The big surprise: Abo-Überraschungsboxen im Einklang mit geltenden Lauterkeits- und Verbraucherrecht?
Seit einiger Zeit wird vor allem auf jungunternehmerisches Bestreben hin im deutschen Online-Handel ein Geschäftsmodell umgesetzt, das in verschiedensten Produktkategorien den Abschluss von Überraschungsabonnements vorsieht. Hierbei erhält der Verbraucher in wiederkehrenden Abständen Produktboxen, deren genauer Inhalt ihm bis zur Entgegennahme nicht bekannt ist. Doch wird diese Praxis lauterkeits- und verbraucherrechtlichen Informationspflichten gerecht oder verstößt sie gegen etwaige gesetzliche Bestimmtheitsanforderungen? Die IT-Recht Kanzlei informiert.
Inhaltsverzeichnis
- I. Ein Geschäftsmodell auf dem Erfolgsweg
- II. Vereinbarkeit mit §5a Abs. 3 Nr. 1 UWG?
- 1.) Abonnement-Angebot als Aufforderung zum Kauf?
- 2.) Verstoß gegen Informationspflicht über wesentliche Merkmale?
- 3.) Wesentliche Merkmale bei Überraschungsboxen
- III. Verstoß gegen §312g Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246a §1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB?
- IV. Fazit
I. Ein Geschäftsmodell auf dem Erfolgsweg
In den verschiedensten Marktsegmenten haben sich innerhalb der letzten Jahre Abonnement-Systeme etabliert, die sich auf die meist monatliche Zusendung von Produktboxen gegen die Entrichtung eines pauschalen Entgelts spezialisieren und online abgeschlossen werden. Die Besonderheit dieser Geschäftsmodelle liegt darin, dass der potenzielle Inhalt der so versandten Pakete vor der Bestellung durch den Verbraucher zwar umschrieben wird, die genaue Zusammensetzung und mithin die Aufgliederung in einzelne Bestandteile dem Besteller aber weder überlassen noch mitgeteilt werden.
Insofern geben die Kunden bei Abschluss der Abonnements im Internet die Lieferung von virtuellen Wundertüten in Auftrag, deren Inhalt anbieterintern selektiert wird und sich dem Besteller erst nach dem Erhalt der Boxen eröffnet.
Bislang kann dieses Geschäftsmodell, das Ausprägungen sowohl im Kosmetik- und Spielzeughandel als auch im Lebensmittelbereich gefunden hat und zuletzt sogar bei Haustierbedarf zu Phänomen erstarkt ist, große Erfolge verbuchen, was vor allem darin begründet liegt, dass sowohl die Anbieter als auch die Produkthersteller gleichermaßen davon profitieren und auf hohe Gewinnmargen hoffen.
Lebensmittel-Überraschungsbox(Quelle: www.degustabox.com/de/)
Kosmetik-Überraschungsbox (Quelle: www.glossybox.de)
So handelt es sich bei den in den Überraschungsboxen enthaltenen Artikeln nicht selten um neue oder verbesserte Produkte, die den Anbietern von Seiten der Hersteller unentgeltlich oder zu einem nur geringen, von der jeweils abgenommenen Menge abhängigen Preis überlassen werden, weil die Hersteller im Gegenzug so die Marktdurchdringung ihrer Waren zu fördern, Aufmerksamkeit und Neugier in Bezug auf die Marke zu erregen und somit durch Kundenakquise Absatzsteigerungen für das gesamte Sortiment zu erzielen gedenken.
Während sich die Überraschungsboxen mithin als sinnbildliche „Win-Win-Situation“ für Hersteller und Händler darstellen, wird der Verbraucher augenscheinlich benachteiligt. Immerhin bleibt es ihm bei Eingehung eines Überraschungs-Abonnements verwehrt, Kalkulationen über einen bestimmten Warenbedarf zur Vertragsgrundlage zu machen und mithin seine geschäftliche Entscheidung auf individuell benötigte Inhalte zu konkretisieren. Er trägt stets das Risiko, ein monatliches Entgelt für Produkte zu entrichten, die nicht seinem aktuellen Kaufinteresse entsprechen, und unterwirft sich so einer vertraglichen Leistungspflicht, ohne über hinreichende Informationen zum genauen Gegenstand der korrespondierenden Gegenleistung zu verfügen.
Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden untersucht werden, ob und inwiefern die Geschäftsmethode des Überraschungsbox-Internethandels den geltenden lauterkeits – und verbraucherrechtlichen Maßstäben, die spezifische Informationen im B2C-Fernabsatzverkehr vorschreiben, genügt.
II. Vereinbarkeit mit §5a Abs. 3 Nr. 1 UWG?
Nach §5a Abs. 2 UWG sind geschäftliche Handlungen als unlauter zu qualifizieren, sofern sie dem Verbraucher Informationen vorenthalten, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände und etwaiger Beschränkungen des jeweilig verwendeten Kommunikationsmittels als wesentlich anzusehen sind.
Insofern statuiert diese Vorschrift gerade im Verkauf von und in der Werbung für Waren oder Dienstleistungen gewisse Informationspflichten, die nach Abs. 3 immer dann konkretisiert werden, wenn es sich bei der geschäftlichen Handlung um eine Aufforderung zum Kauf (nach Art. 7 Abs. 4 der dem §5a zugrunde liegenden Richtlinie 2005/29/EG – insoweit ist die Umschreibung als Abschließbarkeit des Geschäfts missverständlich) handelt.
Eine Aufforderung zum Kauf liegt aber nicht erst dann vor, wenn das konkrete Produkt unmittelbar erworben werden kann oder ein tatsächlich unmissverständliches Erwerbsangebot vorliegt. Eine Aufforderung zum Kauf ist vielmehr schon dann anzunehmen, wenn das Produkt hinsichtlich seiner Merkmale und seines Preises so beworben wird, dass der Verbraucher in die Lage versetzt wird, eine geschäftliche Entscheidung für oder gegen den Erwerb zu treffen (EuGH, Urteil v. 12.05.2011 – Rechtssache C-122/10 – „Ving Sverige“).
Neben Informationen zur Person, zur Preisgestaltung und zu etwaigen vertraglichen Gestaltungsrechten des Verbrauchers ist bei Aufforderungen zum Kauf gemäß §5a Abs. 3 Nr. 1 UWG stets auch auf die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung in einem dieser angemessenen Umfang hinzuweisen.
Bei Überraschungsboxen wird der Verbraucher ob des genauen Inhalts der Warensendungen im Unklaren gelassen, sodass hierin ein Verstoß gegen die Informationspflicht über die wesentlichen Merkmale der Ware liegen könnte.
1.) Abonnement-Angebot als Aufforderung zum Kauf?
Damit diese spezielle Hinweispflicht Wirkung entfalten kann, müsste es sich bei den Abonnement-Angaben zunächst um eine Aufforderung zum Kauf nach den oben angeführten Maßstäben handeln.
Auf den jeweiligen Websites der Anbieter wird jedem Abonnement-Typ ein konkreter monatlich zu entrichtender Preis zugeordnet, sodass das Kriterium der hinreichenden Bepreisung unstreitig erfüllt ist. Allerdings müssten die Boxen auch bezüglich ihrer Merkmale so hinreichend beworben werden, dass der Verbraucher allein durch Wahrnehmung des Angebots eine geschäftliche Entscheidung treffen kann.
Daran könnte es vorliegend fehlen, weil der spezifische Inhalt der jeweiligen Monatsboxen nicht offengelegt wird und mithin eine erforderliche Konkretisierung fehlt, auf Grundlage derer eine Abwägung des Für und Wider einer Bestellung möglich würde.
Die Merkmale eines Produktes können aber nie generell bestimmt werden, sondern ergeben sich aus der Berücksichtigung des konkreten Geschäftsgegenstandes, wobei der Maßstab durch die Verkehrsauffassung festgelegt wird.
Merkmal der Überraschungsboxen ist es, dass der Verbraucher gerade nicht wissen soll, welche Waren aus einem bestimmten Produktsegment er im Einzelfall erhält und dass mithin die genaue Zusammenstellung einer Selektion unterliegt, die seinem Einfluss grundsätzlich entzogen ist.
Mithin appelliert das Produkt an eine gewisse Risikobereitschaft und Neugierde der potenziellen Kunden und gilt das Angebot von Überraschungsboxen dann als Aufforderung zum Kauf , wenn auf den „Wundertüteneffekt“ von Paketen zu einem gewissen Monatspreis hingewiesen wird.
