LG Berlin und AG Berlin: Bestätigungsmail für Eröffnung eines Kundenkontos = Werbung
Ein Urteil des AG Berlin Pankow-Weißensee (Urteil vom 16.12.2014, Az.: 101 C 1005/14) sorgt derzeit für einige Unruhe bei den Betreibern von Onlineshops. Ein Händler wurde abgemahnt, weil einem Dritten - der bei dem Shop des Händlers gar kein Kundenkonto eröffnet haben will - eine Bestätigungsmail des Händlers über die Eröffnung eines Kundenkontos zugegangen war. Das AG Berlin Pankow-Weißensee stellte nun fest, dass eine solche Bestätigungsmail Werbung darstellt und verurteilte den Händler damit zur Unterlassung eines solchen Verhaltens.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Unerwünschte Email-Werbung („Spam“) ist ein Ärgernis. Daher ist es unumstritten, dass dem Empfänger solcher unerwünschter Email-Werbung gegen den Versender Unterlassungsansprüche zustehen. Spam ist daher häufiger Anlass für die Aussprache von Abmahnungen, sowohl aufgrund deliktischer Ansprüche als auch aus Unlauterkeitsgesichtspunkten. Häufig stehen sich dann zwei konträre Ansichten gegenüber: Der Versender ist sich sicher, dass der Empfänger in die Versendung der Email-Werbung eingewilligt hatte, der Empfänger behauptet das Gegenteil. In der Praxis stellt sich dann häufig das Problem den Nachweis zu führen, dass auch tatsächlich der Inhaber der Email-Adresse selbst eingewilligt hat, und nicht ein Dritter dessen Email-Adresse „missbraucht“ hat. Beweisbelastet ist der Versender.
„double opt in“-Verfahren als Lösung?
In Bezug auf die beliebte Newsletterwerbung hat sich daher das „double-opt-in“-Verfahren etabliert.
Der Interessent gibt seine Email-Adresse an, erklärt ausdrücklich seine Einwilligung in den Erhalt der Werbung per Email und erhält daraufhin eine neutrale, nicht werblich gestaltete erste Email des Versenders („Bestätigungsmail“) an diese Adresse zugeschickt. Daraufhin muss er bestätigen, dass er der Inhaber dieser Emailadresse ist. Dies geschieht in der Regel dadurch, dass er einen Link anklickt. Er nach dieser Bestätigung erfolgt ein Newsletterversand an die angegebene Email-Adresse. Auf diese Weise können Anmeldungen fremder Email-Adressen weitestgehend verhindert werden. Die Zustimmung des Inhabers der Email-Adresse in die Übersendung von Email-Werbung ist so regelmäßig auch nachweisbar. Damit hat der Versender eigentlich alles ihm Zumutbare unternommen.
Auch „double-opt-in“-Verfahren ist nicht unumstritten
Im Herbst 2012 schlug ein Urteil des OLG München (Urt. v. 27.9.2012, 29 U 1682/12) wie ein Bombe ein: Das OLG sah bereits in der ersten Email, die im Rahmen des „double-opt-in“-Verfahrens als Bestätigungsmail verschickt wird, eine Werbung. Da zu diesem Zeitpunkt in aller Regel der Versender dieser ersten Email noch gar nicht nachweisen kann, dass deren Empfänger in den Erhalt der Email eingewilligt hatte, führt die Ansicht des OLG München das „double-opt-in“-Verfahren ad absurdum.
Zu Recht wird diese Entscheidung von vielen Seiten als falsch und vor allem lebensfremd kritisiert. Andere Obergerichte wie das OLG Frankfurt/ Main und das OLG Celle gehen nicht konform mit der Entscheidung des OLG München, so dass man die Münchner Entscheidung derzeit zumindest nicht als das Maß aller Dinge nehmen muss. Das gilt jedoch nur, wenn diese erste Email auch so nüchtern wie möglich gehalten wird und rein sachlich darüber informiert, dass unter dieser Adresse eine Anmeldung für den Newsletter vorgenommen worden ist und sofern dieser gewünscht wird, dies in der geschilderten Weise bestätigt werden muss.
Andere Baustelle
Der Entscheidung des AG Berlin Pankow-Weißensee beschäftigt sich jedoch nicht mit der Thematik der „Bestätigungsmail“ beim „double-opt-in“-Verfahren.
