OLG Hamm: Wann die Verwendung des Feldes „von“ auf Amazon eine Irreführung darstellt!
Das OLG Hamm hat in einer Entscheidung (Urteil vom 22.11.2018, Az.: I-4 U 73/18) zu einer sehr häufigen Praxis auf der Plattform Amazon Stellung bezogen. Oftmals versuchen Online-Händler auf der Plattform Amazon No-Name Massenware für sich zu „monopolisieren“, indem im Feld „von“ auf Amazon der Verkäufer- oder Markenname eines Online-Händlers angegeben wird. Dieser Vorgehensweise erteilt das OLG Hamm nunmehr eine Absage.
1. Was war passiert bzw. der Versuch der „Monopolisierung“ von Massenware
Auf der Plattform Amazon stritten sich zwei Online-Händler für den Verkauf von Mobiltelefonzubehör. Hierbei bot der Kläger das Mobiltelefonzubehör unter der Bezeichnung „X“ und der Beklagte unter der Bezeichnung „Y“ an.
Der Kläger erstellte als erstes (damit also Erstersteller) ein Verkaufsangebot auf der Plattform Amazon unter einer bestimmten ASIN (= Amazon Standard Identification Number).
Exkurs: Erneute Anlage einer Produktbeschreibung bei Amazon mit neuer ASIN wettbewerbswidrig
Mit Hinweisbeschluss vom 20.10.2016 in der Sache Az.: I-4 O 80/16 teilte das OLG Hamm die Rechtsauffassung mit, dass es die sog. Doppelanlage eines identischen Artikels unter einer neuen ASIN (sog. Dublette) auf der Plattform Amazon als unzulässig ansieht.
Die Begründung des OLG Hamm können Sie hier nachlesen.
Die „Reservierung“ von Artikeln auf Amazon ist äußerst verlockend, genießt so ein Erstersteller eines Amazon-Angebots ein Quasi-Exklusivitätsrecht für den Vertrieb der Massenware, sofern man annimmt, dass ein Anhängen an einen solchen Artikel aufgrund einer irreführenden „von“-Angabe unzulässig ist und ferner die Anlage eines weiteren (identischen) Amazon-Artikels ebenfalls unzulässig ist.
Die streitige Artikelbezeichnung des Amazon-Angebots lautete wie folgt:
"Netzladegerät, Reiseladegerät, Ladegerät für T #####
„von X"."
Um ein besseres Verständnis für die spezifischen Gegebenheiten auf der Plattform Amazon zu vermitteln, haben wir nachstehend einmal ein Beispiel für die Ansicht eines „von“-Feldes wiedergegeben:
Hinweis: Es handelt sich bei dem vorstehenden Screenshot nicht um das streitgegenständliche Amazon-Angebot aus der OLG Hamm-Entscheidung.
Der Beklagte "hängte" sich im Folgenden an dieses Angebot an, so dass die Artikelbezeichnung für das von ihm unter Y angebotene Gerät dieselbe war.
Bei dem solchermaßen von beiden Händlern angebotenen Artikel handelte es sich um ein „No-Name-Produkt“ eines chinesischen Herstellers, das über eine polnische Firma importiert wurde.
Der Kläger argumentierte, dass der Beklagte sich unlauter verhalte, da der Verbraucher nur beim Kauf vom Kläger auch die Ware wirklich „von“ X (also dem Kläger) erhalte, zudem sei der Kläger der „Namensgeber“ des No-Name-Artikels.
2. Die Entscheidung des OLG Hamm
Für die Beurteilung des Falles kam es maßgeblich darauf an, welche Bedeutung der Angabe „von“ zukommt.
Das OLG Hamm sieht im vorliegenden Fall eine Irreführung ...
a.) durch den Beklagten
Das OLG Hamm urteilte, dass das Anbieten von sog. No-Name-Massenware in der vorliegenden Form irreführend sei, konkret täusche der Beklagte über die betriebliche Herkunft der (Massen-) Ware. Die Begründung des OLG Hamm, weshalb eine Irreführung über die betriebliche Herkunft vorliege:
- Die Angabe „von X“ weise auf ein Kennzeichen (Marke oder ein sonstiges unternehmensbezogenes Zeichen) des Herstellers hin, dies ergebe sich schon aus der Verbindung mit der vorangestellten und auf einen Ausgangspunkt oder Ursprung hinweisenden Präposition „von“;
- Die Angabe „von X“ stelle gerade keinen Hinweis auf den Verkäufer des Produkts dar, weil der Verkäufer grundsätzlich an anderer Stelle im Amazon-Angebot ausdrücklich als solcher benannt werde;
- Die Angabe „von X“ weise auch nicht darauf hin, dass die Ware aus dem mittelbaren oder unmittelbaren Warenbestand des Klägers stamme, denn: Über welche Zwischenhändler der Verkäufer seine Ware bezogen hat, sei für den Verkehr regelmäßig ohne Belang und bedarf keiner besonderen Erwähnung an einer prominenten Stelle wie dem werbewirksamen Titel der Anzeige.
