Aktueller Stand der Rechtsprechung: Besteht eine Pflicht des Händlers über eine Herstellergarantie zu informieren?

Aktueller Stand der Rechtsprechung: Besteht eine Pflicht des Händlers über eine Herstellergarantie zu informieren?
30.06.2020 | Lesezeit: 9 min

Die derzeitige Rechtslage im Online-Handel belastet Händler an allen Ecken und Enden mit umfassenden Informationspflichten. Ein besonders heißes Eisen sind die Informationspflichten in Bezug auf Herstellergarantien. Bisher galt der Grundsatz, dass über eine solche Garantie informiert werden muss, sobald diese erwähnt bzw. aktiv beworben wird. Doch besteht eine Informationspflicht auch, wenn eine solche Herstellergarantie mit keinem Wort in den Angeboten erwähnt wird? Wir informieren Sie dazu über den aktuellen Stand der Rechtsprechung. So viel vorweg: Entwarnung kann derzeit leider (noch) nicht gegeben werden!

Das Problem: Informationspflichten vs. Herstellergarantien

Im Allgemeinen gilt der Grundsatz: Wer als Händler mit einer „Garantie“ aktiv wirbt, muss umfassend über eine solche informieren. In diesem Zusammenhang muss beispielsweise über Namen und Anschrift des Garantiegebers, den räumlichen Geltungsbereich der Garantie oder den Inhalt und die Bedingungen der Garantie informiert werden. Hier steckt der Teufel im Detail, denn im Rahmen einer rechtlich einwandfreien Garantiewerbung gilt es einiges zu beachten, wie wir bereits in einem früheren Beitrag zusammengefasst haben.

Doch was ist, wenn Händler eine „Garantie“ nicht einmal erwähnen, obwohl eine solche grundsätzlich durch den Hersteller des betreffenden Produkts gewährt wird? In der Vergangenheit galt angesichts der vielen Fettnäpfchen, in die man treten konnte, der Grundsatz, dass besser von einer aktiven Bewerbung einer Herstellergarantie abgesehen werden sollte. Doch im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung, die teilweise auch eine Informationspflicht der Händler über eine nicht aktiv beworbene Herstellergarantie bejaht, ist zur Vorsicht zu raten.

Doch die Rechtsprechung ist sich längst nicht einig, ob Händler auch über eine eventuell bestehende Herstellergarantie informieren müssen, selbst wenn sie mit keinem Wort eine solche „Garantie“ erwähnen oder mit einer solchen werben. Ergeben könnte sich eine solche Informationspflicht nur aus Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 1 EGBGB.

Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB bestimmt zur Informationspflicht:

"Der Unternehmer ist nach § 312d Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet, dem Verbraucher folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:
(…)
9. gegebenenfalls das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien (…)"

Aus dem Wortlaut ergibt sich daraus zunächst nur die Pflicht, dass ein anbietender Unternehmer über seine(n) eigenen Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien zu informieren hat. Diese Informationen haben verbraucherschützenden Sinn und Zweck. Denn sie können für den Verbraucher von Bedeutung sein, um den Umfang der mit dem Angebot des Unternehmers verknüpften Leistungen zu beurteilen und ggfs. mit anderen Angeboten vergleichen zu können.

Ebenso lässt sich daraus noch ableiten, dass auch über eine in einem Angebot erwähnte oder beworbene Herstellergarantie näher informiert werden muss. Dem Verbraucher muss in diesem Fall mitgeteilt werden, wie weit diese Garantie tatsächlich reicht und in welchem Verhältnis die Herstellergarantie und die Gewährleistung des anbietenden Unternehmers stehen.

Fraglich und höchst umstritten ist jedoch, ob aus der genannten Vorschrift hervorgeht, dass eine Informationspflicht auch auf den Fall zu erstrecken ist, dass die (möglicherweise bestehende) Herstellergarantie von dem anbietenden Unternehmer im Angebot überhaupt nicht erwähnt wird.

Diese Frage ist für Händler von großer Praxisrelevanz, denn wenn ein Verstoß gegen diese Informationspflichten vorliegt, kann dies gleichzeitig einen möglichen Wettbewerbsverstoß nach § 3a UWG bzw. § 5a Abs. 1 und 2 UWG begründen, welcher durch Dritte entsprechend wettbewerbsrechtlich abgemahnt werden kann.

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Pro Informationspflicht: LG Bochum und OLG Hamm

Nach heutigem Stand bejahen - soweit ersichtlich - zwei Gerichte die Frage, ob über eine Herstellergarantie informiert werden muss, auch wenn eine solche Garantie von dem anbietenden Unternehmer im Angebot überhaupt nicht erwähnt wird.

