Stellt die Gesamtpreisangabe im Online-Shop die neueste Abmahnfalle dar?

Stellt die Gesamtpreisangabe im Online-Shop die neueste Abmahnfalle dar?
30.11.2020 | Lesezeit: 7 min

Online-Händler sind im Rahmen ihrer Online-Angebote verpflichtet, den sog. Gesamtpreis gemäß § 1 Abs. 1 PAngV anzugeben. In zeitlicher Hinsicht muss dieser Gesamtpreis spätestens dann angezeigt werden, wenn die Waren in den virtuellen Warenkorb gelegt bzw. der Bestellvorgang eingeleitet werden kann. Droht Online-Händlern bei der Gesamtpreisangabe eine neue Abmahnfalle? Welche Falle das sein soll und welchen Rat wir hier erteilen, lesen Sie in unserem neuen Beitrag.

Rechtlicher Hintergrund

Um die aktuelle Problematik richtig einordnen zu können, werfen wir einen kurzen Blick auf den rechtlichen Hintergrund zum Thema Gesamtpreisangabe:

Was ist der Gesamtpreis?

Maßgebliche Vorschrift im Zusammenhang mit der Gesamtpreisangabe ist § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV, diese lautet wie folgt:

"Wer Verbrauchern gemäß § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gewerbs- oder geschäftsmäßig oder wer ihnen regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Gesamtpreise)."

Es handelt sich beim Gesamtpreis um das tatsächlich zu zahlende Gesamtentgelt für den Erwerb eines Produkts. Der Gesamtpreis ist genau zu beziffern. Es ist also die Summe aller Einzelpreise anzugeben, die zu bezahlen ist. Daher genügt es nicht, einen Teilpreis zu nennen und einen weiteren Betrag anzugeben den der Kunde hinzurechnen muss, um den Gesamtpreis zu ermitteln.

Die Preisangaben müssen zudem nach § 1 Abs. 7 PAngV den Grundsätzen von Preisklarheit und Preiswahrheit folgen. Demnach müssen die Preisangaben dem Angebot eindeutig zuzuordnen, sowie leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar sein.

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Was gilt in zeitlicher Hinsicht zu beachten?

Der Gesamtpreis ist immer dann zu nennen, wenn ein Anbieten zum Kauf (= Aufforderung zum Kauf) vorliegt. Eine solche Aufforderung zum Kauf liegt dann vor, wenn der Kunde über das beworbene Produkt und dessen Preis hinreichend informiert ist, um eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können. Im Falle des Online-Handels ist jedenfalls dann der Gesamtpreis anzugeben, wenn die Ware in einen virtuellen Warenkorb gelegt bzw. der Bestellvorgang gestartet werden kann.

Gemäß der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 04.10.2007, Az.: I ZR 143/04) gilt, dass die neben (!) dem Gesamtpreis zusätzlich zu tätigenden Angaben (Hinweis auf die enthaltene Umsatzsteuer und etwaig anfallende Versandkosten) noch vor dem Einlegen der Ware in den virtuellen Warenkorb bzw. vor dem Einleiten des Bestellvorgangs zu tätigen sind. Daher muss der Gesamtpreis ebenfalls und erst recht vor dem Einlegen der Ware in den virtuellen Warenkorb bzw. vor dem Einleiten des Bestellvorgangs mitgeteilt werden.

Wo liegt das Problem?

Das Problem ist die Darstellung des Artikelpreises im Online-Shop auf der Artikeldetailseite. Schauen wir uns ein Beispiel an, um die Problematik näher zu verdeutlichen:

Gesamtpreis Online-Shop 1

Im vorgenannten Beispiel wird der Gesamtpreis bezogen auf den einzelnen Artikel korrekt mitgeteilt. Ändert man allerdings die Artikelmenge, bleibt der angezeigte Preis gleich.

Es wird also immer noch der Preis pro einzelnen Artikel angegeben und nicht der Preis für die ausgewählte Anzahl an Einzelartikeln. Wählt man im vorbenannten Beispiel als Artikelanzahl „5“ aus, wird weiterhin der Einzelpreis angezeigt:

Gesamtpreis Online-Shop 2

(Vermeintliches) Problem: Hier stellt sich die Frage, ob es ausreicht, den Einzelpreis des Artikels anzugeben oder müsste vielmehr der Komplett-Preis für die Anzahl der ausgewählten Einzelartikel angezeigt werden? Stellt also der Preis pro Einzelartikel den Gesamtpreis dar oder ist unter dem Gesamtpreis im Sinne der Preisangabenverordnung der Artikeleinzelpreis multipliziert mit der Artikelstückzahl anzusehen?

Was sagen die Gerichte zu diesem Problem?

LG Münster verlangt Angabe des Artikelpreises x Stückzahl als „Gesamtpreis“

Das Landgericht Münster hat in Bezug auf die Gesamtpreisangabe (für den Fall einer fehlenden Preisangabe bei einer erhöhten Artikelstückzahlauswahl) eine einstweilige Verfügung erlassen (Az.: 021 O 71/20). Da der Betroffene Händler in der Folge gegen die einstweilige Verfügung verstieß, verhängte das Gericht in der Folge sogar ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.000,- €.

Das Landgericht Münster begründete das verhängtge Ordnungsgeld auszugsweise wie folgt:

"Trotz der obigen Unterlassungsverfügungen handelte die Antragsgegnerin unter Ihre Domain (…) nach wie vor wettbewerbswidrig. Sie bietet (…) zu einem Gesamtpreis inklusive Mehrwertsteuer, zuzüglich Versandkosten, an. Unstreitig ändert sich jedoch bei einer Änderung der Stückzahl auf der Homepage der Antragsgegnerin der angegebene Gesamtpreis nicht. Erst nach Einlegung des Produktes in den Warenkorb erscheint der sodann korrekt addierte Gesamtpreis. Die stellt einen (erneuten) Verstoß (…) dar."

