BGH: Pflicht zur Angabe des Grundpreises beim Anbieten von Nahrungsergänzungsmitteln in Kapselform
Eine über Jahre kontrovers geführte Streitfrage beschäftigte Online-Händler und führte auch zu unterschiedlichen Gerichtsentscheidungen: Müssen Online-Händler Nahrungsergänzungsmittel in Kapselform mit einem Grundpreis versehen oder ist es ausreichend, lediglich die Stückzahl anzugeben? Letzteres hätte zur Folge, dass kein Grundpreis genannt werden müsste. Der BGH hat diese Frage nunmehr abschließend beantwortet und eine Pflicht zur Grundpreisangabe angenommen. Lesen Sie mehr zur Entscheidung des BGH in unserem Beitrag.
Was war geschehen?
Der Beklagte betreibt eine Apotheke und bot unter anderem Aminosäureprodukte in Kapselform über seinen Onlinevertrieb zum Kauf an, ohne hierbei den Grundpreis anzugeben. Der Kläger ist ein Mitbewerber und handelt unter anderem ebenfalls mit Nahrungsergänzungsmitteln im On- und Offline-Bereich.
Stein des Anstoßes war ein Angebot des Beklagten für Aminosäurekapseln ohne hierbei den Grundpreis anzugeben. Der Kläger mahnte den Beklagten hierauf hin ab und forderte diesen zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf.
Die Abgabe einer Unterlassungserklärung lehnte der Beklagte ab, der Kläger beantragte und erhielt in der Folge eine einstweilige Verfügung, welche den Beklagten zur Unterlassung verpflichtete.
Noch vor Abschluss des Verfügungsverfahrens erhob der Kläger Hauptsacheklage gegen den Beklagten. Die Parteien stritten sich vor dem LG Hamburg, anschließend vor dem OLG Hamburg, schließlich kam es zum Showdown vor dem BGH.
Was war gleich noch der Grundpreis? Wenn (Online-)Händler Waren nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbieten oder lediglich bewerben, sind sie neben der Angabe des Gesamtpreises auch zur Angabe des Grundpreises (= Preis pro Mengeneinheit) gemäß § 4 Abs. 1 PAngV verpflichtet. Nach § 5 Abs. 1 PAngV ist der Grundpreis (je nach Abgabeeinheit des Produkts) prinzipiell in Bezug auf 1 kg, 1 Liter, 1 Meter oder 1 Quadratmeter anzugeben.
Konsequenz: Jedes (!) Mal, wenn eine grundpreispflichtige Ware unter Nennung eines Gesamtpreises auch nur werblich dargestellt wird, muss zugleich auch die Grundpreisangabe erfolgen.
Übrigens: Der BGH hat bereits früher entschieden, dass der Grundpreis auf einen Blick mit dem Gesamtpreis wahrgenommen werden können muss.
Kurze Auffrischung - wie haben andere Gerichte diese Frage beantwortet?
Eine Pflicht zur Angabe des Grundpreises verneint haben
- das OLG Celle (Urt. v. 09.07.2019, Az. 13 U 31/19) und
- das OLG Köln (Beschluss vom 26.03.2019, Az. 6 W 26/19).
Hingegen wurde die Pflicht zur Angabe des Grundpreises bejaht im Fall
- des OLG Düsseldorf (Urteil vom 08.06.2017, Az. 15 U 68/16) und
- des OLG Hamburg (Urteil vom 20.01.2022, Az. 3 U 66/21).
Machtwort des BGH
Der BGH hat mit Urteil vom 23.03.2023 (Az.: I ZR 17/22) über den Unterlassungsanspruch entschieden. Im Ergebnis hat der BGH zwar im Wege eines Versäumnisurteils den Anspruch des Klägers verneint, dies allerdings nur, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung mangels konkreten Wettbewerbsverhältnis zum Beklagten nicht (mehr) anspruchsberechtigt war.
Der BGH schloss sich dem ermittelten Verkehrsverständnis an, nach dem Aminosäureprodukte in Kapselform in Fertigpackungen nach Gewicht angeboten werden, und damit die Pflicht zur Angabe des Grundpreises auslöst.
Die Entscheidung erging zwar noch zur Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV, ist aber auf die aktuelle Rechtslage (die Grundpreisangabepflicht ergibt sich nun aus § 4 Abs. 1 S. 1 PAngV) ohne Einschränkungen anwendbar.
Ausschlaggebend war, dass
- die Ware in einer Fertigverpackung
- aufgrund einer spezialgesetzlicher Vorschrift (aus der LMIV) nach Gewicht
- angeboten worden ist.
Vorliegen einer Fertigverpackung
Für den Begriff der Fertigpackung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV aF gilt die Legaldefinition des § 42 Abs. 1 Mess- und Eichgesetz. Danach sind Fertigpackungen Verpackungen beliebiger Art, in die in Abwesenheit des Käufers Erzeugnisse abgepackt und die in Abwesenheit des Käufers verschlossen werden, wobei die Menge des darin enthaltenen Erzeugnisses ohne Öffnen oder merkliche Änderung der Verpackung nicht verändert werden kann. Dieses Erfordernis war bei den Aminosäurekapseln gegeben.
Anbieten der Ware
Der Begriff des Anbietens gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 PAngV umfasst jede gezielt auf den Absatz eines bestimmten Produkts gerichtete werbliche Ankündigung, durch die der Verbraucher so viel über das Produkt und dessen Preis erfährt, dass er sich für den Kauf entscheiden kann. Auch dieses Merkmal war im Fall erfüllt.
Angebot nach Gewicht (aufgrund Vorgabe aus der LMIV)
Der BGH bestätigte zudem, dass das Aminosäureprodukt aufgrund einer speziellen gesetzlichen Verpflichtung (gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe e Lebensmittelinformationsverordnung - LMIV) nach Gewicht angeboten wurde.
Das streitgegenständliche Aminosäureprodukt fällt nach Ansicht des BGH in die Kategorie der Nahrungsergänzungsmittel und unterliegt gemäß § 1 Absatz 1 der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel (NemV) den Vorschriften für Lebensmittel. Aus diesem Grund darf das Aminosäureprodukt ausschließlich unter Angabe des Gewichts als Füllmenge angeboten werden.
Die Verpflichtung zur Angabe der Nettofüllmenge eines Lebensmittels ergibt sich wiederum aus Art. 9 Abs. 1 Buchst. e LMIV.
Das Gericht ging zudem davon aus, dass die Pflicht zur Angabe der Nettofüllmenge nicht gemäß Art. 23 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit Nr. 1 Buchst. c des Anhangs IX der LMIV entfallen war. Nach dieser Vorschrift ist die Angabe der Nettofüllmenge nicht verpflichtend bei Lebensmitteln, die normalerweise nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht werden, sofern die Stückzahl von außen leicht zu sehen und einfach zu zählen oder anderenfalls in der Kennzeichnung angegeben ist.
Als Konsequenz hat der BGH dem Berufungsgericht attestiert, dass dieses in der fehlenden Grundpreisangabe zu Recht ein Vorenthalten wesentlicher Informationen im Sinne von § 5a Abs. 4 UWG aF gesehen hat.
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Fazit
Mit dem Urteil des BGH ist der jahrelange Streit beendet und nunmehr abschließend geklärt, dass auch beim Verkauf bzw. der Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln in Kapelsform eine Angabe des Grundpreises erfolgen muss.
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