1. LG Bochum

In einem vor dem LG Bochum (Urt. v. 27.11.2019, Az. I-15 O 122/19) geführten Verfahren bot ein eBay-Händler eine Smartwatch an, für die unzweifelhaft eine Herstellergarantie bestand. Über diese verlor der Beklagte in seinem Angebot jedoch kein Wort und wurde deswegen abgemahnt. Das LG Bochum stellte dabei fest, dass alleine die Existenz einer solchen Herstellergarantie dafür ausreichend ist, dass der Händler über diese bestehende Garantie (eines Dritten) umfassend zu informieren habe.

Das Bestehen der Informationspflicht aus § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB setzt nach Ansicht der Richter gerade nicht voraus, dass die Garantie überhaupt irgendwo angesprochen oder gar werblich herausgestellt wird. Das LG Bochum sieht des Weiteren auch eine Pflicht der Verkäufer einer Ware, aktiv nach dem Bestehen von (Hersteller-)Garantien für die angebotene Ware zu forschen, um ihre Kunden sodann näher über diese Garantien informieren zu können.

2. OLG Hamm

Auch das OLG Hamm (Urt. v. 26.11.2019, Az. 4 U 22/19) entschied, dass die Regelung in § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB allein an die Existenz einer Garantieerklärung (des Produktverkäufers oder eines Dritten) anknüpft und somit eine besondere werbliche Hervorhebung der Garantie nicht erforderlich ist, um Informationspflichten hinsichtlich der Herstellergarantie auferlegt zu bekommen.

Das OLG Hamm hat hingegen ausdrücklich offengelassen, ob § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB den Verkäufer einer Ware in jedem Falle verpflichtet, aktiv nach dem Bestehen von (Hersteller-)Garantien für die angebotene Ware zu forschen.

Contra Informationspflicht: LG Hannover, OLG Bamberg, OLG Frankfurt

Dieser Auffassung gegenüber stehen hingegen die Ansichten eines Land- und zweier Oberlandesgerichte.

1. LG Hannover

Mit Urteil vom 23.09.2019 (Az.: 18 O 33/19) hat das Landgericht Hannover die Klage des Abmahnverbandes IDO abgewiesen, mit welcher dieser einen Unterlassungsanspruch gegenüber einem Warenverkäufer behauptet hatte, der in seinem Angebot nicht über eine für die Ware bestehende Herstellergarantie informiert hatte. Nach Ansicht des LG Hannover spreche weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck des Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB für eine solche Informationspflicht.

Der Wortlaut lasse keinen Schluss darauf zu, dass „nach den genannten Regelungen das Bestehen sämtlicher Garantien, also auch der Garantien Dritter, wie beispielsweise des Herstellers, anzugeben sind“. Im Gegenteil verhalte sich Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB nicht ausdrücklich dazu, ob auch Garantien Dritter anzugeben sind. Dagegen spreche vielmehr, dass sich auch die anderen Nummern des Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB grundsätzlich auf den anbietenden Unternehmer, sein Angebot und dessen Bedingungen beziehen.

Eine Ausweitung auf jegliche denkbaren Garantien Dritter dürfte einen Unternehmer zudem unbillig überfordern, zumal ggfs. sogar mehrere Herstellergarantien nebeneinander gelten bzw. gelten können, z.B. nämlich für die einzelnen Bestandteile zusammengesetzter Waren oder Dienstleistungen. Auch berechtigte Verbraucherschutzinteressen könnten eine solche weitergehende Informationspflicht nicht rechtfertigen, so das LG Hannover.

2. OLG Celle

Das OLG Celle war die Berufungsinstanz in dem vom Abmahnverband IDO aus Leverkusen geführten Unterlassungsverfahren, welches dem IDO zunächst in vor dem LG Hannover eine Niederlage bescherte (s.o.). Mit Urteil vom 26.03.2020, Az.: 13 U 73/19 entschieden die Richter am OLG nun ebenfalls, dass der beklagte Händler alles richtig gemacht hatte. Er bot im Februar 2019 bei eBay.de eine Bohrmaschine der Marke Metabo an. Der Hersteller Metabo räumt auf dieses Produkt eine Herstellergarantie ein. Der Händler erwähnte diese Metabo-Garantie in seinem eBay-Angebot mit keinem Wort.

Der Senat beim OLG Celle stellte zunächst fest, dass die Norm des Art. 246a § 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB durchaus von ihrem Wortlaut her auch eine Garantie erfasst, die vom Hersteller eingeräumt wird, mithin eine Anwendung der Vorschrift auch auf den vorliegenden Sachverhalt denkbar wäre.

Nach Sinn und Zweck der Vorschrift sei jedoch davon auszugehen, dass die von Art. 246a § 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB angeordnete Informationspflicht erst dann bestehe, wenn der Händler sich im Rahmen seines Angebots in irgendeiner Form auch auf die Herstellergarantie auch bezieht (also diese z.B. durch eine Aussage wie „2 Jahre Herstellergarantie“ erwähnt).

Andernfalls müsse der Händler – der vielleicht gar nichts vom Bestehen einer solche Garantie weiß - selbst nach einer solchen bestehenden Garantie erst recherchieren und auch die Aktualität seiner Angaben dazu überwachen. Dies sei für die Händler, die nicht immer direkt mit dem Hersteller in Verbindung stehen, ein erheblicher Aufwand, der auch zu Preiserhöhungen führen könne, müssten die Händler die aufgrund der Bejahung der Informationspflicht in jedem Falle umsetzen.

