Die Anpassung der Mehrwertsteuer zum 01.07.2020 – Handlungsbedarf für Online-Händler
Der Stichtag lautet 01.07.2020: Bis dahin müssen Onlinehändler die Änderungen beim Mehrwertsteuersatz umgesetzt haben. Der primäre Anpassungsbedarf besteht in steuerrechtlicher Hinsicht, etwa die Anpassung der Rechnungsstellung. Doch auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht müssen Händler aufpassen, sich wegen der Anpassung des Mehrwertsteuersatzes nicht in eine Abmahngefahr zu begeben.
Inhaltsverzeichnis
- Worum geht es?
- Falsche Ausweisung der Mehrwertsteuer auf Rechnungen
- Angabe eines falschen Mehrwertsteuersatzes bei den Preiseangaben / in Artikelbeschreibungen
- Bestellvorgang & finale Bestellseite
- Angabe eines falschen Mehrwertsteuersatzes in den Rechtstexten
- Auch bei „Nebenleistungen“ aufpassen
- Hilfeseiten und FAQ
- Ggf. auch auf Verkaufsplattformen Handlungsbedarf
- Keine Preisanpassungen erforderlich
- Umfassende FAQ für Händler zum Thema
- Sie haben noch Fragen zum Thema Mehrwertsteuersenkung?
- Fazit
Worum geht es?
Am 03.06.2020 hat sich die Große Koalition auf ein „Konjunkturpaket“ verständigt, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzumildern.
Ein Bestandteil dieses Pakets ist die temporäre Absenkung der Mehrwertsteuer, durch welche der private Konsum angekurbelt werden soll. Konkret wurde beschlossen, dass im Zeitraum vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 der reguläre MwSt.-Satz von derzeit 19% auf dann nur noch 16% und der reduzierte MwSt.-Satz von derzeit 7% auf dann 5% abgesenkt wird.
Die Absenkung ist bis zum 31.12.2020 befristet, so dass aller Voraussicht nach dem 01.01.2021 wieder die alten Sätze gelten werden.
Diese befristete Maßnahme begegnet wachsender Kritik. Zum einen ist fraglich, ob sie überhaupt geeignet ist, die Nachfrage anzukurbeln. Aktuell mehren sich bereits Berichte, dass Interessenten Anschaffungen zurückstellen mit dem Argument, ab Juli dann 3% weniger dafür bezahlen zu müssen. Ferner bleibt es natürlich jedem Händler überlassen, ob er die Ersparnis an den Käufer weitergibt oder selbst als zusätzliche Marge einstreicht.
Weitaus schwerwiegender scheinen jedoch die bürokratischen Wirkungen der Maßnahme. Nicht zuletzt aufgrund der knappen, bis zum 01.07.2020 verbleibenden Zeit ächzen viele Händler unter dem derzeitigen Umsetzungaufwand.
Ferner muss bei der Implementierung in Shopsystem, Buchhaltung, Rechnungsstellung etc. auch bedacht werden, dass die „Aktion“ bereits am 31.12.2020 wieder endet, also zum 01.01.2021 der status quo wieder herzustellen ist. Gerade das Jahresende – Hauptverkaufszeit und von Feiertagen übersät – ist „Unzeit“ in Bezug auf solche Anpassungen.
„Einmalig“ in Bezug auf die an die Händler gestellten Herausforderungen wird diese Aktion zum einen dadurch, dass zum ersten Mal eine Absenkung des Satzes vorgenommen wird (bislang gab es nur Erhöhungen, ein Umdenken ist also auch bei Beratern und Softwareherstellern gefragt) und zum anderen deswegen, weil zum Jahreswechsel alles wieder zurückzurollen ist.
Je nach verwendetem Shopsystem und Buchhaltungs- bzw. Rechnungslegungssoftware kann folglich ein immenser Aufwand erforderlich sein, die anstehenden Änderungen korrekt zu implementieren, mit den entsprechenden Umstellungskosten.
Kritische Stimmen sprechen bereits von einem Bürokratiemonster mit fraglichen Erfolgsaussichten hinsichtlich eines Anheizens der Nachfrage.
