OLG Hamburg: Schon das Betrachten kinderpornographischer Internet-Seiten ist strafbar

OLG Hamburg: Schon das Betrachten kinderpornographischer Internet-Seiten ist strafbar

Das OLG Hamburg hat vorgstern mit unanfechtbarem Revisionsurteil entschieden, dass schon derjenige Internet-Nutzer es in nach § 184 b Abs. 4 StGB strafbarer Weise unternimmt, sich den Besitz an Dateien mit kinderpornographischem Inhalt zu verschaffen, der bewusst und gewollt eine Internetseite mit solchem Inhalt aufruft und auf seinem Computerbildschirm betrachtet. Die Strafbarkeit setze nicht voraus, dass der Nutzer – wie in der Praxis nur erschwert beweisbar – die Datei manuell auf seinem Computer abspeichern will oder Kenntnis von einer automatischen Abspeicherung im so genannten Internet-Cache seines Computers hat.

Das Amtsgericht Hamburg-Harburg hatte den Angeklagten von dem Anklagevorwurf, in 16 Fällen es unternommen zu haben, sich Besitz an Dateien mit kinderpornographischem Inhalt zu verschaffen, freigesprochen. Es hatte festgestellt, dass der Angeklagte die Dateien gezielt im Internet aufgerufen und auf dem Bildschirm seines Computers betrachtet habe, ohne eine Speicherung zu bezwecken; von der automatischen Speicherung im so genannten Internet-Cache habe er keine Kenntnis gehabt. Diesen Sachverhalt hat das Amtsgericht als nicht strafbar angesehen, weil es an einem Besitz der Dateien fehle.

Auf die Sprungrevision der Staatsanwaltschaft hat der 2. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts das Urteil des Amtsgerichts heute aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zu neuer Verhandlung zurückverwiesen. In den Urteilsgründen ist ausgeführt, dass der zu körperlichen Gegenständen wie Videokassetten und Schriften entwickelte Besitzbegriff des § 184b Abs. 4 StGB einer erweiternden Auslegung bedarf, um dem Gesetzeszweck und dem Willen des Gesetzgebers auch bei unkörperlichen Gegenständen wie einer Internet- oder Computerdatei zu genügen. Bekämpft werden soll unter weit nach vorn verlagerter Strafbewehrung der schon im Aufrufen einer einschlägigen Internetseite liegende Konsum kinderpornographischer Darstellungen, weil schon dieser einen Anreiz für die kommerziellen Anbieter schafft, bei der Produktion derartiger Bilder und Videofilme Kinder zu missbrauchen. Die dem Besitz eigentümliche Herrschaftsmacht hat der Nutzer bereits dadurch, dass es in seinem Belieben steht, nach Aufruf die Dateien zu speichern, zu kopieren und zu verbreiten. Dass diese Herrschaftsmacht nach Aufruf zum bloßen Betrachten regelmäßig nur kurz ist, ergibt sich aus der dem Medium Internet typischen Schnelligkeit. In Anpassung daran den Besitzbegriff zu modifizieren, überschreitet nicht die Grenze des Wortsinns, die der Auslegung des Gesetzes durch das im Grundgesetz verankerte Gebot zur Bestimmtheit eines Straftatbestandes gezogen ist. Mit der 1997 geschaffenen gesetzlichen Gleichstellung von „Datenspeichern“ mit Schriften in § 11 Abs. 3 StGB, auf den § 184 b Abs. 4 StGB ausdrücklich verweist, ist dem Bürger hinreichend erkennbar geworden, dass der Besitzbegriff des § 184 b Abs. 4 StGB in einer auch unkörperliche , aus dem Internet heruntergeladene Dateien erfassenden Weise zu verstehen ist.

Urteil vom 15.02.2010, Az.: 2-27/09 (REV)

Quelle: PM des OLG Hamburg vom 15.02.2010

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3 Kommentare

U
Unbekannt 17.02.2010, 13:13 Uhr
Ohne Titel
Ich bin in den 90iger Jahren zur Zahlung von 9000.- DM verurteilt worden, weil ich offensichtliche Taten im Internet in 27 Fällen angezeigt habe.

Mir wurde von meinem Anwalt empfohlen, keine Revision zu beantragen, da ich "glimpflich" davon gekommen sei, da die Daten auch in meinem Cache (ohne mein Wissen) gespeichert wurden (was der Staatsanwalt als sammeln ansah - Bilder in kleinster cache-Auflösung mit 1-2 k !!).

Seitdem gilt für mich - wegschauen - nichts unternehmen und bloß niemanden ansprechen.

Wenn jemand angegriffen wird, hab´ich´s nicht gesehen, wenn jemand um Hilfe schreit hab´ich´s nicht gehört, wenn jemand offensichtlich eine Straftat begeht die ich beobachte, werde ich nichts mehr sagen!

Jeder der Zivilcourage zeigt und etwas unternimmt, ist am Ende nur eins - der Depp des Staatsanwaltes.
Armes Deutschland!
m
mrt 17.02.2010, 11:46 Uhr
welche folgen hat dies für den widerruf bei ebay?
Wenn das Anzeigen des Inhalts auf dem Bildschirm nun doch mit dem Besitzt gleichzusetzen ist, bedeutet dies doch im Umkehrschluß, dass die angezeigte WRB eines ebay-Angebotes auch im Besitz des kunden gelangt ist. Entweder speicherbar oder im Cache...

Finde es merkwürdig weshalb in einem Fall nicht sichergestellt werden kann, dass eine Belehrung zugegangen ist, jedoch im anderen Fall sofort vom Besitz ausgegangen wird. Sollte diese Haltung dann nicht auch im 1. Fall gelten?

MfG
R
R. Ellwald 17.02.2010, 11:32 Uhr
Ohne Titel
Wird dadurch nicht jede journalistische Recherche und kriminalistische Untersuchung nach Pornografie im Internet ebenfalls illegal?

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