2.) Verstoß gegen Informationspflicht über wesentliche Merkmale?
Liegt eine Aufforderung zum Kauf vor, wie sie auch für die Online-Bestellseiten von Überraschungsboxen angenommen werden kann, so ist der jeweilige Anbieter gem. §5a Abs. 3 Nr. 1 UWG zur Belehrung über alle wesentlichen Merkmale der Ware in einem ihr angemessenen Umfang verpflichtet.
Fraglich ist insofern, ob die Geheimhaltung des konkreten Boxeninhalts eine Missachtung dieser Hinweispflicht darstellt.
Dies wäre insofern plausibel, als dem Verbraucher mangels weitergehender Informationen zum Umfang der Warensendung ein maßgebliches Beurteilungskriterium vorenthalten wird, das er für eine informierte Entscheidung benötigen würde. Immerhin ist er unfähig, abzuschätzen, welche Artikel die monatlichen Pakete in ihrer jeweiligen Form enthalten werden, zumal er im Regelfall weder deren genaue Anzahl noch deren betriebliche Herkunft kennen wird.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine Pflicht zur Anführung der wesentlichen Merkmale stets nur insofern besteht, wie es dem angebotenen Produkt gegenüber angemessen ist.
Insofern basiert das Geschäftsmodell der Überraschungsboxen jedoch essentiell auf der Verbergung des konkreten Inhalts und setzt eine spezifische Risikobereitschaft und Aufgeschlossenheit des Bestellers dahingehend voraus, seine geschäftliche Entscheidung gerade wegen dieser Ungewissheit zu treffen.
3.) Wesentliche Merkmale bei Überraschungsboxen
Obwohl dem §5a Abs.3 Nr. 1 UWG insofern keine generelle Verpflichtung zur detaillierten inhaltlichen Konkretisierung des Vertragsgegenstandes entnommen werden kann, weil die Art und Umfang der Pflicht zur Benennung der wesentlichen Merkmale stets von der jeweils versprochenen Leistung abhängen, kommt auch das Geschäftsmodell der Überraschungsboxen nicht ohne verpflichtende Hinweise aus.
Der Verbraucher muss nämlich in der Lage sein, das einzugehende Risiko zumindest insoweit abschätzen zu können, wie er davon unter Berücksichtigung der Neugierde, der Spannung und des Überraschungseffekts seine Entscheidung abhängig wird.
Weil ihm nicht zugemutet werden kann, ein auf Warenlieferungen gerichtetes Abonnement einzugehen, ohne den Typus der angebotenen Produkte zu kennen, ist immerhin ein Hinweis auf die den Boxen zugrunde liegende Produktkategorie und die damit einhergehende Zweckbestimmung des Inhalts erforderlich. Zählen zu einer Produktkategorie eine Vielzahl von Einzelsegmenten (z.B. im Bereich Kosmetik), so wird im Einzelfall auch eine Information darüber gegeben werden müssen, welche Unterkategorien in das Boxen-Selektionssystem aufgenommen wurden. Dies kann auch durch beispielhafte graphische Darstellungen geschehen.
Zudem wird es regelmäßig geboten sein, in einer Präsentation des Geschäftsmodells die inhaltlich in Betracht kommenden Produkte zumindest repräsentativ aufzuzählen oder alternativ auf die kooperierenden Hersteller zu verweisen, damit der Verbraucher die Wertigkeit und die Chancen, einen bestimmten Artikel zu erhalten, hinreichend einschätzen kann.
Eine Irreführung durch Unterlassen könnte es also darstellen, dem Verbraucher ein Überraschungssortiment von Kosmetikprodukten im Abonnement anzubieten, ohne den Boxeninhalt in Bezug auf die in Betracht kommenden Untersegmente (Mascara, Körperpflege etc.) zu konkretisieren und gegebenenfalls durch Herstellerausweisung einen Hinweis auf die Wertigkeit des Inhalts zu geben. Dabei ist zu beachten, dass nicht alle Marktsegmente derartig weitreichende Informationen erfordern. Werden Gemüse-Überraschungsboxen angeboten, so beschränkt schon die Angabe „saisonales Gemüse aus Deutschland“ den Kreis der möglichen Liefergegenstände ausreichend.