Ein interessanter Hinweis des Gerichts in diesem Zusammenhang zu Markenware:
Im Fall von Markenware unterliege ein Verbraucher bei einer Angabe „von“ keiner Täuschung über den Hersteller, da der Bekanntheitsgrad der jeweiligen Marke einer solchen Täuschung entgegen wirke.
Nähere Ausführungen des Gerichts, weshalb der Beklagte sich die Angabe „von X“ (immerhin eine Angabe des Klägers und gerade nicht des Beklagten) konkret zurechnen lassen müsse, sucht man vergebens. Vielmehr gehen die Richter in Ihrem Urteil wie selbstverständlich davon aus, dass eine Zurechnung zu Lasten des Beklagten vorauszusetzen ist.
Im Endergebnis steht die Erkenntnis des Gerichts, dass der vermittelte Eindruck zur betrieblichen Herkunft der Ware falsch sei. Der Beklagte handelte nach Ansicht der Hammer Richter durch das Anhängen an den Amazon-Artikel mit der Bezeichnung „von X“ unlauter.
b.) aber (gerade) auch durch den Kläger!
An diesem Punkt versteckt sich der eigentliche Witz der Entscheidung! Der Kläger begehe gerade durch sein eigenes Verhalten die identische Irreführung wie der Beklagte. Denn der Kläger ist unstreitig weder Hersteller der aus China stammenden Geräte noch Importeur der durch eine polnische Firma nach Deutschland eingeführten Ware. Er ist „lediglich“ einer von mehreren Anbietern dieser sog. No-Name-Produkte.
Daher: Durch die Verwendung der Angabe „von X“ hat also gerade der Kläger selbst eine Irreführung über die betriebliche Herkunft begangen!
Nur aufgrund dieser vom Kläger selbst verursachten Irreführung schafft dieser die Basis für seinen wettbewerbsrechtlichen Vorwurf gegenüber dem Beklagten, so das OLG Hamm. Mit der identischen obigen Begründung gelangt das OLG Hamm daher zur Ansicht, dass nicht nur der Beklagte, sondern auch (und vor allem) der Kläger (!) irreführend handelte.
Das OLG Hamm drückt dies wie folgt aus:
"Denn die Rechtsposition des Klägers beruht auf seinem eigenen unlauteren, da gleichermaßen irreführenden Handeln (...). Die Unlauterkeit des beanstandeten Handelns des Beklagten wird nämlich einzig und allein durch das gleichermaßen irreführende eigene Angebot des Klägers provoziert (...)."
Das OLG Hamm schlägt dem Kläger den an sich vorliegenden Unterlassungsanspruch wieder aus der Hand, da sich der Kläger durch seine Vorgehensweise (= eigenes irreführendes Angebot) rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) verhalte:
"Das Ziel des Klägers, durch diese Vorgehensweise von vorneherein das auf der Internetplattform P systemimmanente Anhängen von Wettbewerbern an das eigene (Erst-)Angebot zu unterbinden, ist wettbewerbsrechtlich inakzeptabel. Denn hiermit würde ein Wettbewerb hinsichtlich des jeweiligen Produktes auf der Internetplattform P [Anmerkung des Zitierenden: gemeint ist die Plattform Amazon] tatsächlich behindert, wenn nicht gar vereitelt. Wettbewerbern würde das Angebot gleicher Artikel letztlich unmöglich gemacht wird, da sie diese nicht unter einer anderen ASIN anbieten könnten, ohne sich dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, solchermaßen irreführend eine „Dublette“ anzubieten (...)."
Im letzten Satz nimmt das OLG Hamm seine Dubletten-Rechtsprechung wieder auf und weist darauf hin, dass in konsequenter Befolgung dieser Rechtsprechung ein Anbieten für andere Händler auf Amazon unmöglich wäre, wenn eine „Monopolisierung“ in diesem Sinne möglich wäre.
3. Auswirkungen des Urteils
Zieht man die vom OLG Hamm aufgestellten Grundsätze heran, hat diese Rechtsprechung die folgenden Auswirkungen für das Anbieten auf Amazon:
- Das Erstellen von mehreren identischen Artikelanlagen auf Amazon ist unzulässig.
- Es liegt eine Irreführung vor, wenn ein Amazon-Händler eine Amazon-Artikel-Anlage erstellt, es sich hierbei um eine No-Name-(Massen-)Ware handelt und im Rahmen der Angabe „von“ seinen Händlernamen angibt ohne (!) hierbei Hersteller der betreffenden Ware zu sein.
- Ob eine Irreführung vorliegt, wenn der Amazon-Händler die Ware selbst aus dem Ausland importiert hat, kann nach der Rechtsprechung des OLG Hamm nicht eindeutig beurteilt werden.
