BGH: „Ersthändler“ haften für Markenrechtsverletzungen auf der Amazon-Produktseite
Die Schlagzeilen um den Marketplace-Riesen Amazon ebben nicht ab. Bereits Anfang August wurden zahlreiche Händler wegen „voraussichtlicher“ Lieferangaben abgemahnt. In einer aktuellen Entscheidung nimmt der BGH nun Händler in die Pflicht, die für neue Artikel eine Produktseite einrichten. Diese „Ersthändler“ haften für Markenrechtsverletzungen auf der Produktseite – und zwar sogar dann, wenn die unzulässigen Angaben gar nicht von ihnen stammen.
A. Das Problem des „Anhängens“ bei Amazon
Die Produktplattform Amazon beruht auf dem Grundgedanken des sogenannten „Anhängens“. Das Anhängen ist eine spezielle Form der Katalogisierung von Artikeln und funktioniert folgendermaßen:
Der erste Anbieter eines Produkts erstellt mit Hilfe einer von Amazon bereitgestellten Maske eine Katalogseite, auf der dieser Produktinformationen wie Produktname, Hersteller und Marke eintragen und Bilder hochladen kann. Möchte ein weiterer Händler ein identisches Produkt auf Amazon anbieten, kann er sich einfach an das bereits bestehende Angebot „anhängen“. Das führt dazu, dass es grundsätzlich für jeden Artikel nur eine einzige Produktseite gibt, auf der dann die Gesamtzahl der Angebote für das Produkt – aufgeteilt in neu und gebraucht – angezeigt wird. Den anhängenden Verkäufern ist es dabei technisch möglich, die Katalogseite ohne Zustimmung des ursprünglichen Erstellers nachträglich zu ändern.
Das System des Anhängens ist vielen Händlern ein Dorn im Auge. Die anhängenden Shop-Betreiber ersparen sich nämlich nicht nur Kosten und Zeit für Produktfotos und Produkttexte, sondern unter Umständen auch die Kosten für die zu beantragende EAN (European Article Number) bzw. GTIN (Global Trade Item Number).
B. Der zugrundeliegende Streitfall: Produktseite verletzt Markenrechte
Die Entscheidung des BGH (Urteil vom 03.03.2016, I ZR 140/14) zeigt, dass der Händler, der als erster einen Artikel anlegt, nicht nur aus diesen Gründen den Schwarzen Peter zieht. Im zugrundeliegenden Streitfall hat ein Hersteller den ursprünglichen Ersteller der Produktseite wegen einer Markenrechtsverletzung abgemahnt. Zu Recht, wie der BGH in seinem Urteil feststellt.
Der „Ersthändler“ hat auf Amazon eine „Finger Maus“ angeboten und dafür im Oktober 2010 eine entsprechende Katalogseite angelegt, an die sich später weitere Händler angehängt haben. Im November 2011 war auf der Katalogseite der Markenname des Klägers angegeben, obwohl das angebotene Produkt weder von diesem hergestellt noch mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gelangt ist. Unterm Strich wurde sein Markenname also ohne seine Zustimmung für ein fremdes Produkt benutzt.
Der ursprüngliche Ersteller der Katalogseite versuchte sich damit zu wehren, die von ihm im Oktober angelegte Produktseite habe den Markennamen nicht enthalten. Die Katalogseite sei nachträglich von einem anhängenden Anbieter durch Angabe der Marke des Klägers ergänzt worden.
Bereits vor dem Kammergericht (KG) Berlin (Urteil vom 20.05.2014, 5 U 148(12) hatte der Kläger Erfolg. Dieses hatte angenommen, der Händler hafte als Störer für die Markenverletzung.
C. BGH: „Ersthändler“ haften für unzulässige Angaben von anhängenden Händlern
Der BGH schloss sich der Auffassung des KG an und wies die Revision des Händlers zurück. Die Benutzung des Markennamens des Klägers auf der Katalogseite sei eine Markenrechtsverletzung i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 1 Markengesetz (MarkenG). Für diese hafte der „Ersthändler“ als Störer.
Nach Auffassung des BGH sei zwar davon auszugehen, dass erst ein anhängender Händler die wettbewerbsrechtlich unzulässigen Angaben auf der Produktseite ergänzt hat. Die Karlsruher Richter entschieden jedoch, dass dem ursprünglichen Ersteller der Produktseite spezielle Prüf- und Überwachungspflichten im Hinblick auf die rechtliche Zulässigkeit der dort verwendeten Angaben obliegen. So sei es diesem „zuzumuten, ein von ihm dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum bei Amazon eingestelltes Angebot regelmäßig darauf zu überprüfen, ob rechtsverletzende Änderungen vorgenommen worden sind.“
Die Richter am BGH ließen offen, in welchem Rhythmus eine derartige Überprüfung zu erfolgen hat. Im zugrundeliegenden Streitfall hatte der Händler das Angebot seit seiner Einstellung im Oktober 2010 bis zur Abmahnung durch den Kläger Mitte November 2011 nicht mehr überprüft. Der Händler konnte sich zudem nicht damit entlasten, dass die Marke des Klägers erst Anfang November 2011 und damit knapp zwei Wochen vor der Abmahnung eingetragen wurde. In diesen zwei Wochen hätte der Händler nach Ansicht des BGH die Produktseite auf unzulässige Angaben überprüfen können, was er jedoch nicht getan hat. Damit habe er seine Prüfpflichten bereits verletzt.
D. Fazit
Der Verkauf von Produkten über den Market-Place-Riesen Amazon ist in den letzten Jahren für Händler immer mehr zu einem wettbewerbsrechtlichen Spießrutenlauf geworden. Das jetzige Urteil des BGH trägt seinen Teil dazu bei. Die Rechtsprechung des BGH führt dazu, dass Händler ihre Angebote „regelmäßig“ auf unzulässige Angaben überprüfen müssen, um sich vor Abmahnungen zu schützen. In welchen Abständen Händler die Produktseite konkret überprüfen müssen, ließ der BGH ausdrücklich offen. Wenn jedoch bereits eine unterlassene Prüfung innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen eine Verletzung der Prüfpflichten bedeutet, ist davon auszugehen, dass die Rechtsprechung eine Überprüfung innerhalb weniger Tage fordert.
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