Markennutzung bei Adwords: Ausnahmsweise unzulässig - bei Vertriebssystemen
Ja. Nein. Vielleicht: Im Bereich Adwords und Markennutzung gibt es zahlreiche Urteile und viel Unsicherheit. Tenor der letzten Gerichtsentscheidungen war aber: Die Nutzung einer Marke als keyword für Google-Adwords ist zulässig. Aber nur unter bestimmten Voraussetzungen und mit Ausnahmen. Nun der Fall einer solchen Ausnahme: Weil der angesprochene Verkehr eine Verbindung zwischen dem Markeninhaber und dem Adwords-Werbenden annimmt, wurde die Nutzung des geschützten Unternehmenskennzeichens als keyword in diesem Fall als unzulässig erachtet (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 27.08.2019 - Az.: 6 W 56/19).
Adwords & das Markenrecht: Es war einmal….
So fangen nicht nur Märchen an – sondern auch die Geschichte von Adwords & dem Markenrecht. Um es mal so zusammenzufassen: Die deutschen Gerichte gingen in der Vergangenheit sehr unterschiedlich mit der Einschätzung einer Markenverletzung bei Nutzung von geschützten Marken als keywords um. Es gab Gerichte, die verneinten eine Verletzung und andere bejahten sie wiederum.
Dann nahm sich der BGH der Sache an – und schaffte Klarheit. Einigermaßen zumindest. Die letzten Fragen klärte dann der EuGH(wegweisend hier: Urteil vom 22.09.2011, C-323/09). Soviel zur Rechtsgeschichte.
Wen es interessiert: Einen Überblick über die Entwicklungen zur Adwords-Rechtsprechung finden Sie in diesem ausführlichen Beitrag.
…und heute?
Nach Vorgaben des EuGH konkretisierte der BGH (Urteil vom 27.06.2013, Az. I ZR 53/12 – Fleurop) die Anforderungen an die rechtmäßige Werbung mit Marken und Adwords. Zusammenfassend lassen sich aus der bisherigen Rechtsprechung die folgenden Grundsätze ableiten:
1. Buchung fremder Marken als keywords grds. erlaubt: In dieser Nutzung ist keine Markenrechtsverletzung zu erkennen, wenn keine Funktion dieser Marke beeinträchtigt wird.
Voraussetzung: Dies hängt von der konkreten Gestaltung der jeweiligen Anzeige ab, insbesondere davon, ob
a) die Anzeige einen ausreichenden Hinweis auf den Urheber enthält,
b) für den User die fehlende Verbindung zum Markeninhaber deutlich erkennbar ist (andersrum: stellt es ein Problem dar, wenn der user eine wirtschaftliche Verbindung annimmt), und
c) die Anzeigen ausreichend gekennzeichnet und von der eigentlichen Trefferliste abgegrenzt sind und der Markeninhaber nach Eingabe der Markenbezeichnung in die Suchmaske in der Trefferliste an prominenter Stelle genannt wird. Punkt c) dürfte beim Produkt Google AdWords eher unproblematisch ausfallen, das Augenmerk des Adword-Kunden sollte daher auf den Punkten a) und b) liegen.
2. Ausnahmen:
a) Die bekannte Marke: Die Beurteilung, ob die Nutzung einer fremden Marke als keyword eine Markenrechts- und/oder Wettbewerbsverletzung darstellt, hängt zuletzt immer auch von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab; eine entscheidende Bedeutung kommt hierbei der Auffassung des einzelnen Users zu. So kann zum Beispiel eine Ausnahme vorliegen, wenn es sich bei der Buchung um eine bekannte Marke handelt und der Werbende Nachahmungen anbietet.
b) Es geht um ein bekanntes Vertriebssystem: Dann ist die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt, wenn in der Adwords-Anzeige nicht auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Zeicheninhaber und dem Werbenden hingewiesen wird. Hintergrund: Verkehr vermutet Partnerunternehmen.
OLG Frankfurt: Ausnahme, die zweite
Und nun zum aktuellen Fall des OLG Frankfurt a.M..Es ging um die Nutzung eines geschützten Unternehmenskennzeichens als Adword-keyword. Im Bereich zahnmedizinische Leistungen - auch im Dunstkreis eines Vertriebssystems. Der Sachverhalt war im im Vergleich zum vordiskutierten BGH-Fall also ganz ähnlich.
