Genügen einfache Altersverifikationssysteme den Vorgaben des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages?
Es gibt im Internet eine unüberschaubare Vielzahl von Anbietern, die pornographische Inhalte im Internet anbieten. Fraglich ist nur, ob die dabei eingesetzten, meist sehr einfachen, Altersverifikationssysteme den Vorgaben des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages genügen können?
I. Funktionsweise eines typischen Altersverifikationssystem im Internet
Es gibt im Internet eine unüberschaubare Vielzahl von Anbietern, die pornographische Inhalte im Internet anbieten. Um diese Internetangebote im Netz nutzen zu können, müssen sich die Nutzer zuvor anmelden. Dies geschieht typischerweise durch eine „2-Stufen-Lösung”:
1. Stufe: Zunächst hat der potentielle Kunde die Eingabe der persönlichen Daten inkl. der Personalausweisnummer zu leisten („Altersverifikationssystem”).
2. Stufe: Danach ist die Zahlungsmethode anzugeben. Hierbei kann zwischen dem Bezahlen per Kreditkarte, Bankeinzug oder einer Abrechnung über die Telefonausrechnung ausgewählt werden.
Fragestellung:
Genügt dieses recht simple, aber dennoch tausendfach eingesetzte Altersverifikationssystem, um Kinder und Jugendliche effektiv von pornographischen Inhalten, auch wenn sie im Internet angeboten werden, auszuschließen?
II. Allgemeine rechtliche Beurteilung des Anbietens pornografischer Inhalte im Internet
Das Anbieten pornographischer Darstellungen im Internet kann mit dem Strafgesetzbuch (vgl. § 184c StGB) sowie dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV) kollidieren. Insbesondere der zwischen den Bundesländern geschlossene JMSTV dient gem. seinem § 1 dem einheitlichen Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die ihre Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden. Nach § 4 Abs. 2 JMStV sind pornografische Angebote grundsätzlich unzulässig. Sie sind nur dann zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden („geschlossene Benutzergruppe”).
III. Genügt ein Altersverifikationssystem den in § 4 Abs. 2 JMStV aufgestellten Vorgaben?
Zumindest das Landgericht Saarbrücken (Urteil vom 26.07.2005 –7 II O 49/05) ist der Auffassung, dass ein Alterverifikationssystem mit der unter Ziffer I dargestellten Funktionsweise (vgl. oben) nicht hinreichend sicherstellen kann, dass Kindern und Jugendlichen der Zugriff zu pornografischen Angeboten verhindert ist.
Die oben angesprochene „Sicherstellung”i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV und § 184 c Satz 2 StGB erfordert nämlich das Vorhandensein wirklich „effektiver Barrieren” zwischen der pornografischen Darstellung und dem Minderjährigen (so auch schon das OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.02.2004). Diese Barrieren müssten bei Angeboten im Internet genauso effektiv sein, wie bei Angeboten im PayTV oder beim Videoverleih. Eine solche Barriere würde aber durch das oben angesprochene Altersverifikationssystem (AVS) nicht aufgestellt. Da helfe auch die oben dargestellte „2-Stufen-Lösung” nicht weiter. Dies aus folgenden Gründen:
a. Zur „1. Stufe”: Eingabe der persönlichen Daten inkl. der Personalausweisnummer
Das Landgericht Saarbrücken führt hierzu aus:
„Kinder und Jugendliche haben eine nicht zu unterschätzende Vielzahl von Möglichkeiten, um sich eine „gültige” Personalausweisnummer zu beschaffen. Hierbei ist zu bedenken, dass Jugendliche in aller Regel die Möglichkeit haben, sich die PA-Nummern von ihren Eltern oder älteren Geschwistern zu beschaffen. In den meisten Haushalten dürften sich diese Dokumente nicht in einem stetigen Verschluss vor den Minderjährigen befinden.
Auch entspricht es der Lebenserfahrung, dass Freunde und Bekannte der Minderjährigen, die bereits volljährig sind, ihre Personalausweisnummer an sie weitergeben könnten.
