Achtung Abmahnfalle! Amazon ändert Grundpreisanzeige und gefährdet damit Online-Händler

Achtung Abmahnfalle! Amazon ändert Grundpreisanzeige und gefährdet damit Online-Händler
13.11.2020 | Lesezeit: 4 min

Online-Händler haben uns berichtet, dass Amazon die Grundpreisanzeige geändert hat. Während zuvor noch eine Grundpreisangabe korrekterweise pro 100 ml bzw. 100 g möglich war, zeigt Amazon nun einen Grundpreis bezogen auf 1ml/ 1g an. Durch die Änderung der Grundpreisanzeige geraten unzählige Angebote von Amazon-Händlern in den Verdacht der Wettbewerbswidrigkeit. Was Amazon-Händler jetzt unternehmen sollten, teilen wir in unserem Beitrag mit.

Rechtlicher Hintergrund

Wer gemäß § 2 Abs. 1 Preisangabenverordnung Waren nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet oder bewirbt, muss grundsätzlich den Preis je Mengeneinheit (= Grundpreis) für die betreffende Ware angeben. Wichtig ist hierbei die Forderung der Preisangabenverordnung, dass bereits im Rahmen der bloßen Bewerbung grundpreispflichtiger Waren der jeweilige Grundpreis mitzuteilen ist!

Dies führt dazu, dass jedes Mal, wenn eine grundpreispflichtige Ware unter Nennung eines Gesamtpreises werblich dargestellt wird, zugleich auch die Grundpreisangabe zu erfolgen hat. Auf der Plattform Amazon gibt es eine Vielzahl von Darstellungsmöglichkeiten der Artikel, wobei oftmals der Gesamtpreis genannt wird und damit die Grundpreisangabepflicht für den Händler ausgelöst wird.

Praxistipp: Die Angabe des Grundpreises für Waren Nenngewicht oder Nennvolumen bis maximal 250 Gramm oder 250 Milliliter mit der Mengeneinheit 100 Gramm bzw. 100 Milliliter ist eine „Kann-Vorschrift“. Von dieser Sonderregelung muss also nicht Gebrauch gemacht werden. Sie können vielmehr auch bei diesen Waren bei der „Standard-Mengeneinheit“ 1 Kilogramm bzw. 1 Liter bleiben.

Mit anderen Worten: Wer den Grundpreis bei Waren, die nach Gewicht bzw. Volumen angeboten bzw. beworben werden mit der „Standard-Mengeneinheit“ 1 Kilogramm bzw. 1 Liter angibt macht nie etwas falsch.* Die Verwendung ausschließlich der Einheiten 1 Kilogramm bzw. 1 Liter für solche Waren ist damit der einfachste Weg, da dabei nicht das Risiko besteht, versehentlich die 250 Gramm- bzw. 250 Milliliter-Grenze zu „reißen“ und damit eine falsche Bezugsgröße bei der Grundpreisangabe zu riskieren.

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Problem: Geänderte Grundpreisanzeige bei Amazon

Wie uns zahlreiche Online-Händler mitteilten, änderte Amazon (ohne Vorankündigung) seine vormals rechtskonforme Grundpreisanzeige (bezogen auf die Gebindeeinheit 100 ml bzw. 100 g) ab. Der Grundpreis wird in den Angeboten jetzt auf 1 Milliliter bzw. 1 Gramm angezeigt:

Beispiel: Grundpreisanzeige auf Amazon auf 1ml bezogen:

gp Amazon 1

Beispiel: Grundpreisanzeige auf Amazon auf 1g bezogen:

gp Amazon 2

Stellt die Grundpreisanzeige einen abmahnbaren Verstoß dar?

Das OLG Hamm (Urteil vom 10.12.2009, Az. 4 U 156/09) in einer älteren Entscheidung die Grundpreisangabe mit einer falschen Bezugnahme auf die Grundpreiseinheit als Bagatelle angesehen.