Zunächst betonten die Richter wiederum den allgemein anerkannten Grundsatz der Zulässigkeit der Nutzung:
"Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in aller Regel keine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion vor, wenn die Werbeanzeige in einem von der Trefferliste eindeutig getrennten und entsprechend gekennzeichneten Werbeblock erscheint und selbst weder die Marke noch sonst einen Hinweis auf den Markeninhaber oder die unter der Marke angebotenen Produkte enthält (vgl. BGH GRUR 2014, 182, Rnr. 20 ff - Fleurop; BGH, GRUR 2013, 290 Rdnr. 26 - MOST-Pralinen, m. w. Nachw.)."
Im Ergebnis kamen die Richter hier aber dann zu einem Ausnahmefall - sprich: Die identische Verwendung des Unternehmenskennzeichens in der Adwords-Anzeige verletzt dessen herkunftshinweisende Funktion.
"Zwar ist die hier vorliegende Konstellation zu der im Fleurop-Fall vorliegenden insofern abweichend, als nicht der Markeninhaber das Vertriebsnetz betreibt, sondern der Verantwortliche für die AdWords-Anzeige. Auch in dieser Konstellation kommt es jedoch dazu, dass der Verkehr keinen Aufschluss darüber erhält, ob eine wirtschaftliche Verbindung zwischen Markeninhaber und Nutzer der Marke besteht (vgl. EuGH GRUR 2011, 1124, Rnr. 49 - Interflora). Für eine Beeinträchtigung des Herkunftsfunktion ist ausreichend, dass die Ad-Words-Anzeige hinsichtlich der Herkunft der fraglichen Ware oder Dienstleistung so vage gehalten ist, dass ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer auf Grund des Werbelinks und der ihn begleitenden Werbebotschaft nicht erkennen kann, ob der Werbende im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder mit ihm wirtschaftlich verbunden ist (vgl. EuGH, GRUR 2010, 445 Rnr. 89 f. - Google France und Google; GRUR 2011, 1124 Rdnr. 45 - Interflora/M&S). Dieser Effekt tritt sowohl in der der Fleurop-Rechtsprechung zugrunde liegenden Konstellation eines Vertriebssystems auf der Markeninhaberseite als auch in dem hier vorliegenden, gleichsam „umgedrehten“ Fall vor."
Und wieder nehmen die Richter Bezug auf eine wegweisende EuGH-Rechtsprechung: Der EuGH hat in der Sache „Interflora“ ausgeführt, es könne in Fällen, in denen das Vertriebsnetz des Markeninhabers aus zahlreichen Einzelhändlern zusammengesetzt sei, für den normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer besonders schwer sein, ohne Hinweis des Werbenden zu erkennen, ob dieser zu diesem Vertriebsnetz gehöre oder nicht, so die Richter.
Die dann notwendige Klarstellung einer fehlenden wirtschaftlichen Verbindung zwischen Werbenden und Zeicheninhaber erfolgte hier nicht:
"Alleine die Tatsache, dass im Text und durch die Domain www.(...).de auf die Herkunft der Anzeige, nämlich die Antragsgegnerin, hingewiesen wird, ist hierfür nicht ausreichend."
Unter derartigen Umständen kann eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion allein durch einen Hinweis auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen Werbenden und Rechteinhaber ausgeschlossen werden. Hier bedarf es also mehr Fingerspitzengefühl bei der Formulierung der Anzeige als bei den üblichen Adwords-Fällen.
Fazit: Zulässig, außer…
Die Buchung fremder Marken oder Unternehmenskennzeichen als keyword für Adwords-Anzeigen ist grds. zulässig. Voraussetzung ist, dass die Werbeanzeigen nicht irreführend gestaltet sind und der Verkehr eine Verbindung zwischen Zeicheninhaber und Adwords-Kunde annimmt. Die Adwords-Anzeige selbst darf also weder das fremde Zeichen noch einen sonstigen Hinweis auf den Zeicheninhaber oder auf die von diesem angebotenen Produkte enthalten. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellen die Fälle der bekannten Marke und dem gleichzeitigem Anbieten von Nachahmungen dar – dies ist unter allen Umständen unzulässig. Und: Das bekannte Vertriebssystem – in diesem Fall wäre darüber hinaus ein expliziter Zusatz notwendig, dass es sich bei dem werbenden nicht um ein Partnerunternehmen handelt.
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