Des Weiteren ist es möglich, sich ohne große Mühen eine PA-Nummer im Internet über entsprechende Programme zu generieren. Entsprechende Links können über Suchmaschinen innerhalb weniger Minuten ausfindig gemacht werden. Hierbei ist nun unerheblich, ob das AVS einen Abgleich zwischen der in der PA-Nummer enthaltenen Behördenkennzahl und der Postleitzahl des Wohnsitzes vornimmt, denn wenn ein Minderjähriger sich die „echten” Ausweisdaten eines Volljährigen zu Nutze macht, stellt dieser Abgleich keinen erhöhten Schutz dar.
Ebenso verhält es sich mit den z.B. im Internet generierten PA-Nummern, da man dort die Postleitzahl des Wohnortes mit der Behördenkennzahl abgeglichen kann.”
b. Zur „2. Stufe”: Auswahl der Zahlungsmethode
Nach dem Landgericht Saarbücken kann ebenfalls der Umstand, dass bei der Anmeldung zum einschlägigen Internetdienst eine Zahlungsmethode ausgewählt werden muss, nicht zu einer anderen rechtlichen Würdigung führen:
Ab 16 Jahren sei es Jugendlichen nämlich möglich, ein eigenes Bankkonto zu führen. Da über ein solches die Bezahlung des Monatsbeitrags erfolgen könne, sei eine effektive Barriere zwischen dem Angebot des Internetdienstanbieters sowie dem Minderjährigen nicht vorhanden.
IV. Fazit
Festzuhalten ist, dass Altersverifikationssysteme dann nicht den in Deutschland geltenden Schutzbestimmungen von Minderjährigen genügen, wenn sie lediglich die Eingabe der persönlichen Daten inkl. der Personalausweisnummer der Internetsurfer voraussetzen.
Auch auf zwei weitere Argumente, vorgebracht von dem Anbieter des „Pornoseitendienstes”, ließ sich das Landgericht Saarbrücken nicht ein:
1. So wurde vorgetragen, dass eine Zugangsbeschränkung doch ohnehin ins Leere laufe, da es ja eine Vielzahl von ausländischen Angeboten gebe. Hier erwiderte das Gericht, dass zumindest derjenige, der in Deutschland agiert und auf dem deutschen Markt tätigt ist, sich im Geltungsbereich nationaler Gesetzte befindet, zu deren Einhaltung er verpflichtet ist.
2. Auch das weitere „Argument”, es sei nichtbewiesen, dass pornografische Darstellungen jugendgefährdende Wirkung hätten, fand kein Gehör. Dies aus dem Grund, da der Gesetzgeber „wie u.a. die Neuregelung des § 184c StGB zeigt, von seiner Einschätzungsprärogative dahingehend Gebrauch gemacht hat, dass Jugendliche von pornografischen Inhalten, auch wenn sie im Internet gebraucht werden, im Geltungsbereich deutscher Gesetze möglichst wirksam ausgeschlossen werden sollen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.05.2005 – I 20 U 143/04).
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Gerd Altmann(geralt) / PIXELIO
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
2 Kommentare
Vorteile haben diejenigen, die spezialisiert sind. Nur gibt es dann ein Problem, wenn der Gesetzgeber Richtlinien vorsieht. Der verkauf von alkoholischen und alkoholhaltigen Getränke fällt unter diesen Richtlinien und Vorgaben. Die Grundsätzliche Frage, die sich ein Shopbetreiber und Unternehmer stellt, der Wettbewerbsvorteil der Standortunabhängigkeit auskosten will, steht am Anfang der Planung vor der Frage, eignen sich meine Produkte für Verkauf über das Internet.
Wenn man so schon ansetzt, dann auch das Thema wirksamer Kaufvertrag bei Onlinegeschäften. Die Rede ist von Kindern und Jugendlichen, die im Internet einkaufen können.
Welche Barrieren bietet denn ein Onlineshop, wenn er gewöhnliche Waren und Dienstleistungen anbietet und muss er diese nicht auch stellen?
Die Frage und Überlegung ist nicht ganz unberechtigt.