OLG Köln : Arztprofil in Arztbewertungsportal datenschutzrechtlich und wettbewerbsrechtlich zulässig – kein Löschungsanspruch

OLG Köln :  Arztprofil in Arztbewertungsportal datenschutzrechtlich und wettbewerbsrechtlich zulässig – kein Löschungsanspruch
von Gastautor Stephan Suchy
Stand: 06.07.2017 9 min 1

Das Oberlandesgerichts Köln (Urteil v. 05.01.2017 – 15 U 121/16) hat entschieden, dass einer Ärztin gegenüber einem Arztbewertungsportal unter anderem kein datenschutzrechtlicher Anspruch auf Löschung ihres Profils und kein Unterlassungsanspruch zusteht.

Hierzu das OLG Köln leitsätzlich: Ärzte haben es grundsätzlich hinzunehmen, dass sie im Internet bewertet werden und dass eine Einblendung der Konkurrenten erfolgt.

1. Zum Hintergrund der Entscheidung

Die Beklagte betreibt ein Arztbewertungsportal, dass monatlich von mehren Millionen Usern besucht wird. Die Betreiberin dieses Portals veröffentlicht ohne den Willen der Klägerin (einer Fachärztin) eine Profilseite, welches den Namen der (klagenden) Ärztin sowie die Anschrift, Telefonnummer und die Öffnungszeiten ihrer Arztpraxis enthält. Zudem werden auf dem Profil Bewertungen von (vermeintlichen) Patienten eingeblendet, die Benotungen und in Einzelfallen auch Fließtext enthalten. Vor der Benotung muss sich der Bewertende anmelden und bestätigen, dass tatsächlich eine Behandlung stattgefunden hat. Aus den Einzelbewertungen wird – wie üblich- eine Gesamtnote errechnet, die auf dem Profil angezeigt wird. Darüber hinaus werden dem Internetnutzer weitere Ärzte aus demselben Fachbereich angezeigt, deren Praxis sich in der näheren Umgebung befindet.
Die eingeblendeten Ärzte hatten sich im Gegensatz zur Klägerin kostenpflichtig registriert. Bei der Anzeige weiterer Arztpraxen wird von dem Bewertungsportal allerdings weder eine Sortierung nach Noten vorgenommen, noch werden nur solche „Konkurrenten“ eingeblendet, die eine bessere Benotung aufweisen. Es werden vielmehr solche zahlende Konkurrenten eingeblendet , welche die gleiche oder eine ähnliche fachliche Ausrichtung haben. Demgegenüber werden bei kostenpflichtig registrierten Ärzten, keine Konkurrenten eingeblendet.

Die klagende Ärztin hatte sich zunächst außergerichtlich an das Portal gewandt, um diverse Negativbewertungen (vermeintlicher) Patienten löschen zu lassen, welche seitens des Portals nach Durchlaufen einer internen Prüfung sodann auch tatsächlich gelöscht worden waren. Vor der Löschung der Negativbewertungen hatte die Ärztin eine Durchschnittsnote von 4,7 danach von 1,5.

Darüberhinaus forderte die Ärztin das Bewertungsportal auf, ihr Profil zu löschen und ihr die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu erstatten.

Das Landgericht Köln (28 O 7/16) hatte eine entsprechende Klage der Ärztin auf Löschung ihres Profils, Unterlassung und Kostenerstattung bereits in erster Instanz abgewiesen.

Das Oberlandesgericht Köln bestätigte nun in zweiter Instanz, dass sowohl die einwilligungslose Wiedergabe des Profils der Ärztin als auch die eingeblendete Werbung der Konkurrenten aus datenschutzrechtlicher, wettbewerbsrechtlicher und persönlichkeitsrechtlicher Sicht zulässig seien.

2. Zur Entscheidung des OLG Köln

In seiner äußerst ausführlichen Entscheidung urteilte der Senat, dass der Ärztin weder ein Anspruch auf Löschung ihrer in dem Profil wiedergegeben personenbezogenen Daten noch ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung ihres Profils zusteht.

