Auslaufmodelle: Wann hat der Händler seine angebotene Ware als „Auslaufmodell” zu kennzeichnen?
Der BGH hat bereits mit Urteil aus dem Jahre 1999 entschieden, dass eine (abmahnfähige) Irreführung dann vorliegt, wenn ein Kaufmann verschweigt, dass es sich bei der angebotenen Ware um ein Auslaufmodell handelt und der Verkehr einen entsprechenden Hinweis erwartet (BGH GRUR 1999, 757). Die IT-Recht Kanzlei hat weitere Entscheidungen zum Thema zusammengetragen.
1. Gleich vorweg: Was ist überhaupt ein Auslaufmodell?
Ein Auslaufmodell ist ein Gerät, das vom Hersteller nicht mehr produziert und nicht mehr im Sortiment geführt oder von ihm selbst als Auslaufmodell bezeichnet wird.
2. Wann erwartet der Verkehr den Hinweis „Auslaufmodell“?
Der BGH hat sich hierzu wie folgt geäußert:
"Das Verschweigen einer Tatsache - wie derjenigen, daß es sich um ein Auslaufmodell handele – kann nur dann als eine irreführende Angabe i.S. von § 3 UWG angesehen werden, wenn den Werbenden eine Aufklärungspflicht trifft. Eine solche Pflicht besteht im Wettbewerb nicht schlechthin. Denn der Verkehr erwartet nicht ohne weiteres die Offenlegung aller - auch der weniger vorteilhaften - Eigenschaften einer Ware oder Leistung.
Die Pflicht zur Aufklärung besteht jedoch in den Fällen, in denen das Publikum bei Unterbleiben des Hinweises in einem wesentlichen Punkt, der den Kaufentschluß zu beeinflussen geeignet ist, getäuscht würde Dabei deutet es im allgemeinen auf eine entsprechende Verkehrserwartung hin, wenn derartige Hinweise auf eine bestimmte negative Eigenschaft im Wettbewerb üblich sind.
Allerdings müssen auch die Interessen des Werbenden beachtet werden: Seine wettbewerbsrechtliche Aufklärungspflicht bezieht sich nicht auf jede Einzelheit der geschäftlichen Verhältnisse. Vielmehr besteht aus dem Gesichtspunkt des § 3 UWG eine Verpflichtung, negative Eigenschaften des eigenen Angebots in der Werbung offenzulegen, nur insoweit, als dies zum Schutz des Verbrauchers auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden unerläßlich ist."
Ergo: Maßgeblich ist allein die Verkehrserwartung. Entspricht es also der Üblichkeit, dass bei einer bestimmten Ware darauf hingewiesen wird, dass es sich um ein überholtes Modell handelt und hat sich das Publikum an den Hinweis gewöhnt, so wird es beim Unterbleiben dieses Hinweises irregeführt. Darüber hinaus kann übrigens auch die Preisgestaltung einen Hinweis auf die Verkehrserwartung geben: Gibt der Handel Auslaufsmodelle etwa deutlich günstiger ab als Modelle aus der laufenden Produktion, wird der Verkehr in aller Regel einen entsprechenden Hinweis erwarten (BGH GRUR 1982, 374, 375).
3. Fallgruppen in der Rechtsprechung
Zur Orientierung: Bezüglich folgender Waren gibt es bereits Rechtsprechung!
Bekleidungsartikel
Wirbt ein Einzelhändler für einen aus besonderer Gelegenheit hereingenommenen Posten eines modischen Marken-Bekleidungsartikels, der vorwiegend bei jüngeren Käuferschichten beliebt ist (hier: Jeanshosen) so ist er, wenn es sich um Stücke einer älteren Kollektion handelt, verpflichtet, auf diesen Umstand hinzuweisen, jedenfalls dann, wenn der Artikel in der neuesten Kollektion eine verbesserte Stoffqualität aufweist, einen geänderten Zuschnitt erhalten hat und auch mit geänderten modischen Attributen ausgestattet ist. Diese Eigenschaften sind für den Kaufentschluß gerade jüngerer Käuferschichten, die sich vielfach nach dem neuesten Modetrend richten, bei modischen Bekleidungsstücken bestimmend. Wird der hiernach gebotene Hinweis unterlassen, liegt deshalb ein Verstoß gegen § 3 UWG vor (vgl. Urteil des OLG Hamm 4. Zivilsenat, 10.03.1983, 4 U 52/83)
Elektrohaushaltsgroßgeräte
- Bei Elektrohaushaltsgroßgeräten (etwa: Gefrierschränken, Gefriertruhen, Kühlschränken, Waschmaschinen, Wäschetrocknern, Wäscheschleudern, Geschirrspülern, Elektroherden und Bügelmaschinen) besteht grundsätzlich eine Hinweispflicht des Handels, wenn das fragliche Modell vom Hersteller nicht mehr produziert und nicht mehr im Sortiment geführt oder von ihm selbst zum Auslaufmodell erklärt worden ist.
- Die Erklärung des Herstellers, daß es sich bei einem bestimmten Gerät um ein Auslaufmodell handelt, braucht nicht ausdrücklich zu erfolgen. Sie kann sich auch aus den Umständen ergeben - etwa daraus, daß das betreffende Gerät in dem aktuellen Katalog oder der aktuellen Preisliste des Herstellers nicht mehr enthalten, sondern durch ein Nachfolgemodell ersetzt ist.
- Ein elektronisches Haushaltsgerät muss aber dann nicht in der Werbung als „Auslaufmodell“ bezeichnet werden, wenn der Hersteller dieses Gerät baugleich und technisch identisch, jedoch mit neuer Bezeichnung weiterproduziert und ausliefert (BGH, GRUR-RR 2004, 27).