Weitere Informationen zur Entscheidung des OLG Celle siehe hier.

3. OLG Bamberg

Auch das OLG Bamberg (Hinweisbeschl. v. 19.03.2020, Az. 3 U 14/20) hat sich gegen die Bewertung gestellt, dass über eine Herstellergarantie informiert werden muss, selbst wenn überhaupt keine Erwähnung einer solchen Garantie gegeben ist. Aus der Vorschrift des Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB sei nur zu entnehmen, dass der Unternehmer über das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienstleistungen und Garantien zu informieren hat. Allerdings sei hieraus nicht erkennbar, ob sich diese Vorschrift lediglich auf eigene Garantien des Unternehmers oder auch auf Garantien Dritter beziehe. Dies sei nach Sinn und Zweck der Regelung in der Weise zu beantworten, dass Garantien Dritter in dem Angebot des Unternehmers nicht erwähnt werden müssten.

Deshalb seien die wesentlichen Informationen dem Verbraucher rechtzeitig vor Vertragsschluss zu erteilen. Dies solle ihn in die Lage versetzen, das Für und Wider des Vertrags abzuwägen, um sodann eine überlegte Entscheidung treffen zu können. Dies bedeute jedoch nicht, dass dem Verbraucher jede erdenkliche Information erteilt werden muss, die auf seine geschäftliche Entscheidung Einfluss haben könnte. Dies würde zum einen zu ausufernden und unüberschaubaren Nachforschungs- und Erkundigungspflichten führen.

4. OLG Frankfurt a. M.

Auch das OLG Frankfurt a. M. (Urt. v. 21.01.2020, Az. 4 U 257/19) interpretiert die maßgeblichen Normen so, dass über eine (möglicherweise bestehende) Herstellergarantie nicht informiert werden muss, wenn eine solche Garantie von dem anbietenden Unternehmer im Angebot überhaupt nicht erwähnt wird. Die schriftlichen Entscheidungsgründe liegen zwar noch nicht vor. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich auch die Frankfurter Richter der bereits durch das LG Hannover bzw. OLG Bamberg gelieferten Argumente bedient haben.

5. OLG Naumburg

Die Richter des OLG Naumburg (Beschluss vom 30.09.2020, Az.: 9 U 120/19) folgten explizit der Ansicht des OLG Frankfurt am Main (siehe unter obigem Punkt 4.), wonach es ausgeschlossen werden könne, dass es sich bei der Kaufentscheidung auswirken kann, dass der Verbraucher überhaupt nicht erfährt, dass eine Herstellergarantie existiert.

6. LG Bielefeld

Das LG Bielefeld (Urteil vom 26.01.2021, Az. 15 O 26/19) entschied ebenfalls, dass der im Verfahren verklagte Online-Händler an keiner Stelle auf die bestehende Herstellergarantie verwiesen hat. Augenscheinlich hebe der Unternehmer weder das Bestehen einer Garantie werbend hervor noch erwähne er diese überhaupt. Damit gelangte das Gericht zur Auffassung, dass eine Informationspflicht in Bezug auf die (tatsächlich bestehende) Herstellergarantie nicht bestehe.

Fazit: Die Unsicherheit bleibt!

Die Frage, ob Online-Händler über eine Herstellergarantie selbst dann informieren müssen, wenn solche „Garantien“ mit keinem Wort in den Angeboten erwähnt werden, kann derzeit leider nicht abschließend beantwortet werden.

Nach bisher vertretener Auffassung der IT-Recht Kanzlei (die bereits im Jahr 2016 durch das LG München I ausdrücklich bestätigt worden ist) haben Onlinehändler aktiv über Garantien zu informieren, die für die von Ihnen angebotenen Waren bestehen. Dabei wird nicht differenziert, ob es sich um ein Garantieversprechen des Verkäufers selbst oder des Herstellers handelt.

Um den sichersten Weg zu folgen, sind Online-Händler gut beraten, von sich aus aktiv und rechtskonform über eine bestehende Herstellergarantie zu informieren. Das gilt zumindest so lange, bis diese umstrittene Frage höchstrichterlich durch den BGH geklärt wurde.

Wir halten Sie auf dem Laufenden!

Tipp: Wenn die Informationspflicht erfüllt wird, wirbt der Händler zugleich natürlich auch mit einer Garantie und muss die Garantiewerbung insgesamt rechtssicher gestalten, da andernfalls wiederum Abmahnungen drohen. Wir haben unseren Mandanten im Mandantenportal ein Muster zur Werbung mit Garantien bereitgestellt!

Sie möchten rechtssicher und abmahnfrei im Internet verkaufen? Werfen Sie einen Blick auf die Schutzpakete der IT-Recht Kanzlei.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .


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