Das Gericht führte sodann weiter aus:

"Nach der Preisangabenverordnung ist der jeweilige Gesamtpreis leicht erkennbar und gut wahrnehmbar anzugeben. Fehlt ein solcher Hinweis auf der Eingangsseite, ist die fragliche Information leicht erkennbar und gut wahrnehmbar auf einer gesonderten Seite anzugeben. Der Verbraucher ist zuvor jedoch klar und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass er mit einem einfachen Link auf diese gesonderte Seite gelangt. Diese gesonderte Seite ist nicht identisch mit dem virtuellen Warenkorb. Mit dem Einlegen in den Warenkorb ist der Bestellvorgang bereits eingeleitet. Die Angabe eines Gesamtpreises erst im Rahmen des Bestellvorgangs ist verspätet (…)."

Kommentar der IT-Recht Kanzlei

Wir halten die Rechtsprechung des Landgerichts Münster für nicht überzeugend. Gemäß dem Sinn und Zweck der Preisangabenverordnung soll mit § 1 Abs. 1 PAngV verhindert werden, dass der Verbraucher selbst den zu zahlenden Preis ermitteln muss. Daher soll der Preis einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile mitgeteilt werden.

Hierbei ist davon auszugehen, dass der Gesamtpreis sich auf den konkret (!) angebotenen (Einzel-) Artikel bezieht. Ändert sich hierbei die Stückzahl, hat dies auf den Gesamtpreis keinen Einfluss, hierbei ändert sich nur der insgesamt zu bezahlende Kaufpreis.

Vergleich: Auch im Supermarkt wird der Preis pro angebotenem Einzelartikel angegeben. Auch hier muss der Kunde selber berechnen (können) welchen gesamten Einkaufspreis er bezahlen muss, wenn er mehrere Artikel mit an die Kasse nimmt.

Der Gesamtpreis wird unserer Auffassung nach korrekt angegeben, wenn die angebotene Ware mit dem Preis einschließlich der Umsatzsteuer und etwaiger Preisbestandteile angeboten wird. Eine weitergehende Forderung (wie das LG Münster dies vertritt) ist unserer Ansicht nach nicht mehr mit Sinn und Zweck der Vorschrift des § 1 Abs. 1 S. 1 in Einklang zu bringen.

LG Frankfurt am Main vertritt konträre Auffassung zum LG Münster

Das Landgericht Frankfurt am Main verneint die Angabe eines „Gesamtpreises“ bestehend aus dem Artikeleinzelpreis multipliziert mit der Artikelstückzahl. Im Rahmen seines Beschlusses vom 30.10.2020 (Az.: 2-06 O 355/20) belegt das Gericht seine Rechtsansicht wie folgt:

"Nach § 1 Abs. 1 PAngV hat der Anbieter von Waren oder Leistungen die Preise anzugeben, die einschließlich Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind. Gesamtpreis meint insoweit den Preis einschließlich Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile. (...) "Gesamtpreis" im Sinne von § 1 Abs. 1 PAngV meint hingegen nicht, dass bei Veränderung der Zahl der zu bestellenden Ware auch der Preis für die veränderte Zahl angegeben werden muss."

Das Gericht führt sodann weiter aus:

"(...) Da diese Vorschrift sowohl im Online- als auch im stationären Handel gilt, muss der "Gesamtpreis" für beide Fälle einheitlich angegeben werden. Auch im stationären Handel ist nicht erforderlich, dass der Anbieter alle Preise für die verschiedene Zahl der zu kaufenden Waren angibt; nichts anderes kann vom Online-Handel gefordert werden. Etwas anderes wird auch nicht vom Schutzzweck der Norm gefordert. Die Normen der PAngV sollen dem Verbraucher Klarheit über die Preise und deren Gestaltung verschaffen und zugleich verhindern, dass seine Preisvorstellungen anhand untereinander nicht vergleichbarer Preise gewinnen muss (…). Der Verbraucherschutz erfordert es gerade nicht, dass der Preis bei Veränderung zu Stückzahl gleichfalls sich anpasst. Der Verbraucher wird im konkreten Beispiel der Anlage XX davon ausgehen, dass er X Waren á xx,xx Euro erwirbt. Unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung wird nicht davon ausgegangen werden können, dass sowohl beim Kauf eines Produktes als auch beim Kauf von X Produkten der gleiche Preis in Höhe von xx,xx Euro gezahlt werden muss."

Die Ansicht des LG Frankfurt am Main ist begrüßenswert und überzeugt darüber hinaus auch in rechtlicher Sicht.

Achtung aber bei Multirabatt-Angeboten auf eBay: Anders verhält es sich unserer Ansicht nach mit der Anzeige des Gesamtpreises im Rahmen von Multirabatt-Angeboten auf der Plattform eBay. Im Unterschied zu vorliegendem Problem werden Multirabatt-Angebote augenfällig auf eBay beworben und von vornherein mit einer vorbestimmten Stückzahl und einer entsprechenden Rabattierung beworben, ohne (!) hierbei den Gesamtpreis für die fix vorgegebene, gesamte (mehrteilige) Ware sogleich anzugeben. Wenn Sie mehr zum Fall der Multirabatt-Artikel auf eBay lesen möchten, dürfen wir diesen Beitrag zu Lektüre empfehlen!

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