Den – je nach Produktkategorie unterschiedlich weiten – Hinweispflichten über spezifische Merkmale der Boxen kommen die Anbieter bislang nach und stellen so nicht nur Hinweise über die möglichen enthaltenen Produktsegmente bereit, sondern verweisen regelmäßig auch auf die Hersteller der potenziellen Artikel:
(Quelle: www.glossybox.de)
Alternativ werden Informationen über den möglichen Wareninhalt der Produktpakete des aktuellen Monats bereitgestellt, um dem Informationsinteresse der Verbraucher zu genügen und etwaige unangemessene Eingehungsrisiken zu beseitigen:
(Quelle: www.degustabox.com/de/)
III. Verstoß gegen §312g Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246a §1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB?
Auch das geltende Verbraucherrecht verpflichtet Unternehmer im elektronischen Geschäftsverkehr zu Hinweisen über die wesentlichen Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung unmittelbar vor Vertragsschluss, §312g Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246a §1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB.
Allerdings sind auch hier der Umfang des verwendeten Kommunikationsmittels sowie die Art des Produkts so zu berücksichtigen, dass die im Rahmen des §5a Abs. 3 Nr. 1 UWG angestellten Erwägungen auch für die verbraucherrechtliche Informationspflicht beim Angebot von Überraschungsboxen-Abonnements gelten müssen. Bereits die weitgehend wortlautgleichen Fassung von Art. 246a §1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB und §5a Abs. 3 Nr. 1 UWG, die sich nur in den Bezeichnungen „Merkmal“ und Eigenschaft“ unterscheiden, sprechen für eine gleichlaufende Anwendung.
Sofern die wesentlichen Merkmale nach §312g Abs. 2 BGB unmittelbar vor Vertragsschluss angeführt werden müssen, ist zu beachten, dass eigentlicher Vertragsgegenstand nicht der Inhalt der Box oder ein einzelnes Überraschungspaket ist, sondern das Abonnement über eine Anzahl von Boxen innerhalb eines determinierten Zeitraums zu einem bestimmten Preis.
Insofern erfassen die verpflichtend vor Vertragsschluss anzuführenden Eigenschaften des Geschäftsgegenstandes vorrangig Angaben über die Laufzeit und die Art des Abonnements. Zwar ist in diesem Rahmen auch die Abonnement-Leistung zu benennen, allerdings kann auch hier unter Berücksichtigung des Geschäftsmodells, das gerade auf den Überraschungseffekt abzielt, eine Konkretisierung auf die jeweilig beinhaltenden Produkte nicht erforderlich sein.
IV. Fazit
Grundsätzlich stehen Überraschungsboxen-Abonnements im Einklang mit den geltenden lauterkeitsrechtlichen und verbraucherrechtlichen Bestimmungen, die dem Verbraucher eine informierte Kaufentscheidung ermöglichen sollen.
Insbesondere kann den gesetzlichen Hinweispflichten über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung kein Erfordernis entnommen werden, auch über den konkreten Paketinhalt zu unterrichten. Insofern orientieren sich die Reichweite und der Umfang dieser Obliegenheit nämlich stets an der Art des Geschäftsgegenstandes. Zielt ein Angebot – für den Verbraucher ersichtlich – aber explizit auf einen Überraschungseffekt ab und appelliert mithin an die Neugierde und eine gewisse Risikobereitschaft, so ist wesentliches Merkmal eben diese Unbestimmtheit des konkreten Leistungsinhalts und gerade nicht die präzisierte inhaltliche Zusammensetzung. Die Informationspflichten sollen dem Verbraucherschutz dienen und können Unternehmer nur insoweit verpflichten, wie der Verbraucher sich einer bestimmten Sicherheit (hier derjenigen des Wissens um den genauen Leistungsgegenstand) bei Eingehung des Vertrags nicht freiwillig begibt.
Gegebenenfalls kommen je nach der von den Boxen in Bezug genommenen Warenkategorie in Anlehnung an die intendierte Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus als wesentliche Merkmale aber Angaben über die kooperierenden Hersteller und Eingrenzungen des Leistungsumfangs auf bestimmte Produktsegmente in Betracht.
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