- Eine Irreführung bei der Angabe „von“ mit einem Hinweis auf den (Betrieb des) Amazon-Händler(s) ist (wohl) ausgeschlossen, wenn es sich nicht um No-Name-(Massen-)Ware, sondern um Markenware handelt, denn: Der Bekanntheitsgrad der jeweiligen Marke wirke einer etwaigen Täuschung entgegen. Nicht geklärt ist der Fall, wenn eine No-Name-Ware nachträglich von einem Amazon-Händler mit einer Marke versehen wird, um die Ware sodann als „Markenware“ weiter zu vertreiben.
Update vom 25.09.2020: Das LG Mannheim (Urteil vom 27.08.2020, Az.: 22 O 11/20) entschied, dass ein Online-Händler unzulässig handelt, sofern dieser eine von einem Dritten hergestellte No-Name-Ware mit seiner eigenen Marke brandet, um damit den Eindruck zu vermitteln, das Produkt stamme aus seiner eigenen Produktion (und der Online-Händler wäre damit als Hersteller anzusehen).
4. Fazit
Die Angabe „von“ bei Amazon-Artikeln ist dann irreführend und unzulässig, wenn sich der Amazon-Händler selbst benannt, eine sog. No-Name-(Massen-)Ware vorliegt und der benannte Amazon-Händler diesbezüglich nicht Hersteller oder zumindest Quasi-Hersteller (= exklusive Herstellung eines Produkts im Auftrag des Händlers) ist.
Die Angabe „von“ auf der Plattform Amazon ist damit ein großes Stück gefährlicher geworden. Amazon-Händler, die No-Name-(Massen-)Ware auf Amazon verkaufen möchten und sich mit der Angabe „von“ konfrontiert sehen, sollten hier keinen Hinweis auf den eigenen Betrieb angeben, sondern den eigentlichen Hersteller der Ware.
Was für den Fall gilt, dass eine No-Name-Ware nachträglich unter einer eigenen Marke (weiter-) vertrieben werden soll, hatte das OLG Hamm nicht explizit geklärt, es kann hierbei nicht ausgeschlossen werden, dass ein solcher Vertrieb ebenfalls unzulässig sein könnte.
ABER Achtung: Auch Amazon-Händler, die einen Amazon-Artikel nicht angelegt haben müssen kontrollieren, was im Feld „von“ bei Amazon steht. Ist im betreffenden Feld ein falscher (und damit irreführender) Hinweis vorhanden, sollte von einem Anhängen an diesem Artikel abgesehen werden!
Es bleibt abzuwarten, wie sich andere Gerichte dieser Frage um die Angabe „von“ auf der Plattform Amazon annehmen werden, zudem könnte auch Amazon selbst die Gefahr um die „von“-Angabe selbst entschärfen. Wir werden Sie betreffend der weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden halten!
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3 Kommentare
ich halte das Urteil vom Oberlandesgericht Hamm (NRW)für sehr strittig. Durch dieses veröffentliche Urteil ist für viele Online-Händler, die sogennate Fake Shops haben ein neues Geschäftsmodell geworden, womit der Lebensunterhalt ohne viel Aufwand betrieben wird. Die meisten Unterlassungserklärungen sind in NRW, nach dem Urteil vom OLG Hamm eingegangen. Es werden bewusst Anwälte aus dieser Region aufgesucht um hier bei den Landgerichten und eventuell in der 3 Instanz(OLG Hamm) zu gewinnen. Das ist wirklich eine Leichtigkeit.Mittlerweile legen viele Händler sogenate Set Produkte bei Amazon an, das Sie zum Original Produkt sich nicht vergleichen lassen können.Das verbirgt aber ein mehr als großes Risiko. Wie vielleicht jeder Händler weiß, kann man Produktbeschreibungen, Attribute und Bilder verändern. Das bedeutet man kann das Produkt so manipulieren, das es im Ursprung eine Dupplette darstellt, ohne das der Verkäufer, der das Produkt Set angelegt hat sofort bemerkt. Der abmahnende Händler kann nach ca. 5 Minuten später einen Screenshoot machen und dann abmahnen. Ich selbst habe leider diese Erfahrung gemacht. Daher kann ich jeden nur raten, der die Geduld, die Kraft und die finanziellen Möglichkeiten hat bis zum Bundesgerichtshof klagt.
Liebe Grüße
Tanja
Ich verkaufe Stoffe über Amazon und die meisten Konkurrenten haben einfach ihre Händlernamen unter "von" stehen. Ich habe Amazon auf diese Problematik hingewiesen, durfte aber trotzdem keinen eigenen Artikel anlegen, sondern wurde aufs "Anhängen" verwiesen.
Was sollte denn im Feld "von" eingetragen werden wenn der Hersteller unbekannt ist? Einfach unbekannt?