Negative Bewertung - Gretchenfrage: Unwahre Tatsachenbehauptung oder Schmäkritik?
Immer wieder fragen uns Händler: Kann ich eine negative Bewertung löschen lassen? Auch wenn Händler hier aus Gründen der Meinungsfreiheit vieles hinnehmen müssen, gibt es auch bei Bewertungen rechtliche Grenzen. Diese sind dann erreicht, wenn die Bewertung entweder Schmähkritik oder unwahre Tatsachenbehauptungen enthält. Der folgende Beitrag skizziert kurz die Rechtslage.
Die Rechtslage bei der Löschung von Bewertungen ist von widerstreitenden Interessen der Beteiligten geprägt. Auf der einen Seite steht die Meinungsfreiheit desjenigen, der eine Bewertung abgeben möchte, auf der anderen Seite das allgemeine und unternehmensbezogene Persönlichkeitsrecht des Händlers. Rechtswidrig und damit löschungsreif sind Äußerungen Dritter nur dann, wenn es sich um
- unwahre Tatsachenbehauptungen oder
- Schmähkritik/ Formalbeleidigungen
handelt.
I. Falsche Tatsachenbehauptungen
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt neben wertenden Meinungsäußerungen grundsätzlich jede Form von Tatsachenbehauptungen. Was sind Tatsachen?
Tatsachen sind innere oder äußere Vorgänge und Zustände der Gegenwart oder Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind.
Auffällig an dieser Definition ist, dass der Begriff nur Vorgänge umfasst, die in der Vergangenheit oder Gegenwart liegen, nicht aber solche, die in der Zukunft liegen. Entscheidend ist, dass der betreffende Vorgang nachweisbar oder überprüfbar ist („und dem Beweis zugänglich ist“). Damit lassen sich viele Tatsachenbehauptungen von Meinungsäußerungen abgrenzen, denn nur was (zumindest theoretisch) überprüfbar ist, kann eine Tatsache sein.
Tatsachenbehauptungen zeichnen sich durch ihren objektiven Bezug zur Wirklichkeit aus. Im Gegensatz zu Meinungsäußerungen sind sie objektiv nachprüfbar und beweisbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.04.1994, Az. 1 BvR 23/94). Auch innere Tatsachen, wie das Wissen einer Person über einen bestimmten Sachverhalt, können als Tatsachen angesehen werden.
Unzulässig ist jedoch die Behauptung von Tatsachen, die sich nachweislich als falsch erweisen. Zur Beweislastverteilung: Der bewertende Kunde muss die Behauptung löschen, wenn er sie nicht beweisen kann (LG Frankenthal, Urt. v. 22.03.2023, Az. 6 O 18/23). Verlangt ein Händler also die Löschung von Kundenbewertungen, denen er den Charakter einer unwahren Tatsachenbehauptung beimisst, wäre zunächst der bewertende Kunde in der Beweispflicht, dass seine Tatsachenbehauptung wahr ist. Dies gilt grundsätzlich auch für Kundenbewertungen.
II. Rechtswidrige Werturteile: Schmähkritik und Formalbeleidigungen
Von den Tatsachenbehauptungen sind im Anwendungsbereich der Meinungsfreiheit zwingend alle wertenden Äußerungen abzugrenzen. Auch hier zunächst: Was ist eine Meinung?
Meinungen sind Äußerungen im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung, die Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens enthalten. Dazu gehören vor allem Werturteile, also Äußerungen, die dem Beweis nicht zugänglich sind.
Als Meinungen gelten auch Vermischungen von Meinungen und Tatsachen, insbesondere wenn die Tatsachen die Grundlage der Meinungsäußerung bilden.
Immer dann, wenn jemand ein Werturteil abgibt, indem er etwas bewertet, z.B. das Produkt eines Konkurrenten, handelt es sich um eine Meinung.
Werturteile genießen den Schutz der Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt grundsätzlich alle Meinungen unabhängig von ihrer Qualität. Es kommt nicht darauf an, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder unbegründet ist oder ob andere sie für positiv oder negativ, wertvoll oder wertlos halten. Ebenso wenig kommt es auf die Richtigkeit oder Vernünftigkeit einer Äußerung an. Die Zulässigkeit eines Werturteils hängt nicht davon ab, ob es begründet ist.
Ausnahmsweise können Werturteile aber unzulässig und rechtswidrig sein, wenn sie in Form einer sogenannten Schmähkritik oder Formalbeleidigung („Idiot“, „Dummkopf“, „Trottel“, „Mistkerl“ etc.) geäußert werden.
Übrigens: Auch Sternebewertungen ohne Begründung können als Schmähkritik gewertet werden - wie in diesem Fall einer kommentarlosen 1-Sterne-Bewertung bei Google.
Dies ist immer dann der Fall, wenn bei der jeweiligen Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht und die persönliche Kränkung das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängt (so zuletzt wieder Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 28. September 2015 - Az. 1 BvR 3217/14).
Tipp: Bereits ab 2022 müssen Händler darüber informieren, ob und ggf. wie sie sicherstellen, dass Bewertungen nur von Verbrauchern stammen, die die bewerteten Produkte auch tatsächlich gekauft haben. In welchen Konstellationen die neue Informationspflicht greift und wie sie umzusetzen ist, zeigen wir einschließlich hilfreicher Musterformulierungen für Mandanten in diesen FAQ.
III. Fazit
Der Grat zwischen zulässiger Meinungsäußerung und unzulässiger Schmähkritik ist schmal. Bei Meinungsäußerungen geht es immer um die Frage, ob im Rahmen einer Abwägung die Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG oder ein entgegenstehendes Recht wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Unternehmenspersönlichkeitsrecht oder das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb überwiegt. Grundsätzlich überwiegt aber die Meinungsfreiheit. Etwas einfacher scheint es bei Tatsachenbehauptungen zu sein: Als Faustformel lässt sich sagen, dass wahre Tatsachenbehauptungen grundsätzlich zulässig, unwahre dagegen grundsätzlich unzulässig sind.
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