Die Vergabeunterlagen bei der IT-Beschaffung (Teil 3, Die Bewerbungsbedingungen: Ablauf des Vergabeverfahrens)
Im dritten Teil der Serie „Die Vergabeunterlagen bei der IT-Beschaffung“ erfolgen Informationen über den Teil der Bewerbungsbedingungen, die den Ablauf des Vergabeverfahrens regeln. Die Bewerbungsbedingungen beschreiben sämtliche Verfahrensvorgaben, die die Bieter bei der Erarbeitung und Abgabe der Angebote beachten müssen.
Inhaltsverzeichnis
Die Bewerbungsbedingungen sollten von Vergabestellen, die ständig Leistungen vergeben, standardisiert werden. Sie sind reine Verfahrensregeln und sollten auf keinen Fall Vertragsbestandteil werden. Das heißt der Zuschlag sollte sich nicht auch auf diese Bedingungen beziehen. Die Bewerbungsbedingungen sollten Muster als Anlagen enthalten, die die Bieter bei Abgabe Ihrer Angebote zu nutzen haben. Dies erhöht die Vergleichbarkeit der Angebote und dient damit der Transparenz.
Überblick
1. Kurzdarstellung des Gegenstands der Beschaffung
2. Grundsätzliche Bestimmungen
3. Informationen zum Auftraggeber
4. Termin- und Fristenangaben
5. Änderungen, Berichtigungen und Rücknahme der Angebote
6. Nebenangebote bzw. weitere Hauptangebote
7. Kostenerstattung für Bewerber und Bieter
8. Angabe der Vergabekammer (bei EU-weiten Vergabeverfahren)
9. Rechtsbehelfsbelehrung (bei EU-weiten Vergabeverfahren)
10. Ggf. weitere Informationen zu den Bewerbungsbedingungen
Ablauf des Vergabeverfahrens
In den Bewerbungsbedingungen erfolgen zunächst Regelungen zum Ablauf des Vergabeverfahrens festgelegt. Hierzu gehören insbesondere folgende Inhalte:
1. Kurzdarstellung des Gegenstands der Beschaffung
Der Gegenstand der Beschaffung wird kurz im Überblick dargestellt. Weiterhin sollen Informationen zur Losbildung sowie zu sonstigen wichtigen Informationen übergreifender Art enthalten sein.
Beispiel für eine Kurzdarstellung
Die Vergabestelle beabsichtigt die Einführung einer wohnungswirtschaftlichen IT-Lösung (Gesamtsystem) inkl. Migration von xxx als Inhouselösung.
Es wird erwartet, dass die vom Bieter vorgeschlagene Software und die entsprechende Überlassung seines voreingestellten Systems für Standard- oder Basisapplikationen nicht nur optimal die internen Funktionen, Abläufe und Geschäftsprozesse der Vergabestelle unterstützen, sondern auch für die Außenkommunikation mit Zulieferern, Handwerkern und weiteren Dritten die Realisierung organisatorisch umfassend sinnvoller Lösungen ermöglichen. Ergänzend sind mobile Services und Anwendungslösungen einzurichten.
Der Bieter wird eine Implementierungsstudie vornehmen, um Details der funktionalen Anforderungen zu klären und um sinnvolle Projektvorgaben für die Realisierung abzustimmen. Des Weiteren werden die Schulungen durchgeführt. Nach Abnahme des Gesamtsystems erfolgt eine Systempflege durch den Bieter.
Inhalt der Angebote müssen auch sein die so genannten „optionalen“ Module, die in Kap. 5 näher beschrieben werden. Diese Optionen werden ggf. zu einem späteren Zeitpunkt beschafft und realisiert. Ihre Verfügbarkeit und Qualität sowie ihr Preis werden bei der Angebotsbewertung mit einbezogen.
2. Grundsätzliche Bestimmungen
Hier werden beispielsweise die gewählte Vergabeart sowie die Anwendung der VOL/A geregelt.
Beispiel für grundsätzliche Bestimmungen
Die Ausschreibung erfolgt in Form eines Verhandlungsverfahrens.
Die Vergabestelle verfährt nach Teil A der Verdingungsordnung für Leistungen -ausgenommen Bauleistungen - (VOL/A), ohne dass diese Bestimmungen Vertragsbestandteile werden. Daneben gelten die nachstehenden Bewerbungsbedingungen und Erläuterungen für den Bieter.