In die Entscheidung flossen datenschutzrechtliche, wettbewerbsrechtliche und persönlichkeitsrechtliche Erwägungen ein.

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2.1. Speicherung der personenbezogenen Daten sowohl nach § 28 BDSG als auch nach §29 BDSG zulässig

Zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit meint das Gericht:

"Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass bei dieser Abwägung die Interessen der Klägerin am Ausschluss der Speicherung der streitgegenständlichen Daten (auch) im vorliegenden Fall die Interessen der Beklagten (und der Nutzer) am Betrieb des Portals und der damit verbundenen Datenspeicherung nicht überwiegen.

Das Landgericht hat hierbei zu Recht auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der K I - Entscheidung und die dortige Interessenabwägung zu § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG verwiesen. Danach wiegt die Beeinträchtigung der berechtigten Interessen eines Arztes durch die Erhebung, Speicherung und Übermittlung personenbezogener Daten im Rahmen eines Arztsuche- und Arztbewertungsportals nicht schwerer als das Recht des Portalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit, so dass dem betroffenen Arzt weder ein Löschungsanspruch nach § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, § 29 BDSG noch ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Daten nach § 823 Abs. 2, § 1004 BGB analog i.V.m. § 4 Abs. 1 BDSG zusteht (vgl. BGH, a.a.O.)."

Das Oberlandesgericht sah dabei auch in Anbetracht der von der Klägerin zahlreich aufgeführten Argumente keinen Anlass zu einer abweichenden Gewichtung. Im Einzelnen:

2.1.1. Mögliche Anonymität der Bewertenden und damit verbundene Missbrauchsgefahr

Das Oberlandesgericht verweist unter Bezugnahme auf die vorzitierte Entscheidung des BGH darauf, dass die Möglichkeit, Bewertungen auch anonym abgegeben zu können, gerade im Fall eines Arztbewertungsportals in Anbetracht der häufig betroffenen sensiblen Daten ein besonderes Gewicht zukomme.

Auch der Einwand, dass in dem Portal eine durchgehende Bewertung mit der Note 6 möglich sei, greife nicht. Auch eine durchgehend einheitlich (schlechte) Bewertung könne auf einer subjektiven Bewertung einer tatsächlich erfolgten ärztlichen Behandlung beruhen.

2.1.2. Zum Argument: Kein seriöser Nutzwert wegen massenhaft einseitig diffamierender oder falscher Tatsachenbehauptungen

Die klagende Ärztin argumentierte weiter, dem Portal sei wegen (angeblich) massenhaft diffamierender oder falscher Tatsachenbehauptungen ein seriöser Nutzwert abzusprechen.

Nach Ansicht des Senats fehle es diesbezüglich bereits an einer substantiierten Darlegung.

Mit dem Landgericht war der Senat der Auffassung, dass keine der konkret aufgeführten 18 Bewertungen über die Klägerin als Schmähkritik anzusehen seien,

"weil sie jeweils durch eine konkrete, teils sogar umfangreiche Beschreibung des Behandlungsverlaufs bzw. des Verhaltens der Klägerin während der Behandlung einen hinreichenden Sachbezug der Kritik aufweisen und eine persönliche Herabwürdigung der Klägerin nicht im Vordergrund steht."

Auch habe die Beklagte plausibel darlegen können, weshalb sich das Ärztebewertungsportal zur Löschung entschlossen habe. Dabei verwies das Gericht auf den Umstand, dass sich die Bewertungen über einen Zeitraum von 5 ½ Jahren erstreckten, so dass auch deswegen nicht auf massenhaft fingierte Bewertungen schließen könne.

2.1.3. Einblendung der Profile der Konkurrenten nicht irreführend

Die Klägerin meinte, dem Bewertungsportal sei bereits deswegen ein relevanter Nutzwert abzusprechen, weil die Nutzer die Einblendung der (bezahlten) Konkurrentenprofile fälschlich als Empfehlung des Protalbetreibers missverstehen und damit in die Irre geführt werden könnten. Dieser Argumentation folgte der Senat, wie schon das Landgericht nicht.

