Belgisches Recht: Unwirksamkeit von AGB-Verträgen wegen Sittenwidrigkeit

Belgisches Recht: Unwirksamkeit von AGB-Verträgen wegen Sittenwidrigkeit
13.03.2014 | Lesezeit: 5 min

Tipp: Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie hier: "Belgien E-Commerce (AGB)"

Die richterliche Überprüfung von AGB-Verträgen spielt auch in Belgien eine zunehmend wichtigere Rolle. Klagebefugnis hat nicht nur der betroffene Kunde sondern auch staatliche Stellen und Verbraucherschutzorganisationen. Verbraucherschutzorganisationen haben die Expertise und den langen Atem, eine Klage gegen einen Onlinehändler bis zu den höchsten Gerichtsinstanzen durchzufechten. Lesen Sie mehr dazu in den nachfolgenden FAQ.

Frage: Können belgische Gerichte AGB insbesondere bei B2C-Verträgen als missbräuchlich und damit als nichtig erklären?

Ja, das ist möglich. Gem. Art. 75 § 1 Belgisches Gesetz über die Marktpraktiken und den Verbraucherschutz (im folgenden Verbraucherschutzgesetz) sind missbräuchliche Klauseln verboten und nichtig. Im Rahmen einer Unterlassungsklage (Art.110 ff Verbraucherschutz-gesetz) kann das belgische Gericht AGB-Klauseln für missbräuchlich und nichtig erklären.

Art. 75 - § 1 Verbraucherschutzgesetz

- Missbräuchliche Klauseln sind verboten und nichtig.
Der Vertrag bleibt für die Parteien bindend, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.
Der Verbraucher kann nicht auf die Rechte verzichten, die ihm durch vorliegenden Abschnitt zuerkannt werden.

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Frage: Gilt die in AGB beliebte Klausel, dass die Unwirksamkeit einer AGB-Bestimmung nicht die Wirksamkeit der übrigen AGB-Bestimmungen berührt, nach belgischem Recht bei B2C-Verträgen ohne jeden Vorbehalt?

Nein, dies gilt nicht vorbehaltslos. Wie sich aus dem oben zitierten Art. 75 Verbraucherschutzgesetz ergibt, darf eine unwirksame Klausel keine Vertragshauptpflicht betreffen, die die Grundlage des Vertrages bildet.

Frage: Wer hat die Klagebefugnis, wegen der Missbräuchlichkeit von AGB-Klauseln die Unterlassung von solchen Klauseln zu fordern?

Das belgische Recht ist diesem Punkt noch sehr staatsnah geordnet.

- Anrufen des Ausschusses für widerrechtliche Klauseln

Der zuständige Minister, die Verbraucherschutzverbände oder die beteiligten Berufsverbände können gem. Art. 77 Verbraucherschutzgesetz den sogenannten Ausschuss für widerrechtliche Klauseln anrufen. Dieser Ausschuss kann die Streichung von Klauseln empfehlen.

Art. 77 - § 1 - Der Ausschuss für widerrechtliche Klauseln befindet über Klauseln und Bedingungen, die in Kaufangeboten und beim Verkauf von Produkten von Unternehmen an Verbraucher verwendet werden.
§ 2 - Der Ausschuss kann vom Minister, von den Verbraucherverbänden oder von beteiligten Berufsverbänden und überberuflichen Verbänden hinzugezogen werden. Er kann ebenfalls von Amts wegen auftreten.
§ 3 - Der König legt die Zusammensetzung des Ausschusses fest.
Art. 78 - § 1 - Der Ausschuss empfiehlt:
1. Streichung oder Abänderung von Klauseln und Bedingungen, die seiner Meinung nach offensichtlich ein Ungleichgewicht zwischen den Rechten und Verpflichtungen der Parteien zum Nachteil des Verbrauchers hervorrufen,
2. Einfügen von Angaben, Klauseln und Bedingungen, die seiner Meinung nach für die Aufklärung des Verbrauchers notwendig sind oder deren Fehlen seiner Meinung nach offensichtlich ein Ungleichgewicht zwischen den Rechten und Verpflichtungen der Parteien zum Nachteil des Verbrauchers hervorruft,
3. Klauseln und Bedingungen so abzufassen und zu präsentieren, dass es dem Verbraucher möglich ist, ihren Sinn und ihre Tragweite zu verstehen.
Berufsverbände, überberufliche Verbände oder Verbraucherverbände können die Stellungnahme des Ausschusses einholen in Bezug auf Entwürfe von Klauseln oder Bedingungen, die in Kaufangeboten und beim Verkauf von Produkten von Unternehmen an Verbraucher verwendet werden.
§ 2 - Der Ausschuss schlägt im Rahmen seiner Zuständigkeiten dem Minister Abänderungen von Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen vor, die ihm wünschenswert erscheinen.
§ 3 - Jährlich erstellt und veröffentlicht der Ausschuss einen Tätigkeitsbericht. Dieser Bericht umfasst unter anderem den vollen Wortlaut seiner im Laufe des Jahres abgegebenen Empfehlungen und Vorschläge.

- Unterlassungsklage

Materiell handelt es sich hier um Wettbewerbsrecht. Gem. Art. 113 Verbraucherschutzgesetzes kann der Wettbewerber, aber auch der Minister, Berufsverbände, Verbraucherschutzverbände vor Gericht eine Unterlassungsklage mit dem Ziel der Erklärung der Nichtigkeit einer AGB-Klausel einreichen.

Art. 113 - Die Klage, die auf Artikel 2 des Gesetzes vom 6. April 2010 zur Regelung bestimmter Verfahren im Rahmen des Gesetzes vom 6. April 2010 über die Marktpraktiken und den Verbraucherschutz beruht, wird eingereicht auf Veranlassung:
1. der Interessehabenden,
2. des Ministers oder des Generaldirektors der Generaldirektion Kontrolle und Vermittlung des Föderalen Öffentlichen Dienstes Wirtschaft, K.M.B., Mittelstand und Energie, es sei denn, der Antrag bezieht sich auf eine in Artikel 95 erwähnte Handlung,
3. eines Berufsverbandes oder überberuflichen Verbandes mit Rechtspersönlichkeit,
4. einer Vereinigung mit Rechtspersönlichkeit zur Verteidigung der Verbraucherinteressen, sofern sie im Verbraucherrat vertreten ist oder vom Minister aufgrund der durch einen im Ministerrat beratenen Königlichen Erlass festgelegten Kriterien anerkannt worden ist, es sei denn, der Antrag bezieht sich auf eine in Artikel 95 erwähnte Handlung.
In Abweichung von den Bestimmungen der Artikel 17 und 18 des Gerichtsgesetzbuches können die in Absatz 1 Nrn. 3 und 4 erwähnten Vereinigungen und Verbände zur Verteidigung ihrer in der Satzung definierten kollektiven Interessen gerichtlich vorgehen.
Die Unterlassungsklage in Bezug auf die durch Artikel 75 verbotenen Handlungen kann getrennt oder gemeinsam gegen mehrere Unternehmen desselben Wirtschaftssektors oder gegen ihre Verbände gerichtet werden, die dieselben allgemeinen Vertragsklauseln oder ähnliche allgemeine Vertragsklauseln verwenden oder deren Verwendung empfehlen.

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