Waschmaschinen unter Berücksichtigung der Rechtsprechnung des LG München I
- Nach Ansicht des LG München I (Urteil vom 06.05.2010, Az. 17HK O 22841/09) entfällt die Pflicht des Händlers zur Bezeichung als „Auslaufmodell“ jedoch dann nicht, wenn eine Waschmaschine der Marke A - die vom selben Hersteller baugleich auch unter der Marke B vertrieben wird - zwar vom Hersteller unter der Marke A zum Auslaufmodell erklärt wird, weiterhin aber noch unter Marke B produziert und als reguläres Modell vertrieben wird. Denn es sei schon zweifelhaft, ob den angesprochenen Verkehrskreisen überhaupt bekannt ist, daß die Geräte der Marke A und B vom gleichen Hersteller stammen. Zudem lege der Kunde, der eine Waschmaschine der Marke A erwerben möchte Wert darauf, tatsächlich eine solche unter der Marke A zu erhalten und entscheide sich bewusst nicht für ein Gerät der Marke B.
- Die Aufklärungspflicht des Händlers entfällt nach dem Urteil des LG München I auch dann nicht, wenn das Waschmaschinenmodell zwar vom Hersteller noch bis drei Wochen vor dem beanstandeten Angebot produziert und an Händler ausgeliefert wurde, der Hersteller das Modell aber bereits einen Monat vor dem Produktionsstopp als Auslaufmodell deklariert hat. Bei einer solchen Konstellation sei allein auf die Erklärung zum Auslaufmodell durch den Hersteller als maßgeblichem Zeitpunkt für den Beginn der Aufklärungspflicht abzustellen.
- Nach Auffassung des Gerichts ist dem Händler eine gewisse Übergangszeit zuzubilligen, binnen derer er seine Angebote nach der erfolgten Erklärung zum Auslaufmodell auf die neuen Gegebenheiten umstellen kann. Im Falle einer Werbung im Internet (hier: Angebot auf einer Auktionsplattform) sei diese Frist jedoch sehr begrenzt, da Angebote im Internet im Gegensatz z.B. zu Printwerbung sehr kurfristig angepasst werden könnten.
- Weiterhin stellte das LG München I in seinem Urteil klar, daß es für die Aufklärungspflicht des Händlers nicht darauf ankommt, ob das Nachfolgemodell über eine wesentliche technische Fortentwicklung verfügt. So sei bei Waschmaschinen bereits ausreichend, wenn das Nachfolgemodell über ein Waschprogramm verfügt, das im Vergleich zum alten Modell schneller wäscht.
- Schließlich stellt nach Ansicht des Gerichts auch der Umstand eines günstigen Preises verbunden mit einem auffälligem Preisunterschied keinen zwingenden Hinweis auf ein Auslaufmodell dar. Es sei allgemein bekannt, daß bei Käufen im Internet oft „Schnäppchen“ gemacht werden können, auch dann, wenn es sich nicht um Auslaufmodelle handelt.
Hochwertige Geräte der Unterhaltungselektronik
- Der Händler ist verpflichtet, bei hochwertigen Geräten der Unterhaltungselektronik wie Camcordern und bei Haushaltsgeräten wie Wäschetrocknern darauf hinzuweisen, daß es sich um Auslaufmodelle handelt (BGH GRUR 2000, 616).
- Die Hinweispflicht erfaßt nicht Produkte, die der Händler noch vor dem Modellwechsel als aktuelle Geräte bestellt hat und die er noch vor Erscheinen des Nachfolgemodells im Handel anbietet oder - falls es ein Nachfolgemodell nicht gibt - im Rahmen des üblichen Warenumschlags absetzt.
Schulrucksäcke
Nach dem KG Berlin (Beschluss vom 24. September 2004, Az:5 W 140/04) gibt es keinen Anlass anzunehmen, einem relevanten Teil der angesprochenen Verbraucher (insbesondere Schülern und Eltern) sei geläufig, dass die Hersteller von Schulrucksäcken zweimal im Jahr jeweils zum Beginn der Schulhalbjahre oder auch nur einmal jährlich zum Beginn des Schuljahres neue Modelle auf den Markt bringen. Dies widerspreche auch den Erfahrungen der Mitglieder des Senats, die Eltern schulpflichtiger Kinder waren bzw. noch sind. Ist dem Verkehr somit weder der tatsächliche, zeitlich festgelegte Produktionswechsel allgemein geläufig noch eine neue „Edition“ irgendwie bekannt oder erkennbar, dann fehlt es an einer relevanten Fehlvorstellung bezüglich der Eigenschaft als „Auslaufmodell“.
Skier
Nach dem OLG München (WRP 1979, 157) ist ein Hinweis „Auslaufsmodell“ dann bei einem Angebot von Skieren erforderlich, wenn bereits feststeht, dass die angebotenen Modelle in der kommenden Saison nicht mehr angeboten werden.
4. Fazit
Die Frage, ob bei dem Angebot einer bestimmten Ware auf die Eigenschaft als Auslaufmodell hingewiesen werden muss, kann leider nicht generell, sondern allenfalls nach Warengruppen beantwortet werden. Während bei einzelnen Gegenständen, etwa bei Kraftfahrzeugen oder Computern, ein solcher Hinweis aus der Sicht des Verkehrs grundsätzlich unerläßlich erscheint, gibt es eine Fülle von Gegenständen, bei denen sich der Verkehr keine besonderen Gedanken darüber macht, ob die angebotene Ware vom Hersteller auch heute noch in dieser Form hergestellt und vertrieben wird. Falls Sie hier Fragen bezüglich Ihres eigenen Warenangebots haben sollten – sprechen Sie uns an, wir beraten Sie gerne.
(Auszüge des Textes wurden auch veröffentlicht im IT-Rechts-Lexikon 2010)
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