Nach Auffassung des Senats führt auch die Einblendung der konkurrierenden (zahlenden) Ärzte nicht zu einer anderen Bewertung:

"Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass bereits die optische Gestaltung der Einblendungen für den Durchschnittsrezipienten und den durchschnittlichen Verbraucher, an den sich das Portal richtet, in ausreichender Art und Weise deutlich macht, dass es sich hierbei um eigene Werbung dieser Ärzte handelt...."

"Deutlich gegen den Eindruck einer Empfehlung durch die Beklagte spricht außerdem, dass die Einblendungen der anderen Ärzte weder nach ihrer Gesamtnote noch nach ihrer Entfernung zur Praxis der Klägerin sortiert werden. Insbesondere werden (...) auch Konkurrenten dargestellt, die eine schlechtere Gesamtnote als die Klägerin aufweisen. Bereits deshalb kann der Durchschnittsrezipient von vornherein auch nicht annehmen, die Beklagte wolle mit diesen Einblendungen in irgendeiner Weise eine Empfehlung aussprechen."

Stattdessen neigt das Gericht sogar umgekehrt zu der Auffassung,

"dass der im öffentlichen Interesse liegende Nutzwert des Portals der Beklagten durch die Einblendung der - als solche erkennbaren - Werbeanzeigen konkurrierender Ärzte in der näheren Umgebung sogar erhöht wird, da dem Nutzer dadurch (ihm zuvor vielleicht noch nicht bekannte) Alternativen bei der Arztwahl aufgezeigt werden."

2.1.4. Auch der „Werbeaspekt“ durch die Einblendung der Anzeigenprofile zahlender Kunden führt nicht zum einem Überwiegen der Interessen der Ärztin

Die Klägerin hatte argumentiert, sie werde durch die Einblendung zahlender Ärzte und den dadurch bewirkten „Umleitungseffekt“ unzulässiger Weise unter Druck gesetzt, ebenfalls einen kostenpflichtigen Vertrag mit dem Ärztebewertungsportal abzuschließen, um sich so von der Einblendung zahlender Kollegen „freizukaufen“. Auch dieser Argumentation ist der Senat nicht gefolgt.

Bei der Werbefunktion handle es sich weder um eine unzulässige Manipulation potentieller Patienten, noch um eine unzulässige Ungleichbehandlung zahlender und nichtzahlender Ärzte.

Nach ausführlicher wettbewerbsrechtlicher Prüfung stellte das Gericht fest, dass weder eine irreführende Werbung des Arztbewertungsportals, noch eine gezielte Mitbewerberbehinderung vorliege. Auch eine aggressive geschäftliche Handlung oder eine unzulässige vergleichende Werbung läge nicht vor.

"Der damit allein verbleibende Umstand, dass die eingeblendeten Profile zahlender Ärzte werblich attraktiver ausgestaltet, mit Fotografien versehen sind und auf den Profilen der zahlenden Ärzte keine Konkurrenten eingeblendet werden, vermag für sich genommen keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Klägerin zu begründen.
Dass ein Mitbewerber bereit ist, für eine attraktivere Gestaltung seines Profils und Nichteinblendung von Konkurrenzangeboten ein Entgelt zu zahlen, ist aus Unlauterkeitsgesichtspunkten nicht anders zu beurteilen als die Schaltung von teureren, als solche erkennbaren Werbeanzeigen in anderen Presseerzeugnissen an herausgehobenen, gegebenenfalls singulär herausgestellten Stellen..."

2.2. Keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter dem Gesichtspunkt angeblicher „Zwangskommerzialisierung“

Das OLG meinte, dass in der Verwendung eines Namens eines anderen zu Werbezwecken zwar ein Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht liegen könne, doch sei vorliegend bereits die werbliche Vereinnahmung der persönlichen Daten durch das Bewertungsportal zu verneinen.