Aber wo drohen in Bezug auf den Onlinehandel die Fallstricke bei der Mehrwertsteueranpassung?
Falsche Ausweisung der Mehrwertsteuer auf Rechnungen
An vorderster Stelle zu nennen ist die falsche Ausweisung der Mehrwertsteuer auf Rechnungen.
Anders als im Rahmen der Onlineangebote im Shop muss auf den Rechnungen muss der (zutreffende) Steuersatz der MwSt. auf Rechnungen mitangegeben werden.
Wer dem Kunden für eine mit dem bereits abgesenkten Satz von 16% zu besteuernde Leistung 19% MwSt. berechnet und auf der Rechnung ausweist, der schuldet die Steuer dann auch in dieser Höhe dem Fiskus.
Hier kann es zu Problemen kommen, wenn ein vorsteuerabzugsberechtigter Käufer dann aber nur MwSt. in Höhe von 16% geltend machen kann, d.h. der vom Verkäufer zu hoch ausgewiesene Steuerbetrag dann nicht als Vorsteuer abgezogen werden kann.
Es ist dann zumindest im B2B-Bereich auch eine Irreführung denkbar, die ggf. zu einer Abmahnung führen kann.
Händler sollten ihre Rechnungstellung also rechtzeitig so gestalten, dass diese den neuen Anforderungen entspricht.
Angabe eines falschen Mehrwertsteuersatzes bei den Preiseangaben / in Artikelbeschreibungen
Immer wieder anzutreffen sind (nicht notwendige und nun zu Problemen führende) Angaben zur Höhe der MwSt. im Rahmen der Preisangaben bzw. den Artikelbeschreibungen oder Angeboten.
Dort tauchen immer wieder Angaben auf wie ein Zusatz „inkl. 19% MwSt. zzgl. Versand“ beim Preis oder Texte wie „Unsere Angebote sind inkl. 19% MwSt.“ in den Artikelbeschreibungen.
Wer hier falsche Angaben zur Höhe der MwSt. nicht rechtzeitig anpasst, läuft Gefahr, wegen einer Irreführung des Verkehrs über die in den Preisen enthaltene MwSt. angegangen zu werden.
Zu beachten ist, dass diese fehlerhaften Angaben dann global „glattgezogen“ werden müssen, da diese meist an mehreren Stellen im Shop (z.B. auch auf Übersichtsseiten, Bannern, Cross-Selling-Promotionen, Werbeboxen etc.) angezeigt werden.
Das gilt natürlich auch für Bestell- und Auftragsbestätigungen (z.B. per Email), wo diese Angaben dann auch korrigiert werden müssten.
Hinweis: Zur Erfüllung des nach der PAngV erforderlichen Hinweises zur Beinhaltung der MwSt. ist es ausreichend, beim Preis einen Zusatz wie „inkl. MwSt. zzgl. Versand“ zu führen. Eine Angabe zur Höhe des MwSt.-Satzes ist nicht erforderlich!
Bestellvorgang & finale Bestellseite
Im Verlauf des Bestellvorgangs sowie auf der finalen Bestellseite, auf welcher der Kunde seine Bestellung abschickt, werden in der Regel die im Preis enthaltenen Beträge der MwSt. angegeben.
Hier muss das Shopsystem dann rechtzeitig umprogrammiert werden, damit solche Beträge ab dem 01.07.2020 korrekt berechnet und ausgewiesen werden.
Denn auch an dieser Stelle droht eine Irreführung, wenn ein falscher Betrag in Bezug auf die enthaltene Mehrwertsteuer angezeigt wird.
Hinweis: Auch dort verstecken sich gerne Angaben zur Höhe des Mehrwertsteuersatzes (neben den Beträgen der enthaltenen Mehrwertsteuer). Diesbezüglich gilt das bereits Geschriebene im Bereich der Preisangaben und Artikelbeschreibungen.
