OLG Köln: wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit des Online-Händlers für von Amazon eigenmächtig in Angebote eingefügte Preisangaben

OLG Köln: wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit des Online-Händlers für von Amazon eigenmächtig in Angebote eingefügte Preisangaben
Stand: 31.10.2014 5 min

Der Internetgigant Amazon eröffnet Händlern zwar die Möglichkeit, auf Basis der hohen Besucherfrequenz und der Reputation des Online-Unternehmens mehr Kunden zu erreichen und den eigenen Warenabsatz zu fördern. Regelmäßig können die Angebote auf der Verkaufsplattform jedoch nicht vom jeweiligen Händler vollautonom gestaltet werden, sondern sie werden vielmehr durch von Amazon selbst vorgegebene verkaufsfördernde Elemente ergänzt. So fügt das Unternehmen grundsätzlich Werbeanzeigen oder weiterführende Preisangaben hinzu. Dies ist problematisch, weil eine Tendenz in der Rechtsprechung zu erkennen ist, Online-Händler für Aussagen, die vom eigentlichen Plattformanbieter innerhalb der Angebote getroffen werden, uneingeschränkt wettbewerbsrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.

Mit Urteil vom 23.09.2014 (Az. 6 U 115/14) hat das OLG Köln den von den deutschen Gerichten eingeschlagenen Kurs bestätigt und den Wettbewerbsverstoß eines Amazon-Händlers aufgrund von irreführenden Preisangaben bejaht, welche die Vertriebsplattform selbst innerhalb der Angebote bereitstellte. Konkret handelte es sich um die Ausweisung einer falsch bezifferten, unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers (UVP).

Die UVP-Angabe durch Amazon

Tatsächlich wendet Amazon Preisgegenüberstellungen als Verkaufsförderungsmaßnahmen nicht nur in eigenen Angeboten an, sondern integriert die selbstständig eruierten UVP in autonomer Weise auch in die Angebote von auf der Plattform tätigen individuellen Händlern.

Durch eine durchgestrichene UVP oberhalb des tatsächlich ausgewiesenen, geringeren Verkaufspreises sollen dem Verbraucher unter der zusätzlichen Angabe des konkreten Preisersparnisses in Prozent ein besonderer finanzieller Einkaufsvorteil und die Existenz eines lukrativen Sonderangebotes suggeriert werden.

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Der Sachverhalt

Das Gericht hatte über den Bestand einer gegen einen Amazon-Händler erlassenen einstweiligen Unterlassungsverfügung zu entscheiden, deren Erlass von einem Mitbewerber begehrt worden war. In einem Angebot des betroffenen Händlers wurde die UVP einem deutlich niedrigeren tatsächlichen Verkaufspreis gegenübergestellt. Allerdings galt diese zum Angebotszeitpunkt in der ausgewiesenen Höhe nicht mehr, sondern war vielmehr bereits so angepasst worden, dass sie und der vom Händler festgesetzte Verkaufspreis identisch waren.

Der Antragssteller sah hierin eine Irreführung über einen tatsächlich nicht bestehenden Preisvorteil nach §5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG, wohingegen der Online-Händler als Antragsgegner für seine Nichtverantwortlichkeit plädierte. Insofern nämlich wurde die UVP-Angabe unstreitig nicht vom Händler selbst, sondern vielmehr von Amazon in das Angebot eingefügt.

Die Entscheidung

Das OLG Köln bestätigte die Unterlassungsverfügung gegen den Online-Händler, indem es auf dessen alleinige Verantwortlichkeit für die jeweiligen Angebotsinhalte abstellte.

Zunächst bestätigte es eine wettbewerbswidrige Irreführung nach §5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG durch eine falsch bezifferte unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers. Sei diese höher ausgewiesen, als sie es zum Angebotszeitpunkt tatsächlich war, würden dem Verbraucher ein real nicht existentes Preisgefälle zugunsten des tatsächlichen Verkaufspreises und insofern ein besonderer, tatsächlich nicht bestehender geldwerter Vorteil suggeriert.