Die Problematik des dortigen Rechtstreits ist aber ein ganz ähnliche. Im Kern dreht sich die Entscheidung um die Frage, ob eine Email, die (lediglich) die Einrichtung eines Kundenkontos in einem Onlineshop bestätigt, eine Werbeemail darstellt. Sofern dies zu bejahen wäre und der Versender dieser Email nicht nachweisen kann, dass der Empfänger in den Erhalt solcher Werbung ausdrücklich eingewilligt hat, wären wir wieder bei der Thematik des „Spam“ mit den geschilderten unangenehmen Konsequenzen für den Versender.
Das AG Berlin Pankow-Weißensee ist - ebenso wie das LG Berlin, welches die einstweilige Verfügung gegen den Versender im Beschwerdewege erließ, nachdem das AG Berlin Pankow-Weißensee dies zunächst nicht tat – der Ansicht, dass eine solche Email, mit der die Einrichtung des Kundenkontos bestätigt wird, als Werbung zu qualifizieren ist:
„Werbung ist jede Äußerung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufes mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Inanspruchnahme von Dienst- bzw. Werkleistung des Werbenden zu fördern. Für die Beantwortung der Frage, ob eine bestimmte E-Mail Werbung in diesem Sinne darstellt oder nicht, kommt es nach Auffassung des erkennenden Gerichts in erster Linie darauf an, wie sich die betreffende E-Mail aus Sicht des Empfängers darstellen muß. Und hier ist entscheidend nicht allein der Inhalt der E-Mail, sondern auch der Kontext, in welchem der Empfänger diese erhalten hat.“
Das Gericht knüpft damit nicht ausschließlich an objektive Umstände (also die Gestaltung und den Inhalt der Email) an, sondern auch an das subjektive Element dahingehend, welche „Erwartungshaltung“ der Empfänger in Bezug auf diese Email hat.
„Die streitgegenständliche E-Mail beschränkte sich im wesentlichen auf die Information, daß für den Verfügungskläger bei der Verfügungsbeklagten ein Kundnkonto eingerichtet sei. Ob eine derartige Information Werbung darstellt oder nicht, hängt davon ab, ob der Empfänger dieser Information tatsächlich die Einrichtung des Kundenkontos veranlaßt hat. Hat er dies, stellt die Information hierüber für sich genommen noch keine Werbung dar. Hat er dies hingegen nicht, muß sich eine E-Mail wie die streitgegenständliche aus seiner Sicht als - sogar besonders aufdringliche - Absatzförderungsmaßnahme darstellen und ist Werbung."
Der Kläger hatte im Verfahren an Eides statt versichert, dass er bei dem beklagten Händler kein Kundenkonto eröffnet. Der Beklagte machte im Wege der eidesstattlichen Versicherung glaubhaft, dass unter der streitbefangenen Email-Adresse ein Kundenkonto angelegt worden sei. Das Problem hierbei: Der beklagte Händler konnte – mangels „double-opt-in“-Verfahren - natürlich nicht glaubhaft machen, dass es tatsächlich auch der Kläger war, der unter dieser Email-Adresse ein Kundenkonto angelegt hatte. Theoretisch könnte ja auch ein Dritter die Email-Adresse des Klägers „missbraucht“ haben. Daher genügte dem Gericht die eidesstattliche Versicherung des Beklagten nicht, so dass dieser verurteilt wurde.
Neue Dimension erreicht
Da nahezu jeder Onlineshop die Funktionalität der Einrichtung eines Kundenkontos besitzt und zur Kommunikation die Angabe einer Email-Adresse unerlässlich ist, hat die Entscheidung des AG Berlin Pankow-Weißensee eine erhebliche Tragweite. Nahezu jeder Händler mit eigenem Shop ist betroffen. Die Einrichtung eines Kundenkontos nicht mehr per Email zu bestätigen, ist keine Lösung, da sich das Problem dann nur nach hinten verlagert. Wird die Email-Adresse dann für eine Bestellung „missbraucht“, kommt an diese die „Eingangsbestätigungsmail“, welche wiederum als Werbung einzustufen sein dürfte, wurde vom Empfänger gar nicht bestellt.
Das Problem: Kein Nachweis, ob sich Inhaber der Email-Adresse als Kunde angemeldet hat
Hätte der Beklagte den Nachweis führen können, dass sich der Kläger als Inhaber der gegenständlichen Email-Adresse bei ihm als Kunde registriert hat, hätte auch nach der Definition des AG Berlin Pankow-Weißensee mit der Email keine Werbung vorlegen.
Möglich wäre das Führen eines entsprechenden Nachweises durchaus: Auch bei der Eröffnung eines Kundenkontos müsste mit „double-opt-in“ gearbeitet werden. Allerdings könnte man sich auch dabei in einem „Teufelskreis“ begeben, will man der Ansicht des OLG München folgen, dass die erste Email bei „double-opt-in“ für sich genommen schon Werbung darstellt.
