenner im Online-Handel: die Hinweispflicht auf die Plattform zur Online-Streitbeilegung. Kommen Shop-Betreiber dieser Pflicht nicht nach, drohen ihnen teure Abmahnungen. Der BGH hat nun entschieden, dass die „grundsätzliche Bereitschaft“ zur Teilnahme am Streitschlichtungsverfahren die erweiterte allgemeine Hinweispflicht nicht auslöst.

A. Informationspflichten nach § 36 Abs. 1 VSBG

§ 36 Abs. 1 Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) sieht zwei gestaffelte Hinweispflichten eines Unternehmers vor, der auch im B2C-Bereich tätig ist, also sein Angebot auch an Verbraucher richtet.

Die allgemeine Informationspflicht nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG sieht zunächst vor, dass Händler, die ihre Waren oder Dienstleistungen über eine Webseite vertreiben und/oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwenden, auf ihre Bereitschaft bzw. Pflicht hinweisen müssen, an Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen. Sind Shop-Betreiber grundsätzlich nicht bereit, an einem Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen, müssen sie ihre künftigen Vertragspartner darüber ebenfalls informieren.

Die erweiterte allgemeine Informationspflicht nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG richtet sich nur an Unternehmer und Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sich freiwillig zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet haben oder gesetzlich zur Teilnahme verpflichtet sind. Die danach betroffenen Shop-Betreiber sind nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG dazu verpflichtet, die konkret zuständige Schlichtungsstelle unter Angabe von Anschrift und Webseite zu benennen.

B. Der zugrundeliegende Streitfall: Online-Händler erklärt sich zur Streitschlichtung „grundsätzlich bereit“

Ein Shop-Betreiber, der online Lebensmittel zum Kauf anbot, verwendete in seinen Shop-AGB folgende Klausel zur Alternativen Streitbeilegung:

"Die EU hat ein Online Portal eingerichtet, um unzufriedenen Kunden zu helfen. Bei Beschwerden über Waren oder Dienstleistungen, die Sie bei uns über das Internet gekauft haben, können Sie unter folgender Adresse eine neutrale Streitbeilegungsstelle finden, um zu einer außergerichtlichen Lösung zu gelangen. […] Zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle sind wir nicht verpflichtet. Dennoch sind wir zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle grundsätzlich bereit […]."

Informationen dazu, an welche Schlichtungsstelle sich Kunden im Streitfall konkret wenden können, fanden sich hingegen nicht auf der Webseite. Insbesondere fehlten auch Angaben zur Anschrift und zur Webseite der zuständigen Schlichtungsstelle.

Ein Verbraucherschutzverein sah darin einen Verstoß gegen § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG und verlangte vom Shop-Betreiber die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Der Shop-Betreiber lehnte dies unter Hinweis darauf ab, dass er nur auf freiwilliger Basis an einer Streitschlichtung teilnehme und daher zur Angabe der zuständigen Schlichtungsstelle auf seiner Shop-Seite nicht verpflichtet sei.

Die Vorinstanz des BGH, das OLG Celle, hatte mit Urteil vom 24.07.2018 (Az.: 13 U 158/17) die Klage des Verbraucherschutzvereins abgewiesen (wir berichteten).

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C. BGH: Bloße Bereitschaft zur Teilnahme an der Streitschlichtung löst keine erweiterte allgemeine Hinweispflicht aus

Der BGH stellte in seinem Urteil vom 21.08.2019 (Az.: VIII ZR 263/18) klar, dass die Angabe der konkret zuständigen Schlichtungsstelle nur erforderlich ist, wenn ein Händler gesetzlich zur Teilnahme verpflichtet ist oder sich hierzu (freiwillig) verpflichtet hat.

Diese Voraussetzungen sind aber vorliegend nicht erfüllt. Denn: Im zugrundeliegenden Streitfall hatte sich der Shop-Betreiber zur Teilnahme an der Alternativen Streitbeilegung nicht verpflichtet, sondern sich zu einer solchen nur „grundsätzlich bereit“ erklärt. Die grundsätzliche Bereitschaft zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren ist aber mit einer (freiwilligen) Verpflichtung im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG nicht gleichzusetzen.