Zwar sei die Anführung einer falschen UVP hier von Amazon veranlasst worden. Allerdings müsste der Online-Händler für den jeweiligen Inhalt seiner Angebote allein verantwortlich gemacht werden, weil er sich bewusst der externen Vertriebsplattform zur Verbesserung seines Warenabsatzes bedient habe. Amazon fungiere mithin als Verkaufsförderungsbeauftragter, für dessen Wettbewerbsverstöße nach §8 Abs. 2 UWG stets auch der Auftraggeber herangezogen werden könne.

Dies gelte in Fällen des Online-Vertriebs über Drittseiten insbesondere, weil es einem potenziellen Abmahner nicht zugemutet werden könne, sich mit seinem Unterlassungsbegehr an die Drittseitenbetreiber verweisen lassen zu müssen.

Im gleichen Zuge berief sich das Gericht auf die besondere Struktur des Unterlassungsanspruchs und dessen Begründetheit unabhängig von einem konkreten Verschulden des Verletzenden. Anders als bei Schadensersatzforderungen komme es für einen Unterlassungsanspruch mithin nicht darauf an, ob der Betroffene die konkret rechtsverletzenden Inhalte selbst generiert habe oder aber zumindest von diesen Kenntnis erlangt habe oder hätte erlangen können.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Vorschriften des Telemediengesetzes (TMG), nach dessen §8 Abs. 1 Nr. 1 Diensteanbieter für Fremdinformationen dann nicht verantwortlich gemacht werden können, wenn sie die Übermittlung nicht veranlasst haben.

Online-Händler mit Tätigkeit auf externen Vertriebsplattformen sind nämlich keine Diensteanbieter im Sinne des TMG, für welche die Erleichterungen ausschließlich vorgesehen seien.

Nach §2 Nr. 2 TMG ist ein Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. In Online-Verkaufsforen erfülle diese Definition aber regelmäßig nur das für die Website insgesamt verantwortliche Unternehmen und nicht jeder dort durch eigene Angebote vertretene Händler. Letzterer bediene sich nämlich nur des übergeordneten Teledienstes und könne mithin offensichtlich nicht als Gesamtanbieter der Online-Präsenz angesehen werden.

Fazit

Grundsätzlich sind Online-Händler für sämtliche Angaben innerhalb ihrer Angebote selbst verantwortlich und könne für insofern begangene Wettbewerbsverstöße eigenständig haften. Was für selbstverwaltete Internetpräsenzen wie den persönlichen Online-Shop unmittelbar einleuchtet, erweist sich dort als weniger plausibel, wo Händler im Rahmen ihrer Vertriebstätigkeit auf externe Plattformen zurückgreifen, die in den autonomen Prozess der Angebotsgestaltung eingreifen können.

Dennoch sieht die Rechtsprechung auch bei Auftritten auf großen Online-Marktplätzen den Händler in alleiniger Verantwortung. So wurden diesem bereits Rechtsverletzungen aus von Amazon innerhalb des Angebots geschalteten AdWord-Anzeigen als Wettbewerbsverstöße unmittelbar zugerechnet (LG Frankfurt, Urteil v. 07.11.2012 – Az. 2-06 O 552/12) und sodann Irreführungen durch von Amazon eingefügte UVP-Angaben zur Last gelegt.

Zwar stehen dem Händler in solchen Fällen Regressansprüche gegen den Website-Betreiber zu, wenn der Nachweis einer schuldhaften Zuwiderhandlung gelingt. Nicht selten aber ist die Geltendmachung mit einem erheblichen zeitlichen und bürokratischen Aufwand verbunden.

Somit gilt, dass externe Vertriebsplattformen – insbesondere Amazon – in dem Umfang, in dem sie Händlern gewinnbringende neue und weitreichende Absatzmöglichkeiten eröffnen, gleichermaßen ein zunehmendes Abmahnrisiko bergen und einzelne Akteure vor große rechtliche Probleme stellen können.
Je intensiver ein Online-Händler nämlich derartige Verkaufsportale nutzt, desto schwieriger wird es sich für ihn darstellen, all seine Angebote auf rechtsverletzende, von Drittseite eingefügte Inhalte hin zu überprüfen.

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