Das OLG Hamm begründete seine Auffassung wie folgt:

"Denn der Verbraucher muss den angegebenen Grundpreis lediglich mit 10 multiplizieren, um zu dem von der Preisangabenverordnung eigentlich geforderten Grundpreis pro Liter zu kommen. Mithin betrifft der gerügte Verstoß nicht die Preiswahrheit, sondern nur die Preisklarheit. Diese Preisklarheit ist hier aber praktisch nicht beeinträchtigt. Denn solche einfachen Rechenoperationen sind dem Verbraucher zuzumuten (Senatsurteil vom 01.12.2009 - Az. 4 U 106/09 m.w.N.). Die genaue Befolgung der vorgeschriebenen Preisangaben darf nicht zum Selbstzweck werden. Es ist hier Sinn und Zweck zu berücksichtigen, nämlich durch klare Preisangaben dem Verbraucher den Preisvergleich zu ermöglichen und zu erleichtern. Dieser Preisvergleich anhand einheitlicher Grundpreisangaben ist dem Verbraucher aber auch dann ohne Weiteres möglich, wenn er durch denkbar einfache Rechenoperationen wie hier zu dem eigentlichen Vergleichspreis kommen kann."

Warnung: Sicherlich werden andere Gerichte diese Auffassung des OLG Hamm nicht teilen! Auch wäre im Falle der falschen Grundpreisangabe auf Amazon der Multiplikator 100 anzusetzen (anders als in der Entscheidung des OLG Hamm). Der Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift der Preisangabenverordnung ist klar, wir raten daher allen Online-Händlern, die richtige Bezugsgröße beim Grundpreis anzugeben. Wir halten diese Grundpreisanzeige im Zweifel für abmahnbar!

Best Practice – wie könnte eine Lösung des Problems aussehen?

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Was sollten Sie auf jeden Fall noch machen?

Antwort: Kontaktieren Sie Amazon und weisen Sie auf diese Abmahnfalle hin! Bisherige Kontaktaufnahmen zum Amazon-Helpdesk haben leider noch nicht zu einer Änderung geführt. Wir gehen aber davon aus, dass Amazon sich hier bewegen wird, wenn ausreichend viele Online-Händler auf diesen Missstand hinweisen.

Wir halten Sie über die weitere Entwicklung informiert!

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .


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2 Kommentare

M
Marieluise Ritter 01.12.2020, 12:35 Uhr
In Supermärkten gang und gäbe
Bei Safran und Vanille, die teurer sind als Silber, kann man ja noch akzeptieren, dass Grammpreise angegeben werden, weil es Tradition hat und ein Kilopreis von über 1000 EUR auch nicht die üblichen Kaufmengen träfe, denn es wird ja üblicherweise in Gramm-Mengen gekauft.
Anders bei Gemüse und Obst. Das unterschiedliche Abstellen auf die augenfreundliche Grundpreisangabe herrscht doch in allen Supermärkten . Bei REWE z.B., wo etwa 20 verschiedene Tomatensorten angeboten werden, steht z.B. pro kg: 3,98, daneben: pro kg 4,99, daneben: pro 100g nur(!) 1,19 EUR, pro 100g nur 1,99 EUR, dann wieder pro kg: 4,49. Man muss unaufhörlich rechnen. Abgesehen davon sind manche Kiloangaben auch noch eindeutig falsch ausgerechnet. Die Maßgabe beim Verbraucherschutzgesetz ist ja eigentlich, dass der Online-Kunde gegenüber dem Einkauf im Einzelhandel nicht schlechter gestellt sein soll. Tatsächlich ist er beim Onlinehandel meistens besser dran, weil tausend Augen wachen und Abmahngeier lauern. Ich habe eine Sanktion verbraucherunfreundlicher Praktiken in einem Einzelhandelsgeschäft nur einmal erlebt: nachdem ich dem Gewerbeaufsichtsamt gemeldet hatte, dass in unserem Supermarkt das Haltbarkeitsdatum bei Erreichen der Haltbarkeitsgrenze überklebt wurde. Müsste ein Onlinehändler, der wegen uneinheitlicher Angabe von Grundpreisen juristische Probleme bekommt, nicht einfach nur nachweisen können, dass diese Praxis im Einzelhandel gang und gäbe ist?
T
Tony Algeier 28.11.2020, 22:08 Uhr
Etwas wirrwar
Guten Tag. D.h., wenn ich z.b. Zahnpasta anbiete, also als Händler, das ich die Mengenangabe auf 1 ml pro Kosten zur Verfügung stellen muss? Scheint mir für den Endkunden zu kompliziert zu sein. Ja selbst schon für mich. Wie kommt man auf solche Ideen?

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