Solange diese erste Email beim „double-opt-in“ aber wie bereits geschildert „werbefrei“ gehalten wird, ist eher nicht zu erwarten, dass sich weitere Gericht der Ansicht des OLG München anschließen.
Lösung in Sicht?
Das Urteil aus Berlin macht daher deutlich, dass sich Händler nicht nur in Bezug auf den Versand von Newslettern des „double-opt-in“-Verfahrens bedienen sollten, sondern auch bei der Einrichtung von Kundenkonten.
Mit anderen Worten: Will ein Interessent ein Kundenkonto einrichten, hinterlässt er in einem Onlineformular seinen Namen und seine Email-Adresse unter der ausdrücklichen Bestätigung, dass er damit einverstanden ist, dass ihm zum Zwecke der Einrichtung eines Kundenkontos dann eine Bestätigungsmail zugeschickt wird. Im Anschluss verschickt der Händler dann die Bestätigungsmail – dazu gleich – und ermöglicht die „Fertigstellung“ der Einrichtung des Kundenkontos erst, wenn der Bestätigungslink in der Bestätigungsmail betätigt wurde.
Wichtig ist dabei, dass die Bestätigungsmail so sachlich und nüchtern wie nur möglich gehalten wird. Keine überflüssige Information, keine werblichen Elemente, keine Bilder.
Diese Email könnte etwa wie folgt gehalten sein:
„Guten Tag, Frau / Herr (…)
unter Angabe der Email-Adresse, an welche diese Nachricht verschickt worden ist, wurde in unserem Onlineshop soeben die Anmeldung eines Kundenkontos angestoßen.
Sofern diese von Ihnen vorgenommen worden ist, klicken Sie bitte auf den folgenden Bestätigungslink: (…)
Die Eröffnung eines Kundenkontos wird für Sie erst nach Betätigen des Links fortgesetzt. Wird der Link nicht betätigt, wird auch kein Kundenkonto für Sie eröffnet. Sollte Ihre Email-Adresse daher versehentlich oder evtl. sogar missbräuchlich für diesen Zweck verwendet worden sein, brauchen Sie nichts weiter zu unternehmen.“
Zugegebenermaßen: Elegant geht anders. Diese Methode stellt eine Zäsur des Onlineshoppingerlebnisses dar. So mancher Interessent wird den geplanten Einkauf wegen dieser Zäsur nicht nur unterbrechen, sondern ganz abbrechen. Ferner ist damit ein nicht unerheblicher Programmieraufwand verbunden.
Erste Hilfe?
Eine – deutlich weniger sichere – „Erste-Hilfe-Maßnahme“ besteht darin, die Bestätigungsmail für die Einrichtung des Kundenkontos zu „entschlacken“. Wer also kein „double-opt-in“ für die Eröffnung des Kundenkontos einrichten will oder kann, sollte wenigstens die Email, welche die Einrichtung bestätigt, so weit wie möglich werbefrei halten. Inhalt – neben den gesetzlichen Pflichtangaben -sollte ausschließlich die nüchterne Information sein, dass ein Kundenkonto unter dieser Email-Adresse angelegt worden ist. Hinweise wie „Sie können nun bestellen!“, „Nutzen Sie den einfachen Bestellprozess dank Kundenkonto!“ oder sonstige „Shoppinganreize“ müssen vermieden werden.
Eine Lösung stellt diese Maßnahme u.E. leider nicht dar.
Fazit:
Die Entscheidung des AG Berlin Pankow-Weißensee ist von einiger Sprengkraft.
Wer Emails mit werblichem Inhalt verschicken möchte, muss sich vor deren Versand zwingend und vor allem nachweisbar die ausdrückliche Einwilligung des jeweiligen Empfängers einholen. Wegen der Beweislast des Versenders bietet nur das „double-opt-in“-Verfahren eine gewisse Rechtssicherheit. Wer den sichersten Weg gehen möchte, sollte dieses Verfahren von nun an auch bei der Einrichtung eines Kundenkontos verwenden und hoffen, dass die praxisfremde Ansicht des OLG München keine Schule macht.
Die Argumentation, es handelt sich nur um die Entscheidung eines Amtsgerichts, verfängt nicht. Schließlich hat das Landgericht hier die einstweilige Verfügung erlassen, das Amtsgericht musste dann wieder über den Widerspruch hiergegen entscheiden. Damit hält auch das LG Berlin eine solche Bestätigungsmail für Werbung. Dank des fliegenden Gerichtsstands im Wettbewerbsrecht ist das LG Berlin für Abmahner also in gewisser Weise eine „sichere Bank“…
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