3. Informationen zum Auftraggeber
Es sind desweiteren die Adress- und Kommunikationsdaten mit dem Ansprechpartner der Vergabestelle sowie gegebenenfalls einer davon abweichenden ausschreibenden Stelle anzugeben.
Beispiel Informationen zum Auftraggeber
Angebote müssen unter Einhaltung der Frist gemäß Ziffer 2 an folgende Anschrift gerichtet werden:
Postanschrift
Musterbehörde
Vergabestelle
Musterstraße 4
12345 Musterstadt
4. Termin- und Fristenangaben
Aus Übersichtsgründen sollten alle für das Vergabeverfahren wichtigen Termine und Fristen an einer Stelle angegeben werden. Hierzu gehören beispielsweise die
- Frist für Bieterfragen
- Frist zur Angebotsabgabe,
- Ggf. Termin für Verhandlungsverfahren oder Teststellungen
- die Bindefrist für Angebote sowie weitere notwendige Fristen und Angaben
- der Zuschlagstermin,
Beispiel für Termin- und Fristenangaben
Fristen
• Bieterfragen
Fragen der Bieter zu den Vertragsunterlagen müssen bis spätestensxxxx
beim Auftraggeber unter der unten genannten Adresse eingegangen sein.
Später eingehende Fragen werden nicht berücksichtigt.
.• Angebotsfrist
Frist zur Angebotsabgabe ist derxxxx, 10:00 Uhr.
Später eingehende Angebote werden nicht berücksichtigt.• Angebotsbindefrist
Die Angebotsbindefrist läuft bis xxxxx. Der Bieter erklärt sich durch die Abgabe seines Angebotes mit dieser Angebotsbindefrist einverstanden.
• Verhandlungstermine
Die Verhandlungen finden voraussichtlich am xxxx und am xxxx statt.• Zuschlag
Der Zuschlag wird voraussichtlich am xxxxxx erteilt.
5. Änderungen, Berichtigungen und Rücknahme der Angebote
Es sollte geregelt werden, wie mit nachträglichen Änderungen zu den Angeboten, die nur innerhalb der Angebotsfrist möglich sind, zu verfahren ist.
Beispiel für Änderungen, Berichtigungen und Rücknahme der Angebote
Nachträgliche Änderungen oder Berichtigungen der Angebote sind als solche zu kennzeichnen und müssen in einem verschlossenen Umschlag (in derselben Form wie das Angebot selbst und mit dem Zusatz „Nachtrag“) zugestellt werden. Änderungen oder Berichtigungen sind nur bis zum Ablauf der Angebotsfrist zulässig.
Bis zum Ablauf der Angebotsfrist können Angebote in Textform zurückgezogen werden.
6. Nebenangebote bzw. weitere Hauptangebote
Gemäß § 8 Abs.4 und § 9 EG Abs. 5 VOL/A kann die Vergabestelle Nebenangebote zulassen. Fehlt eine entsprechende Angabe in der Bekanntmachung Vergabeunterlagen, sind keine Nebenangebote zugelassen. Lässt die Vergabestelle Nebenangebote zu, hat sie hierzu in der Bekanntmachung oder den Bewerbungsbedingungen Mindestanforderungen festzulegen Aus Transparenzgründen sollte die Vergabestelle aber dennoch festlegen, ob Nebenangebote bzw. weitere Hauptangebote zugelassen werden oder nicht. Außerdem sollte darauf hingewiesen werden, dass Nebenangebote (wie auch weitere Hauptangebote) zu kennzeichnen und auf einer gesonderten Anlage einzureichen sind.
Beispiel für eine Regelung zu Nebenangeboten bzw. weiteren Hauptangeboten
Nebenangebote bzw. weitere Hauptangebote werden nicht zugelassen.
7. Kostenerstattung für Bewerber und Bieter
Es sollten Festlegungen zur Vergütung bzw. Kostenerstattung für Bewerber und Bieter getroffen werden, wobei eine solche Vergütung bzw. Kostenerstattung regelmäßig nicht stattfindet Eine Ausnahme ist in § 9 EG Abs. 3 festgelegt. Hiernach darf im offenen Verfahren bei direkter oder postalischer Übermittlung für die Vervielfältigung der Vergabeunterlagen ein Kostenersatz gefordert werden. Die Höhe des Kostenersatzes ist in der Bekanntmachung und in den Bewerbungsbedingungen anzugeben. Unzulässig ist auf jeden Fall, eine Pauschale für jeden Fall der Zusendung von Ausschreibungsunterlagen zu verlangen, aus der nicht ersichtlich ist, auf Grund welcher Kosten sie berechnet wird. Denn es gilt, dass im Streitfall die Vergabestelle die Höhe der Kosten darzulegen und zu beweisen hat. Die Rechtsprechung hält 5 bis 10 Cent für eine kopierte Seite für gerechtfertigt.
