Aufgepasst bei Amazon: Gefährliche Hinweise zum Ausschluss des Widerrufsrechts
Aktuell verwirrt Amazon mit merkwürdigen Einblendungen vor allem bei Kosmetikerzeugnissen und Lebensmitteln. Diese vermitteln den Eindruck, es bestehe kein Widerrufsrecht für die angebotene Ware, was rechtlich jedoch unhaltbar ist. Worum es im Detail geht, lesen Sie nachfolgend.
„Nicht für Rückgaben berechtigt“
Bereits seit einigen Tagen fällt Amazon.de mit Einblendungen im Rahmen mancher Artikeldetailseiten (rechts unter dem „In den Einkaufswagen“ bzw. „Jetzt Kaufen“-Button) auf, die folgenden Wortlaut haben:
„Rücksendungen: Nicht für Rückgaben berechtigt, aber im Falle von Defekten oder Beschädigungen kann eine Erstattung angefordert werden."
Fährt mit der Maus über diesen Hinweis, erscheint zusätzlich dieser Hinweis:
„Dieser Artikel kann nicht zurückgegeben werden. Sollte er beschädigt oder defekt sein, können Sie eine Ersatzlieferung oder Erstattung anfordern.“
Konkret sieht die Gestaltung dann wie folgt aus:
Zu beobachten sind diese Einblendungen insbesondere bei Kosmetikartikeln wie Cremes. Diese tauchen derzeit jedoch auch im Rahmen von Lebensmittelangeboten wie Tees, Gewürzmischungen und Adventskalendern auf.
Betroffen sind dabei sowohl Artikel, die Amazon selbst verkauft, als auch Artikel, die von dritten Verkäufern angeboten werden.
Da Amazon seit jeher hinsichtlich des gesetzlichen Widerrufsrechts (juristisch unsauber) von „Rücksendung“ oder „Rückgabe“ spricht, sind Amazon-Kunden gewohnt, unter Hinweisen zur Rücksendung bzw. Rückgabe Angaben zu ihrem gesetzlichen Widerrufsrecht zu finden.
Wo ist das Problem?
Die Einblendungen Amazons sind rechtlich problematisch. Diese vermitteln dem Besteller den Eindruck, als stünde ihm für die angebotenen Waren kein Widerrufsrecht zu. Dies stimmt in der dargestellten Pauschalität aber in keinem Fall.
Zwar existieren (enge) Ausnahmen vom gesetzlichen Widerrufsrecht, u.a. beim Verkauf von Hygieneartikeln und Waren, die schnell verderblich sind.
In Bezug auf die Sortimente, bei denen die aktuellen Einblendungen von Amazon dargestellt werden, kommen nur die folgenden Ausnahmetatbestände des § 312g Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB für ein Nichtbestehen des gesetzlichen Widerrufsrechts in Betracht:
- Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde
- Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde
Bei gängigen Kosmetikerzeugnissen dürfte aber zum einen weder die Gefahr eines schnellen Verderbens noch eines schnellen Überschreitens des Verfallsdatums zu bejahen sein (insbesondere nicht bei Gesichtscremes).
Zum anderen sind die meisten Kosmetika weder mit einer expliziten Versiegelung (die auch als solche erkennbar sein muss) versehen, noch dürften die meisten Kosmetika aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene ungeeignet zur Rückgabe sein.
Selbst wenn man diese Voraussetzungen für ein Kosmetikum unterstellen möchte, erlischt das Widerrufsrecht für dieses erst dann, wenn der Verbraucher tatsächlich auch die Versiegelung nach der Lieferung der Ware gebrochen hat (sodass der eingeblendete pauschale Hinweis bereits vor einer Lieferung bzw. vor Entsiegelung, es bestehe kein Widerrufsrecht, in jedem Fall falsch ist).
Selbes gilt auch im Regelfall für haltbare Lebensmittel. Hier wäre eine Ausnahme vom Widerrufsrecht allenfalls für schnell verderbliche Waren wie Gefriergut oder Frischware (wie etwa Fleisch, Milch, Obst, Gemüse, Eier) bzw. Ware mit Mindesthaltbarkeitsdatum kurz vor Ablauf denkbar, was die absolute Ausnahme darstellt. Jedenfalls bei den hier gesichteten Tees, Gewürzmischungen und Adventskalendern ist keine Ausnahme vom gesetzlichen Widerrufsrecht gegeben.
Die von Amazon ausgespielten Einblendungen sind juristisch betrachtet dort also schlicht falsch.
Dies gilt im Übrigen nicht nur in Bezug auf das bestehende gesetzliche Widerrufsrecht, sondern auch hinsichtlich des „freiwilligen Rückgaberechts“, das sowohl Amazon als Verkäufer selbst anbietet als auch jeder Amazon-Marketplaceseller nach den Spielregeln Amazons seinen Kunden einräumen muss. Dieses entfällt nur dann, wenn für die Ware kein gesetzliches Widerrufsrecht besteht.
Die Aussage „Nicht für Rückgaben berechtigt“ ist damit rechtlich betrachtet in doppelter Hinsicht falsch.
Was kann passieren?
Verkauft ein gewerblicher Händler sein Produkt via Amazon, für welches beim Kauf durch einen Verbraucher für diesen ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht (was bei Cremes, Tees, Gewürzmischungen und Adventskalendern in aller Regel der Fall ist), liegt bei Darstellung der vorgenannten Einblendung durch Amazon eine Irreführung des Verbrauchers vor.
Denn der Verbraucher muss davon ausgehen, dass ihm beim Kauf dieser Ware kein Widerrufsrecht zusteht und er den Artikel nur dann zurückgeben kann, wenn die Ware einen Defekt aufweist bzw. beschädigt geliefert wurde.
Es droht in einem solchen Fall eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung durch einen Mitbewerber oder einen Wettbewerbsverband.
Was also tun, wenn man als Amazon-Seller von der Problematik betroffen ist?
Derzeit ist hier keine Möglichkeit bekannt, diese Einblendungen zu deaktivieren.
Es bleibt also wohl nur, sich derweil von betroffenen Angeboten „abzuhängen“ und beim Amazon-Verkäuferservice darauf zu drängen, diese unzutreffenden und rechtlich angreifbaren Darstellungen abzustellen.
Fazit
Unschön, was Amazon hier fabriziert.
Durch solche juristisch haltlosen Einschränkungen werden Amazon-Verkäufer unnötigerweise in eine Abmahngefahr gebracht. Schnelle Abhilfe ist nicht in Sicht, außer man „hängt sich ab“.
Zunächst ist es aber bereits anspruchsvoll, davon betroffene Produkte als Amazon Seller überhaupt zu identifizieren.
Es bleibt zu hoffen, dass Amazon auf Verkäuferbeschwerden reagiert und diesbezüglich auch Abhilfe schafft.
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