"Die Werbefunktion der Beklagten bzw. deren Anknüpfung an die persönlichen Daten der Klägerin hat ersichtlich nicht den Zweck, einen Image- oder Werbewert der Klägerin auf die eingeblendeten anderen Ärzte zu übertragen, geschweige denn zum Ausdruck zu bringen, die Klägerin empfehle die eingeblendeten konkurrierenden Ärzte. Die persönlichen Daten der Klägerin werden auch nicht als Bestandteil der von der Beklagten eingeblendeten Werbung Dritter im Sinne eines Aufmerksamkeitsfaktors genutzt, sondern dienen allein als Anknüpfung dafür, möglichst einschlägig suchende Nutzer mit den eingeblendeten Konkurrenzangeboten anzusprechen."

Jedenfalls Interessenabwägung zugunsten des Arztbewertungsportals

Der Gericht meint jedoch ungeachtet dessen, dass selbst wenn man vorliegend von einer werblichen Vereinnahmung im weitesten Sinne ausginge, jedenfalls die darin liegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht rechtswidrig wäre.

Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung würde das Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Persönlichkeit hinter dem Interesse an der Schaltung der Werbeeinblendungen und dem damit verbunden Informationsinteresse der Nutzer des Portals zurückstehen.

Wenn überhaupt, würde es sich um die schwächste Form einer werblichen Vereinnahmung, in Form einer bloßen „Aufmerksamkeitswerbung“ handeln. Die Klägerin sei nur in ihrer Sozialsphäre betroffen und ein etwaiger Eingriff würde nur vermögenswerte Bestandteile ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts betreffen. Eine Beschädigung ihres (ideellen) Ansehens als Person sei damit nicht verbunden.

Das Arztbewertungsportal sei durch eine etwaige Löschpflicht der persönlichen Daten auch und gerade in der von ihr angebotenen kostenpflichtigen Werbefunktion beeinträchtigt und damit ebenfalls in ihrem Recht auf freie Berufsausübung betroffen. Ob darüber hinaus das Recht auf Kommunikationsfreiheit tangiert sei, ließ das Gericht im Ergebnis offen.

Nach Auffassung des Senats überwiegen die Interessen des Bewertungsportals und deren Nutzer am Betrieb des Portals und der damit verbundenen Datenspeicherung und Datennutzung unabhängig davon, ob man in die Interessenabwägung ausschließlich die Werbefunktion oder auch die Bewertungsfunktion einbezieht.

Sowohl die Bewertungsfunktion als auch die Werbefunktion sind für sich genommen unter datenschutzrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig und von der Klägerin hinzunehmen.

3. Fazit

Das Oberlandesgericht nimmt unter Verweis auf die bekannte Entscheidung des BGH vom 23.9.2014 – VI ZR 358/13 eine grundsätzliche datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten des bewerteten Arztes durch ein Arztbewertungsportal an.

Ärzte haben es grundsätzlich hinzunehmen, dass diese im Internet anonym bewertet werden.

Entscheidend dürfte dabei jedoch nach wie vor die konkrete Ausgestaltung des jeweiligen Bewertungsportals sein. Diese muss ihrerseits den gesetzlichen Bestimmungen genügen. Diesbezüglich muss wie stets eine Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden.

Der rechtliche Aspekt der angebotenen kostenpflichtigen Werbefunktion ist hingegen neu und bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden. Das Oberlandesgericht hat diesbezüglich im Hinblick auf die datenschutzrechtliche und persönlichkeitsrechtliche Bewertung die Revision zugelassen.

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1 Kommentar

W
Werner Petersen 26.03.2018, 15:39 Uhr
Adressen nutzen
Hallo,



so wie ich das Urtel bzw. die Kommentierung verstehe, kann ich ein Onlineportal erstellen, in dem ich Arztadressen aus öffentlichen Quellen via Copy & Paste verwende - ohne dass ich einen der betreffenden Ärzte für die Verwendung des Namens, der Adresse und Telefenummer fragen muss. Also auch vorhandene Adressdaten von beispielsweise Krankenkassen?

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