Bundesweit: Erste Gerichtsentscheidung zur neuen Regelung für Arzt-Software
Bundesweit erste Gerichtsentscheidung zur neuen Regelung für Arzt-Software: "Manipulative Beeinflussung des Arztes" durch ein Computerprogramm - Berliner Sozialgericht: "Werbung und Funktion in unzulässiger Weise vermischt" - Zertifikat für ein Programm zum Ausfüllen von Rezepten abgelehnt.
Wenn ein Arzt an seinem Computer ein Rezept ausstellt, soll er nicht von seinem Computer-Programm beeinflusst werden, dass die Medikamente bestimmter Pharma-Unternehmen bevorzugt werden. Deshalb dürfen Kassenärzte seit dem 1. Juli 2008 nur noch Programme benutzen, die ein amtliches Zertifikat besitzen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat nun die Zertifizierung eines solchen Programms abgelehnt. Sie rügt eine „manipulative Beeinflussung des Arztes“. Der Hersteller des Programms ist anderer Ansicht und hat deshalb eine Eil-Entscheidung des Berliner Sozialgerichts beantragt, damit sein Programm weiterhin von den bundesdeutschen Kassenärzten benutzt werden darf. Das Sozialgericht hat diesen Eil-Antrag in der vergangenen Woche abgelehnt und damit die Ablehnung des Zertifikats vorläufig bestätigt. Eine endgültige Gerichtsentscheidung kann erst später in einem sogenannten Hauptsache-Verfahren getroffen werden.
Das Sozialgericht hatte sich die umstrittenen Funktionen des Programms in einem Erörterungstermin vorführen lassen und kam danach unter anderem zu folgendem Ergebnis:
„Das hier zu beurteilende Programm xxxxx vermischt in unzulässiger Weise Werbung und Funktion. Dieses Programm kann nur über die Tastatur bedient werden. Die Taste F…. mit regulären Programmfunktionen belegt, löst aber im streitigen Programm-Fenster die Öffnung der Werbung aus. Dieser werbebehaftete Weg bringt dann den Nutzer besonders einfach zu der Verordnung des beworbenen Medikaments. Das Gericht sieht hier eine Manipulation auch des kundigen Nutzers. Dieser wird verleitet, über die Doppelfunktion der Tasten, aber vor allem über den einfachen und kurzen Weg der Verordnung, das beworbene Medikament auszuwählen. Hierbei ist vor allem die Zeitersparnis auf dem Weg zu der Verordnung zur Manipulation geeignet. Dieses wird besonders deutlich, wenn bei Eingabe des Codes für die Erkrankung, hier z. B. „essenzielle Hypertonie“, ein Verordnungsvorschlag des beworbenen Medikaments erscheint, alle anderen Medikamentenvorschläge jedoch nur über einen viel aufwendigeren Weg für den Nutzer zu erreichen wären.“ - Der Hersteller des Programms hat Beschwerde beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg gegen diese Entscheidung eingelegt.
Das Gericht hat außerdem festgestellt, dass der „Anforderungskatalog“, den die gesetzlichen Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung für Computer-Programme aufgestellt haben, dem gesetzlichen Auftrag entspricht. Er sei auch im konkreten Fall zutreffend angewandt worden: „Der Gesetzgeber will den Arzt vor dieser Art der Einflussnahme schützen.“
Die ausführliche Argumentation der Beteiligten und des Gerichts sind im Volltext des Beschlusses enthalten.
Az: S 79 KA 498/08 ER
PM des Berliner Sozialgericht vom 18.11.2008
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