Bei Medienbruch: AGB werden nicht Vertragsbestandteil
In der Praxis werden allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) auf unterschiedliche Weise in Verträge einbezogen. Allerdings führt nicht jeder Weg dazu, dass AGB tatsächlich Bestandteil des jeweiligen Vertrags werden und zwischen den Parteien gelten. Ein Gericht hat nun entschieden, dass bei einem sog. Medienbruch AGB nicht wirksam einbezogen werden. Mehr dazu in diesem Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
- 1) Einbeziehung von AGB in Verträge - die gesetzlichen Voraussetzungen
- 2) Nicht-Einbeziehung von AGB - die Folgen
- 3) OLG Düsseldorf: Bei Medienbruch keine Einbeziehung von AGB in Verträge
- (1) Der Sachverhalt zum Fall
- (2) Die Entscheidung des Gerichts
- 4) Praxis-Tipps: Wirksame Einbeziehung von AGB in Verträge
- 5) Das Wichtigste in Kürze
1) Einbeziehung von AGB in Verträge - die gesetzlichen Voraussetzungen
Das AGB-Recht im bürgerlichen Gesetzbuch enthält zwingende Vorgaben für die Einbeziehung von AGB in Verträgen. Allerdings lassen diese Vorgaben den AGB-Verwendern einen gewissen Spielraum, auf welche konkrete Art und Weise sie ihre AGB in die Verträge mit ihren Vertragspartnern einbeziehen möchten.
Nach § 305 BGB werden AGB nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der AGB-Verwender schon bei Vertragsschluss:
- die andere Vertragspartei ausdrücklich - oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch einen deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses - auf die AGB hinweist,
- der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen und
- die andere Vertragspartei mit der Geltung der AGB einverstanden ist.
Wollen AGB-Verwender sicherstellen, dass ihre AGB tatsächlich Vertragsbestandteil werden, müssen sie ihren Gegenüber ausdrücklich auf die AGB hinweisen und auch die schnelle und einfache Einsicht in die AGB ermöglichen. Immer wieder kam und kommt es noch heute vor Gerichten zu Diskussionen, ob in bestimmten Konstellationen die AGB in den Vertrag einbezogen worden sind oder nicht.
2) Nicht-Einbeziehung von AGB - die Folgen
Werden AGB nicht wirksam in einen Vertrag einbezogen, so gelten sie auch nicht.
Dies hindert allerdings nicht unbedingt den Vertragsschluss als solchen. Die Vertragsparteien haben dann häufig den Vertrag dennoch geschlossen, nur ohne dass die AGB gelten, also ohne dass die Klauseln aus den AGB auf den Vertrag Anwendung finden. Wenn die Parteien bestimmte Vereinbarung nicht im sonstigen Vertragstext geregelt haben, gilt insoweit dann einfach das jeweilige Gesetzesrecht.
Da AGB das Gesetzesrecht stets zu Gunsten des jeweiligen AGB-Verwenders und zu Lasten der anderen Vertragspartei modifizieren, ist die Nicht-Geltung der AGB immer ein Nachteil für den AGB-Verwender. Die andere Vertragspartei kann sich in einem solchen Fall darüber freuen, dass das für sie günstigere Gesetzesrecht Anwendung findet. Aus diesem Grund sollten AGB-Verwender unbedingt vermeiden, dass ihre AGB nicht wirksam in die Verträge mit ihren Kunden einbezogen werden.
3) OLG Düsseldorf: Bei Medienbruch keine Einbeziehung von AGB in Verträge
Einen Fall zur Einbeziehung von AGB bei Werbeschreiben per Briefpost hatte das OLG Düsseldorf zu entscheiden (Urteil vom 25. April 2024 - Az. 20 UKl 1/24).
(1) Der Sachverhalt zum Fall
In dem Fall geht es um ein Telekommunikationsunternehmen, das viele Werbeschreiben in Papierform per Briefpost an potentielle Kunden versendet. Dabei enthält das Werbeschreiben unter anderem die Formulierung:
"Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (abrufbar über www…)"
Tatsächlich können die AGB unter der angegebenen Internetadresse abgerufen werden. In dem Werbeschreiben direkt selbst sind die AGB hingegen nicht enthalten, d.h. nicht etwa abgedruckt.