Angabe eines falschen Mehrwertsteuersatzes in den Rechtstexten
Es ist ein weit verbreitetes Problem: In etlichen AGB finden sich Angaben zur Höhe der in den angegebenen Preisen enthaltenen Mehrwertsteuer. Klauseln wie z.B.: „Alle Preisangaben beinhalten 19% USt.“ sind weit verbreitet.
Generell ist die Angabe des Mehrwertsteuersatzes in den Rechtstexten / AGB nicht erforderlich und – wie das aktuelle Geschehen zeigt – auch nicht empfehlenswert.
Wer also in seinen Rechtstexten über die Höhe des Mehrwertsteuersatzes informiert, muss ebenfalls bis zum 01.07.202 Hand anlegen und die Rechtstexte anpassen. Denn andernfalls droht auch hier eine Irreführung und womöglich Abmahnungen.
Ein vermeidbarer Aufwand, da diese Angabe zur Höhe der MwSt. in den AGB überhaupt nicht erforderlich ist.
Hinweis: Die Rechtstexte der IT-Recht Kanzlei enthalten keine Angaben zur Höhe des Mehrwertsteuersatzes. Dies bedeutet, dass weder wegen der Senkung der Mehrwertsteuer zum 01.07.2020, noch dann zur Anhebung zum 01.01.2021 deswegen ein Anpassungsbedarf bei den Rechtstexten besteht.
Auch bei „Nebenleistungen“ aufpassen
Manche Händler tätigen auch in Bezug auf „Nebenleistungen“ Angaben zur Beinhaltung der MwSt., etwa dahingehend, dass die angegebenen Versandkosten oder Preisangaben für etwaige Zusatzleistungen wie Aufbau oder Montage die MwSt. beinhalten.
Wer hier ab dem 01.07.2020 noch mit den alten MwSt.-Sätzen arbeitet, bekommt u.U. ein Problem. Auch hier gilt es, die Angaben rechtzeitig anzupassen und ab dem 01.01.2021 wieder alles „zurückzusetzen“.
Hier hat es ebenfalls derjenige Händler einfacher, der dabei gar keinen konkreten MwSt.-Satz angibt, sondern solche Angaben pauschal durch einen Hinweis wie „Montagekosten inkl. MwSt.“ erledigt.
Hilfeseiten und FAQ
Viele Shopbetreiber arbeiten mit Hilfeseiten und Fragensammlungen, um Kunden bei der Orientierung im eigenen Shop zu helfen.
Sofern auf solchen Seiten Angaben zur Höhe des Mehrwertsteuersatzes (wie etwa: „Frage: Sind die angezeigten Preise Gesamtpreise? Antwort: Ja, unsere Preise sind Gesamtpreise und enthalten die gesetzliche Mehrwertsteuer von 19%“) getätigt werden, muss auch hier eine Anpassung erfolgen.
Andernfalls droht ebenfalls eine Irreführung.
Ggf. auch auf Verkaufsplattformen Handlungsbedarf
Wer als Händler auch über Verkaufsplattformen wie Amazon oder eBay anbietet, muss natürlich auch dort darauf achten, nicht mit einem falschen Mehrwertsteuersatz zu werben. Es darf sich also z.B. nicht der Satz „Sie erhalten eine Rechnung mit 19% MwSt.“ in der Beschreibung finden.
Was die Gestaltung der Preisangaben und des Checkouts betrifft, sind die Händler meist darauf angewiesen, wie der Plattformbetreiber die Angaben dort gestaltet, da die jeweilige Gestaltung im Regelfall gar nicht in den Händen der Händler liegt.
Keine Preisanpassungen erforderlich
Zum Schluss eine gute Nachricht für die Händler: Die Senkung der MwSt. führt nicht dazu, dass die Händler nun ihre Preisgestaltung anpassen müssen. Der Verkäufer kann die Reduzierung der MwSt. an den Kunden weitergeben, muss dies aber nicht.
Derzeit spricht also nichts dagegen, dass die Händler ihre Preise auch über den 01.07.2020 hinaus unverändert lassen.