Erstattungsfähig sind im Einzelnen:
- Materialkosten (Druckfarbe, Papier, Stromverbrauch für den Kopierer)
- Abschreibung, Instandhaltung der Vervielfältigungsgeräte
- Gemeinkosten (z.B. Raumkosten)
- Ggf. Umsatzsteuer
- Selbstkosten für die Beschaffung von Mustern und Proben
Umstritten ist, ob Personalkosten in Rechnung gestellt werden können.
Eine Ausnahme gilt auch beim wettbewerblichen Dialog. Nur hier hat die Vergabestelle gemäß § 3 EG Abs. 7 f) VOL/A Kosten zu erstatten. Verlangt sie im Rahmen eines wettbewerblichen Dialoges, dass die teilnehmenden Unternehmen Entwürfe, Pläne, Zeichnungen, Berechnungen oder andere Unterlagen ausarbeiten, muss sie einheitlich für alle Unternehmen, die die geforderte Unterlagen rechtzeitig vorgelegt haben, eine angemessene Kostenerstattung hierfür gewähren.
8. Angabe der Vergabekammer (bei EU-weiten Vergabeverfahren)
Die Benennung der Vergabekammer (einschließlich aller Kontaktdaten) als der zuständigen Stelle für Nachprüfungsverfahren muss bei EU-weiten Vergabeverfahren zwingend erfolgen.
Beispiel
Nachprüfungsverfahren
Unbeschadet der Prüfungsmöglichkeiten von Aufsichtsbehörden und Vergabeprüfstellen unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge der Nachprüfung durch die Vergabekammern. Ein Auftrag auf Nachprüfungsverfahren nach §§ 102 ff. GWB v. 26.08.1998, BGBl. I. S. 2547
(GWB) ist schriftlich zu stellen und an die Vergabekammer des Bundes
beim
Bundeskartellamt
Vergabekammer des Bundes
Villemombler Str. 76
53123 Bonn
Tel.: (0288) 9499 -562 oder -568
Fax: (0288) 9499 -163
zu richten. Für Amtshandlungen der Vergabekammern werden Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben (§ 128 GWB).
9. Rechtsbehelfsbelehrung (bei EU-weiten Vergabeverfahren)
Die Bewerber bzw. Bieter müssen zusätzlich zur Bekanntmachung auf Rechtsbehelfsmöglichkeiten sowie -fristen hingewiesen werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Fristen nach GWB nicht in Gang gesetzt werden.
Beispiel
Rügen der Bieter
Rügen der Bieter, in welchen diese einen Verstoß gegen die Vorschriften im Vergabeverfahren vortragen, sind ausnahmslos (per Fax oder E-Mail) an folgende Adresse zu richten:
xxx
Musteralle 4
12345 Musterstadt
oder
ausschreibung@vergabestelle.de
Hilft die Vergabestelle der Rüge nicht ab, wird mit Eingang des entsprechenden Antwortschreibens der Vergabestelle, eine Frist von 15 Kalendertagen in Gang gesetzt (§ 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB), innerhalb derer der Bieter einen etwaigen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer einreichen kann.
10. Ggf. weitere Informationen zu den Bewerbungsbedingungen
Aus Transparenzgründen sollte der Auftraggeber bereits in den Vergabeunterlagen mitteilen, ob er von der Nachforderungsmöglichkeit Gebrauch machen wird oder nicht. Um Unsicherheiten zu vermeiden sowie um Klarheit bei den Bewerbern/Bietern zu schaffen, empfiehlt die UfAB, von der Nachforderungsmöglichkeit nicht Gebrauch zu machen und dies bereits in den Vergabeunterlagen verbindlich mitzuteilen. Sollte sich der Auftraggeber entschließen, von der Nachforderungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, so empfiehlt die UfAB die Erklärungen und Nachweise bereits in den Vergabeunterlagen zu nennen, auf die sich die Nachforderungsmöglichkeit erstreckt. Die Dauer einer etwaigen Nachfrist kann zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden. Im Rahmen der Ausübung der Nachforderungsmöglichkeit sind alle Bewerber oder Bieter gleich zu behandeln.“
(Anmerkung: Gilt nicht für VOB/A)
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
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