Marken auf Amazon: Wenn die Abmahnung des Markeninhabers rechtsmissbräuchlich ist

Marken auf Amazon: Wenn die Abmahnung des Markeninhabers rechtsmissbräuchlich ist
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von Bogdan Ril
Stand: 02.06.2021 5 min

Bei Amazon wird unterhalb der Artikelüberschrift eine „Marke“ angezeigt. Eine solche kann vom Erstersteller des Angebotes bei Generierung einer eigenen ASIN angegeben werden. Damit wurde in der Vergangenheit gerne versucht anhängende Mitbewerber markenrechtlich abzumahnen. Nun wurde es als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn ein Anbieter eine Marke einträgt, die entgegen den Amazon-Richtlinien Amazon nicht auf dem Produkt oder dessen Verpackung abgedruckt ist und dann den anhängenden Verkäufer abmahnt.

Meine ASIN, meine Regeln?

Im vorliegenden Fall stritten zwei Amazon Händler über die Frage, ob die Antragsgegnerin eine Marke der Antragstellerin auf dem Amazon Markenplace unbefugt genutzt hatte.
Die Antragstellerin ist Inhaberin einer Wortmarke und betreibt einen Handel mit Lebensmitteln und Getränken, hauptsächlich aus dem US-Import.
Nach den Richtlinien von Amazon darf eine Marke im Rahmen der Produktbeschreibung eigentlich nur dann angegeben werden, soweit sie auch auf dem Produkt oder dessen Verpackung abgedruckt ist:

Entgegen dieser Richtlinie erstellte die Antragstellerin jedoch eine ASIN, unter der sie einerseits in der Artikelüberschrift die Originalmarke eines US-amerikanischen Lebensmittelherstellers und andererseits unmittelbar darunter als „Marke“ ihre eigene Marke angab:

"Diese Angaben sind zwar grundsätzlich durch die Richtlinie des Amazon Marketplace begrenzt, weil in diesem Feld – wie dargelegt – lediglich die Angabe der Bezeichnung zulässig ist, mit der das Produkt oder dessen Verpackung gekennzeichnet sind. Diese Vorgabe ist allerdings im vorliegenden Fall umgangen worden, weil die Bezeichnung „Marke1“ eingetragen wurde, obwohl weder das Produkt, noch die Verpackung diese Kennzeichnung aufweisen."

Die Antragsgegnerin hatte sich nun an diese ASIN angehangen und dabei ebenfalls die Marke der Antragstellerin verwendet. Dies war nach den Vorgaben von Amazon üblich und notwendig, da die Erstellung einer neuen ASIN für ein bereits vorhandenes Produkt hiernach nicht gestattet ist.

In der Verwendung ihrer Marke sah die Antragstellerin eine Markenverletzung und Irreführung von Verbrauchern und hat daher beim LG Köln eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin beantragt und schließlich auch erwirkt – sowohl im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als auch anschließend in der Hauptsache. Denn nach Ansicht des LG Köln steht ihr ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 4, 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu.

Gegen diese Entscheidung legte die Antragstellerin Berufung vor dem OLG Köln ein.

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OLG Köln: Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs = Rechtsmissbrauch

Zunächst einmal gab das OLG der Vorinstanz insofern recht, als dass es ebenfalls grundsätzlich eine Markenrechtsverletzung annimmt und im Ausgangspunkt vom Bestehen eines Unterlassungsanspruchs ausgeht. Denn auch wenn die Antragstellerin in der Artikelüberschrift die Marke des Produktherstellers angegeben hat, würden Kunden nach allgemeiner Erfahrung davon ausgehen, dass das Produkt vom Inhaber der Marke unterhalb der Artikelüberschrift stamme. Daraus folgert das Gericht, dass die Antragsgegnerin die Klagemarke der Antragstellerin benutzt hat und die Anspruchsvoraussetzungen von § 14 MarkenG grundsätzlich erfüllt sind.

Das Problem ist jedoch: Nach Ansicht des OLG stellt die Geltendmachung dieses Anspruchs einen Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB in Form einer wettbewerbswidrigen Behinderung dar, sodass der an sich entstandene Anspruch nicht durchsetzbar ist.
In Folge von Amazons Richtlinie zur ASIN-Erstellung darf das gleiche Produkt nur unter einer ASIN angeboten werden. Das bedeutet, dass nachfolgende Anbieter in einem Fall wie diesem, sich nur noch an die bereits vorhandene ASIN anhängen können und zwangsläufig die Marke des Erstellers verwenden müssen. Wenn der Ersteller der ASIN aber entgegen Amazons Vorgaben seine eigene, vom Produkt abweichende Marke angibt, bleiben den anderen Händlern nur folgende, nachteilige Alternativen: Entweder sie verwenden dessen Marke (und machen sich damit unterlassungspflichtig), sie erstellen eine neue ASIN und gehen das Risiko ein von der Nutzung auf Amazon ausgeschlossen zu werden oder sie bieten das Produkt schlichtweg nicht bei Amazon an.

Das führt dazu, dass die wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitwettbewerber beeinträchtigt werden, wobei dies über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht.

"Die Eintragung der Bezeichnung „Marke1“ in dem Feld Marke hat sodann zur Folge, dass sich weitere Verkäufer, die das dort angebotene Produkt, das tatsächlich von der Marke „Mike And Ike“ stammt und auch so gekennzeichnet ist, lediglich diesem Angebot „anschließen“ können und daher die Marke „Marke1“ zwangsläufig – wie dargestellt – als Marke in unzulässiger Weise nutzen. Ein Verkäufer hat lediglich die Wahl, das konkrete Produkt nicht über den Amazon Marketplace anzubieten oder – entgegen den Vorgaben für die Nutzung des Amazon Marketplace – eine weitere ASIN für ein vermeintlich neues Produkt zu erstellen. Faktisch wird damit jeder Dritte daran gehindert, dasselbe Produkt anzubieten."

Das OLG Köln geht weiterhin davon aus, dass der Antragstellerin Amazons ASIN Richtlinien bekannt waren:

"Die Eintragung einer eigenen Marke entgegen den Bedingungen des Amazon Marketplace kann daher nur den Zweck haben, Dritte daran zu hindern, dieses Produkt über die Plattform Amazon.de anzubieten. Nicht zuletzt aufgrund der großen wirtschaftlichen Bedeutung, die der Möglichkeit des Verkaufs über die Plattform Amazon.de zukommt, erfolgt die Eintragung der Bezeichnung, die nicht der Marke des Produkts entspricht, nicht, um den eigenen Wettbewerb zu fördern, sondern alleine, um den Wettbewerb von Dritten zu behindern."

Fazit: Marke ist nicht gleich Marke

Markeninhaber aufgepasst: Die erstmalige Erstellung einer ASIN kann für den jeweiligen Händler einen klaren Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern bedeuten, weil letztere sich nur noch an dessen ASIN anhängen können. Daraus folgt eine Missbrauchsgefahr für Fälle, in denen der Ersteller seine eigene Marke unterhalb der Produktüberschrift einträgt. Mit seiner Entscheidung schiebt das OLG Köln dem einen Riegel vor und lässt einen eigentlich bestehenden Unterlassungsanspruch ins Leere laufen, um die Wettbewerber vor einer unlauteren Behinderung zu schützen.

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Bildquelle: Chones / shutterstock.com

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