Umfassende FAQ für Händler zum Thema
Die IT-Recht Kanzlei hat in Zusammenarbeit mit Steuerberater Thomas Matisheck von der Steuerberaterkanzlei ENOVA Steuerberater Matisheck, Brokop & DeelwaterSteuerberater PartG mbB eine FAQ für Onlinehändler zum Thema der temporären Mehrwertsteueranpassung entwickelt.
Dort werden wesentliche, für Online-Händler relevante steuerrechtliche Fragestellungen aufgeworfen und beantwortet.
Interessierte Händler finden die FAQ – die natürlich weiterhin angepasst wird – gerne hier.
Wir freuen uns, wenn auf diesem Wege den Händlern weiterhelfen zu können.
Sie haben noch Fragen zum Thema Mehrwertsteuersenkung?
Da wir die genannte FAQ in Zusammenarbeit mit den Steuerberatern von ENOVA gerne entsprechend der Fragestellungen, die sich Händlern in diesem Zusammenhang immer wieder stellen erweitern wollen, freuen wir uns über Fragestellungen der Online-Händler zum Thema.
Wo Sie diese Fragen stellen können, lesen Sie gerne hier.
Hinweis: Die Rechtsanwälte der IT-Recht Kanzlei sind keine Steuerberater und können daher zu steuerrechtlichen Fragestellungen keine Auskünfte erteilen. Sofern Sie zum Thema der Mehrwertsteuersenkung eine Beratung in Anspruch nehmen möchten, wenden Sie sich daher bitte an einen Steuerberater.
Fazit
Die Absenkung und anschließende Wieder-Anhebung der MwSt. bringt erhebliche Herausforderungen für die Online-Händler mit sich. Bleibt zu hoffen, dass der Ecommerce wenigstens wirtschaftlich von der temporären Senkung profitieren kann, da die Umstellung in vielen Fällen den Händlern einige Kosten bescheren wird.
Offene Fragen müssen schnell geklärt werden, da bereits zum 01.07.2020 eine korrekte Implementierung im eigenen Shop (und auf Verkaufsplattformen) stehen muss. Im Detail können sich erhebliche Umstellungsaufwände ergeben, die zeit- und personalintensive Anpassungen nach sich ziehen. Es gibt zudem ein Hin- und Rückspiel. An Silvester 2020 muss dann wieder eine Rolle rückwärts vorbereitet werden.
Die Praxis zeigt, dass (im Regelfall überhaupt nicht erforderliche) Angaben zur Höhe des anzuwendenden MwSt.-Satzes bei solchen Gesetzesänderungen schnell problematisch werden und zudem zu einem erheblichen Umstellungsaufwand der Händler führen. Eine solche Fehler- und Kostenquelle kann man sich getrost sparen.
Auch in vielen AGB finden sich solche (überflüssigen und fehleranfälligen) Angaben, so dass nun die Rechtstexte anzupassen sind.
Wer die Rechtstexte der IT-Recht Kanzlei nutzt, muss diese nicht wegen der aktuellen Anpassung der MwSt. aktualisieren.
Gerne versuchen wir, mit der genannten FAQ und der Möglichkeit, in der IT-Recht Kanzlei Unternehmergruppe bei Facebook
Sie möchten sich als Händler rechtssicher im Internet bewegen und Abmahnungen von vorneherein vermeiden? Werfen Sie einen Blick auf unsere Schutzpakete
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
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5 Kommentare
Im August wurde das Fahrrad dann geliefert und ich habe eine neue Rechnung erhalten, mit geändertem netto-Preis, geänderter MwSt und gleichem Brutto-Preis, worauf die Restzahlung zu tätigen war. Kann wirklich einfach die vorhandene Rechnung (mit selber Rechnungsnummer) ausgetauscht werden und der netto-Preis entsprechend geändert werden. Ist dies rechtens?
Vielen Dank
Für die Festsetzung des Mehrwertsteuersatzes ist der Zeitpunkt der Lieferung maßgeblich, nicht das Kaufdatum oder wann die Ware bezahlt worden, siehe auch hier:
https://www.it-recht-kanzlei.de/faq-zur-aktuell-bevorstehenden-mehrwertsteueranpassung.html
Welcher MwSt-Satz ist hier zu verwenden?