Der BGH untermauerte die Differenzierung zwischen der die erweiterte Hinweispflicht auslösenden freiwilligen Verpflichtung und der bloßen Bereitschaft zur Teilnahme an einer Streitschlichtung, welche die Hinweispflicht nicht auslöst, mit mehreren Argumenten.

So ergibt sich nach dem BGH eine derartige Auslegung bereits aus den Gesetzesmaterialen. Das Bundesamt für Justiz teilt etwa auf seiner Homepage zum Umfang der Informationspflicht eines Unternehmers nach § 36 Abs. 1 VSBG mit, dass "in der bloßen Bereitschaftserklärung [...] nicht auf eine bestimmte Verbraucherschlichtungsstelle hingewiesen werden [muss]", sondern dies nur im Falle einer Teilnahmeverpflichtung verlangt wird.

Auch der Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG beschränkt die erweiterte allgemeine Hinweispflicht ausdrücklich auf die Fälle, in denen sich der Händler zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet hat oder hierzu gesetzlich verpflichtet ist. Eine (freiwillige) Teilnahmeverpflichtung ist aber bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mit einer Erklärung, zu einer Streitbeilegung bereit zu sein, nicht gleichzusetzen. Eine grundsätzliche Bereitschaft zur Teilnahme an der Alternativen Streitbeilegung begründet nämlich – anders als die in § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG normierte freiwillige Verpflichtung dazu – keinen Zwang des Shop-Betreibers, sich auf ein solches Verfahren einzulassen.

Auch die Gesetzessystematik bestätigt diese Auslegung. So verlangt § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG neben den Angaben zur zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle auch die Erklärung des Händlers, an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser Stelle teilzunehmen. Eine solche verbindliche Zusage kann in Anbetracht der vom Gesetzgeber ausdrücklich zur Grundlage des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes gemachten Freiwilligkeit der Teilnahme an der außergerichtlichen Streitbeilegung (vgl. BR-Drucks. 258/15, S. 46) nur von einem Unternehmer verlangt werden, der aufgrund einer gesetzlichen oder einer von ihm eingegangenen Verpflichtung zur Teilnahme an einem solchen Verfahren verpflichtet ist.

Kurzum: Ein Verstoß des Händlers gegen die Hinweispflicht nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG liegt nicht vor.

D. BGH: „Grundsätzliche“ Bereitschaft entbehrt notwendiger Klarheit

Der BGH betont jedoch auch, dass der Shop-Betreiber den ihn treffenden Pflichten nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG nicht in vollem Maße Genüge getan hat. Denn: Nach dieser Vorschrift, welche sämtliche Shop-Betreiber trifft, hat der Unternehmer Verbraucher insbesondere klar und verständlich davon in Kenntnis zu setzen inwieweit er bereit oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Schlichtungsstelle teilzunehmen.

Im zugrundeliegenden Streitfall entbehrt aber die Angabe des Händlers „grundsätzlich“ zu einer Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bereit zu sein, der notwendigen Klarheit. So wird bei einer solchen Formulierung insbesondere nicht deutlich, in welchen Fällen der Shop-Betreiber konkret zu einer Teilnahme bereit ist. Dem durchschnittlichen Verbraucher als Adressat einer solchen Mitteilung erschließt sich angesichts des breiten Bedeutungsgehalts des Begriffs „grundsätzlich“ nicht, ob der Händler sich „aus Prinzip und ohne Ausnahme“ oder nur „im Prinzip, mit dem Vorbehalt bestimmter Ausnahmen, in der Regel, im Allgemeinen“ zu einer Mitwirkung an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle bereitfindet.

Letztlich blieb der vom BGH gerügte Verstoß gegen § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG für den Online-Händler jedoch folgenlos. Denn: Einen entsprechenden Verstoß hatte der Verbraucherschutzverein nicht geltend gemacht. Der BGH durfte hierüber deshalb nicht entscheiden.

E. Fazit

Händler, die nicht zur Teilnahme an einem Streitschlichtungsverfahren verpflichtet sind und sich auch selbst nicht hierzu verpflichtet haben, sondern sich lediglich grundsätzlich bereit erklären, an einem solchen Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen, müssen nicht auf die zuständige Streitschlichtungsstelle hinweisen. Shop-Betreiber müssen in diesen Fällen jedoch transparent kommunizieren, unter welchen Voraussetzungen sie konkret dazu bereit sind, an einem Streitschlichtungsverfahren teilzunehmen.

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