AG München: Neuwertige Ware ist ungleich Neuware
Bei nicht fristgerechter Lieferung kann der Käufer eine gleichwertige Sache bei einem Dritten erwerben und dem ursprünglichen Verkäufer die Kaufpreisdifferenz in Rechnung stellen. Besteht aber Gleichwertigkeit bei Kauf einer neuwertigen Sache einerseits und Ersatzkauf einer fabrikneuen Sache andererseits? Diese Frage beantwortete nun das AG München.
Inhaltsverzeichnis
I. Der Sachverhalt
Im November 2023 erwarb der Kläger über eBay eine Original-BMW-Felge zum Preis von 199,11€, die mit dem Artikelzustand „Neu: Sonstige (siehe Artikelbeschreibung)“ eingestellt war.
In der Artikelbeschreibung hieß es „eine neue Felge, aus der Demontage - Felge ist NEU“. In den allgemeinen Artikelzustandsbeschreibungen fand sich u. a. folgender Hinweis: „Ein Artikel in hervorragendem Zustand, wie neu und ohne Gebrauchsspuren.“
Anstatt die Felge jedoch zu versenden, erstattete der Beklagte, ein gewerblicher Händler, den Kaufpreis zurück.
Daraufhin setzte der Kläger dem Händler eine Frist zur Lieferung, die dieser jedoch verstreichen ließ.
Der Kläger kaufte sich schließlich eine fabrikneue Felge zu einem höheren Preis und verlangte die Erstattung der Mehrkosten von 154,26€ aus dem Deckungskauf vom Händler als Schadensersatz.
Der Händler wehrte sich mit der Argumentation, das Deckungsmodell sei zum ursprünglichen Kaufgegenstand nicht gleichwertig. Er selbst habe ein neuwertiges, aber kein fabrikneues Produkt verkauft. Der Käufer habe den Deckungskauf aber für ein fabrikneues, komplett unbenutztes Exemplar getätigt.
Tipp:
Umfangreiche Informationen dazu, unter welchen Voraussetzungen Zusatzaufwendungen für Deckungskäufe ersetzt verlangt werden können, stellt die IT-Recht Kanzlei in diesen FAQ bereit.
II. Die Entscheidung
Das AG München wies die Klage mit Urteil vom 28.02.2024 (Az: 161 C 23096/23) ab. Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch auf die Mehrkosten könne nur dann bestehen, wenn der nachträglich erworbene Artikel gleichwertig sei. Dies sei bei der streitgegenständlichen Felge nicht der Fall.
Es fehle an einem gleichwertigen Deckungsgeschäft. Die Parteien seien sich auf eBay über eine neuwertige Felge einig geworden, die – wie ausdrücklich im Angebot beschrieben – aus einer Demontage stamme, also bereits montiert und demontiert worden sei. Es liege eben gerade keine Einigung über eine neue, vollkommen unbenutzte Felge vor.
Eine abweichende Auffassung über die Neuheit des Produkts schließe bereits die in der Artikelbeschreibung gewählte Wortwahl „aus der Demontage“ aus.
Des Weiteren sei die Felge nicht in der Kategorie „Neu“ eingestellt gewesen, sondern in der Kategorie „Neu: Sonstige (siehe Artikelbeschreibung)“.
In letzterer würden gerade neuwertige Waren gehandelt, die jedoch nicht Neuwaren im engeren Sinne seien.
Auch sei es für den durchschnittlichen Nutzer nicht überraschend, dass auf der Plattform eBay auch (wenn nicht sogar überwiegend) gebrauchte Waren zum Kauf angeboten würden. Dies dürfe im Regelfall sogar der Grund sein, warum die Plattform – u. a. für die Suche nach einem „Schnäppchen“ im Vergleich zum sonstigen Preis – überhaupt genutzt werde.
Zuvor benutzte und neue Felgen fielen ersichtlich nicht in die gleiche Warenkategorie. Neue Felgen würden zu Neupreisen gehandelt, es handle sich um völlig unbenutzte Ware, in der Regel mit der entsprechend gültigen Verkäufer- bzw. Herstellergarantie. Felgen aus der Demontage dagegen seien – wie aus der eindeutigen Bezeichnung hervorgehe – bereits einmal montiert und demontiert worden, was auch bei sonstiger Neuwertigkeit einer Felge deren Marktwert erheblich senke.
III. Fazit
Mehrkosten eines Deckungskaufs nach ausbleibender Lieferung und Fristsetzung können nur bei Gleichwertigkeit der ursprünglich und als Substitut gekauften Ware geltend gemacht werden.
Ein Händler, der eine benutzte, aber neuwertige Sache verkauft, muss bei Lieferhindernissen nicht die Zusatzkosten für den Deckungskauf einer fabrikneuen Sache erstatten.
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