OVG Lüneburg zur Arzneimittelpreisbindung: Rabatt in Form von Einkaufsgutscheinen ist unzulässig

OVG Lüneburg zur Arzneimittelpreisbindung: Rabatt in Form von Einkaufsgutscheinen ist unzulässig
von Mag. iur Christoph Engel
12.11.2012 | Lesezeit: 4 min

Apotheker, die ihren Kunden Rabatte anbieten wollen, müssen sich einerseits mit dem Heilmittelwerberecht, andererseits mit der Arzneimittelpreisbindung arrangieren. Dass das nicht immer funktioniert, zeigt ein aktueller Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg: Es stellte in einem Eilverfahren fest, dass ein Ein-Euro-Gutschein, der bei Bestellung eines verschreibungspflichtigen Medikaments in einer Versandapotheke ausgegeben wird, zwar nicht unbedingt gegen das HWG, aber sehr wahrscheinlich gegen die Preisbindung verstößt (vgl. aktuell OVG Lüneburg, Beschl. v. 31.08.2012, Az. 13 ME 142/12).

Inhaltsverzeichnis

Dem Beschluss lag ein Eilverfahren zugrunde, in dem lediglich summarisch der wahrscheinliche Ausgang des Hauptverfahrens geprüft wurde. Im vorliegenden Fall verwiesen die Richter jedoch auf ein früheres Urteil des gleichen Gerichts, das einen sehr ähnlichen Fall behandelte; es kann daher davon ausgegangen werden, dass die hier skizzierte Rechtsauffassung bereits repräsentativ die geltende Rechtslage widerspiegelt.

Zum Problem

Grundsätzlich unterliegen Arzneimittel, die in Apotheken abgegeben werden, einer Preisbindung (vgl. Arzneimittelpreisverordnung, AMPreisV). Daneben ist es noch nach § 7 HWG verboten, an Apothekenkunden „Zuwendungen und sonstige Werbegaben“ abzugeben, wobei hier eine Bagatellschwelle besteht – Kleinigkeiten sind erlaubt.

Sinn der Arzneimittelpreisbindung ist die Ausschaltung des Wettbewerbs zwischen den Apotheken, wodurch eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten begünstigt werden soll – ähnlich wie bei der Buchpreisbindung, die den Wettbewerb zwischen den Buchhandlungen aushebelt.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang jedoch die Ausgabe von Bonusgutscheinen – die fallen nach dem HWG zwar (je nach Wert) unter die Bagatellklausel, können aber im Endeffekt auch einen Preisnachlass auf die erworbenen Medikamente darstellen.

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Zum Urteil

Genau dieses Problem hatte nun das OVG Lüneburg zu lösen: Stellt ein Ein-Euro-Gutschein, die beim Kauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten ausgegeben werden, einen unzulässigen Rabatt oder ein (noch) zulässiges Werbegeschenk dar? Hierzu wird zunächst ganz allgemein ausgeführt (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 31.08.2012, Az. 13 ME 142/12; mit weiteren Nachweisen/teilw. aus vorhergehenden Entscheidungen zitiert):

„Je mehr ein Kundenbindungssystem einem […] stets unzulässigen Barrabatt gleichkommt bzw. auf einen solchen hinausläuft, desto niedriger ist der zulässige Wert der Werbegabe anzusetzen. Umgekehrt sind ‚wertvollere‘ Werbegaben umso eher denkbar, je weiter sich das praktizierte System der Sache nach von einem Barrabatt entfernt, solange sich die Werbegaben nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5 HWG als zulässig erweisen. Dies lässt sich mittelbar aus der gesetzlichen Wertung des Barrabattverbots in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG ableiten, wonach Zuwendungen oder (sonstige) Werbegaben, die in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden, für Arzneimittel stets und ohne ‚Bagatellschwelle‘ unzulässig sind, soweit sie entgegen den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften gewährt werden. […] So ist nach Auffassung des Senats wegen der Nähe zu einem Barrabatt der nicht die Spürbarkeitsschwelle überschreitende Wert bei einer pro Arzneimittel gewährten Werbegabe bei einem auf einen bestimmten aufgedruckten Geldbetrag lautenden Einkaufsgutschein niedriger anzusetzen als bei einem Punktesammelsystem, bei dem der Kunde erst viel später und nicht sogleich bei einem weiteren Geschäft in der Apotheke oder bei einem Kooperationspartner den Gegenwert zurückerhalten kann. M. a. W. handelt es sich bei einer sächlichen Werbegabe (z. B. Taschentücher) eher noch um eine geringwertige Kleinigkeit als bei der Aushändigung eines gleichermaßen werthaltigen, aber ‚barrabattäquivalenten‘ Gutscheins.“

Kurz zusammengefasst: Je ähnlicher ein Bonussystem einem Barrabatt ist, desto eher verstößt der Bonusgeber gegen die Arzneimittelpreisbindung. Angewandt auf den vorgelegten Fall (die Ein-Euro-Gutscheine) bedeutet dies nach Ansicht der Richter folgendes:

„Bei summarischer Überprüfung anhand der vorstehenden Maßstäbe wird im vorliegenden Fall durch die Gewährung eines Kundenbonus von 1,00 EUR je verschreibungspflichtigem Arzneimittel auf eingesandten Rezepten die arzneimittel(preis)rechtliche Eingriffsschwelle überschritten. Von einer offensichtlichen und eindeutigen Nichtüberschreitung der wettbewerbsrechtlichen Spürbarkeitsschwelle wegen bloßen Vorliegens einer geringwertigen Kleinigkeit kann nicht ausgegangen werden. […]

So handelt es sich bei dem Bonus um einen einem Barrabatt nicht unähnlichen Einkaufsgutschein, der auf einen bestimmten Euro-Betrag lautet. Auch der Kundenkreis, den der Antragsteller mit seinem Bonusmodell erreicht, ist – unabhängig von der fehlenden Bewerbung im Internet – angesichts von 500.000 Versandkunden nicht auf einen bestimmten lokalen Bereich beschränkt. Selbst wenn die wettbewerbsrechtliche Spürbarkeit für eine einzelne mit der Versandapotheke des Antragstellers konkurrierende Präsenzapotheke unabhängig von der örtlichen Reichweite des Bonusangebots sein mag, ist doch eine Vielzahl konkurrierender Marktteilnehmer von diesem Angebot betroffen, so dass eine deutlich erhöhte Gefahr einer Beeinträchtigung der flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln besteht. Die unabhängig von statistischen Momentaufnahmen bestehende Möglichkeit der Abwerbung von Kunden betrifft einen deutlich größeren Kreis von Mitbewerbern, als dies etwa bei einer reinen Präsenzapotheke der Fall wäre. Der Umstand, dass Versandapotheken derzeit bei der Gewinnung von Kunden, die verschreibungspflichtige Arzneimittel bestellen, nicht erfolgreich sind, erhöht die Gefahr, den Wettbewerb durch die Schaffung rechtswidriger Bonussysteme unzulässig zu beeinflussen […].“

Kommentar

Abzuwarten bleibt nun das Urteil im Hauptsacheverfahren, wobei hier eigentlich keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind – die vom OVG Lüneburg dargelegte Argumentation ist stringent und durchaus überzeugend.

Apotheker sollten daher keine Bonussysteme der hier dargestellten Art anbieten; wer dennoch nicht auf Maßnahmen zur Gewinnung bzw. Bindung von Kunden verzichten will, sollte sich in diesem Zusammenhang zumindest genauestens über die gesetzlichen Grenzen des Apotheken- und Heilmittelrechts informieren.

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