Nachdem ein Verbraucherschutzverband diese Klausel bemängelt, kommt es letztlich zu einem Gerichtsverfahren. Nach Ansicht des Verbraucherschutzverbandes führt diese Formulierung nicht zu einer wirksamen Einbeziehung der AGB des Unternehmens in einen Vertrag mit den Kunden:
- Der Hinweis verschaffe dem Kunden nicht die Möglichkeit, von dem Inhalt der AGB in zumutbarer Weise Kenntnis zu erlangen, wie dies § 305 Abs. 2 BGB allerdings erfordere.
- Unter der angegebenen Internetadresse erreiche man zwar eine Website. Auf dieser seien die AGB allerdings nicht unmittelbar zu lesen, sondern diese würden sich erst nach Drücken eines "Download"-Buttons öffnen und dadurch lesbar werden.
- Da das Unternehmen die Verbraucher per Briefpost anschreibe, verlange die Kenntnisnahme von den AGB in diesem Fall von den Verbrauchern ein internetfähiges Gerät und somit in jedem Fall einen Medienbruch, also den Wechsel von einem Papierdokument zu einer digitalen Umgebung.
(2) Die Entscheidung des Gerichts
Das Gericht entscheidet zu Gunsten des Verbraucherschutzverbandes und untersagt, dem Unternehmen die Formulierung künftig weiterhin zu verwenden. Aus Sicht des Gerichts bietet der AGB-Verwender in diesem Fall der anderen Vertragspartei nicht die Möglichkeit, in zumutbar Weise vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen.
Die Entscheidung beruht im Wesentlichen auf den folgenden Erwägungen des Gerichts:
- Der Medienbruch - also der Wechsel von der Papierform zur digitalen Umgebung - erschwere bereits als solcher die Möglichkeit der Kenntnisnahme von den AGB wohl bereits in unzumutbar Weise.
- Ohne Weiteres hätten die AGB auch bereits den einzelnen Werbeschreiben beigefügt werden können.
- Im Übrigen könne man nicht einfach so davon ausgehen, dass Personen die per Briefpost angeschrieben werden, automatisch auch ein internetfähiges Gerät zur Verfügung haben, durch das sie die AGB abrufen könnten.
Das Telekommunikationsunternehmen habe vor allem ältere Personen angeschrieben. Insbesondere kann aus Sicht des Gerichts auch deshalb nicht angenommen werden, dass die Adressaten der Werbeschreiben sich einer für sie nahe liegenden Informationsquelle bewusst verweigern würden und sie ansonsten deshalb ggf. die damit verbundenen Folgen tragen müssten.
4) Praxis-Tipps: Wirksame Einbeziehung von AGB in Verträge
Diese Gerichtsentscheidung reiht sich in die gängige Rechtsprechung zur Einbeziehung von AGB in Verträge ein. Daraus lassen sich für die Praxis folgende Empfehlungen ableiten:
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5) Das Wichtigste in Kürze
- Alleine die Veröffentlichung von AGB im Internet führt nichts zu deren Geltung in Vertragsbeziehungen.
- Vielmehr müssen AGB wirksam in Verträge einbezogen werden. Hierzu müssen die vorgegebenen gesetzlichen Voraussetzungen eingehalten werden.
- Neben einem ausdrücklichen Hinweis auf die Geltung der AGB ist auch die zumutbare Möglichkeit zu deren Kenntnisnahme Voraussetzung für die Einbeziehung der AGB in Verträge.
- Müssen potentielle Kunden das Medium wechseln, um die AGB einsehen und lesen zu können, ist dies - jedenfalls im B2C-Bereich - nicht unbedingt eine zumutbare Möglichkeit zur Kenntnisnahme der AGB. In solchen Fällen werden die AGB daher ggf. nicht Vertragsbestandteil.
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