Achtung Abmahnung: Werbung für Tätigkeiten, für welche eine Eintragung in der Handwerksrolle (nach der HwO) notwendig ist
Die Wettbewerbszentrale München tritt mit besonderen wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen in Erscheinung. Ziel der Abmahnung sind Unternehmer, die Dienstleistungen bewerben, welche eine Eintragung nach § 6 Abs. 1 der Handwerksordnung (HwO) voraussetzen. In den Abmahnungen wird der Vorwurf erhoben, dass es einen Wettbewerbsverstoß darstelle, wenn eine Dienstleistung angeboten wird, obwohl der hierfür werbende Unternehmer nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist. Wann eine solche Abmahnung berechtigt ist, eine Tätigkeit also ein Handwerk darstellt und eine Eintragungspflicht nach der HwO voraussetzt, lesen Sie in unserem Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
A. Achtung, Abmahnung!
In einer der IT-Recht-Kanzlei vorliegenden Abmahnung wurde dem Abgemahnten vorgeworfen, nach §§ 3a i.V.m. 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 HwO und § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 UWG unlauter gehandelt zu haben. Die geschäftliche Handlung wurde mit der Werbung mit Dienstleistungen im Bereich der Motorregeneration, Motorreparatur oder auch Tuning von Zweiradmotoren angegeben. Der Abgemahnte war vorliegend nicht in die Handwerksrolle eingetragen.
Deshalb stellt sich die Frage, wann eine solche Eintragung zu erfolgen hat und ob ein rechtswidriges Fehlen einer solchen Ansprüche aus dem UWG hervorrufen kann.
B. HwO vs. UWG
I. Unlautere Werbung mit zulassungspflichtigem Handwerk
Wer am Markt mit Tätigkeiten wirbt, die einem zulassungspflichtigen Handwerk unterfallen, handelt unlauter nach § 3a UWG i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 der Handwerksordnung (HwO). Das Betreiben eines zulassungspflichtigen Handwerks ohne die erforderliche Qualifikation und damit ohne die Eintragung in der Handwerksrolle fällt mit dem Marktverhalten zusammen, bei dieser gesetzlichen Vorgabe handelt es sich daher um sog. Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG.
Auch kann es sich bei Werbung mit einem zulassungspflichten Handwerk ohne Erfüllen der entsprechenden Voraussetzungen um eine irreführende geschäftliche Handlung i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 UWG handeln. Die Rechtsprechung sieht ein unlauteres Verhalten darin, dass sich der werbende Unternehmer besonderer handwerklicher Fähigkeiten berühmt, indem er für eine handwerkliche Tätigkeit wirbt, die nur von einem zulassungspflichtigen Handwerksbetrieb i. S. d. § 1 Abs. 1 HandwO erbracht werden darf, obwohl er nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist (BGH, Urt. v. 29.10.1992, Az. I ZR 306/90).
II. Eintragungspflicht in die Handwerksrolle
Damit Ansprüche nach dem UWG geltend gemacht werden können, muss es sich bei der beworbenen Tätigkeit um ein zulassungspflichtiges Handwerk handeln. Die Handwerksrolle stellt dabei ein Register dar, in das der Inhaber eines Betriebs zulassungspflichtiger Handwerke nach § 6 Abs. 1 HwO bei der jeweiligen Handwerkskammer einzutragen ist.
Eine solche Eintragungspflicht ergibt sich, wenn ein selbständiger Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe erfolgt (§ 1 Abs. 1 S. 1 HwO). Nach § 1 Abs. 2 S. 1 HwO stellt ein Gewerbebetrieb ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks dar, wenn er
- handwerksmäßig betrieben wird und
- ein Gewerbe vollständig umfaßt, das in der Anlage A aufgeführt ist
- oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten)
1. Stehendes Gewerbe
Als stehendes Gewerbe gilt jedes, das nicht als Reisegewerbe (§§ 55 ff. GewO) und nicht im „Marktverkehr“ (§§ 64 ff. GewO) ausgeübt wird.
2. Handwerksmäßiges Betreiben
Die Frage, ob ein handwerksmäßiges Betreiben oder eine nicht eintragungspflichtige industrielle Betriebsform vorliegt, muss anhand einiger Faktoren entschieden werden. Die Abgrenzung kann anhand folgender Kriterien erfolgen: Maschineneinsatz vs. handwerkliche Betätigung, Betriebsgröße, Betriebsausstattung, Mitarbeiterqualifikationen.
Von zentraler Bedeutung ist dabei die technische Ausstattung und die Befähigung der Leitung bzw. der Mitarbeiter. Als grobe Orientierung dient die Annahme, dass wesentliche Kenntnisse und Fähigkeiten des entsprechenden Handwerks durch Maschinen ersetzt werden und somit die konkreten handwerklichen Fertigkeiten zurücktreten (LG Offenburg, Urt. v. 15.9.2017, Az. 5 O 54/16 KfH).
3. Vollständiges Umfassen des Gewerbes
Eine Zulassungspflicht für eine handwerkliche Tätigkeit liegt dann vor, wenn sie das betreffende Handwerk (wie in Anlage A der Handwerksordnung aufgelistet) vollständig umfasst. Das bedeutet, dass alle Tätigkeiten tatsächlich ausgeübt werden müssen, die in dem jeweiligen Gewerbe nach dessen Bezeichnung in der Anlage dort stattfinden können.
In der Praxis hingegen wird es selten anzutreffen sein, dass in einem Betrieb sämtliche einem Handwerk zuzuordnenden Tätigkeiten verrichtet werden. Deshalb wird es in den allermeisten Fällen darauf ankommen, ob die tatsächlich ausgeführte Tätigkeit als „wesentlich“ im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 HwO anzusehen ist.
4. Wesentliche Tätigkeiten
Eine Eintragungspflicht in die Handwerksrolle kann sich auch daraus ergeben, dass Tätigkeiten ausgeübt werden, die für das zulassungspflichtige Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten). Wesentliche Tätigkeiten sind solche, die einen „wesentlichen Teil“ der in einem Betrieb verrichteten Arbeiten ausmachen. Dabei handelt es sich um einen auslegungsbedürftigen, da unbestimmten Rechtsbegriff.
Nach der sorg. Kernbereichstheorie (ständige und gefestigte Rechtsprechung des BVerwG) handelt es sich dann um eine wesentliche Tätigkeit, wenn sie nicht nur fachlich zu dem betreffenden Handwerk gehört, sondern gerade den Kernbereich dieses Handwerks ausmacht und ihm sein essentielles Gepräge verleiht (BVerwG, Urt. v. 9.4.2014, Az. 8 C 50/12).
Daraus lässt sich ableiten, dass keine wesentliche Tätigkeit vorliegt, sobald sie als untergeordnet erscheint oder nur einen Randbereich betrifft. Tätigkeiten, welche im Hinblick auf die „wesentlichen Tätigkeiten“ als untergeordnet erscheinen, werden als „Minderhandwerk“ bezeichnet. Solche kleingewerblichen Betriebe unterliegen nicht den Regularien der HwO, da sie weder einen Handwerks- noch Industriebetrieb darstellen.
Ob eine konkret ausgeübte Tätigkeit nun eine wesentliche im Sinne der HwO ist, lässt sich im Ergebnis nicht pauschal beantworten, sondern ist vielmehr immer eine Frage des Einzelfalls. Im Rahmen der Ergebnisfindung werden teilweise die Ausbildungs- bzw. Meisterverordnungen des in Frage kommenden Handwerks herangezogen. Die Wettbewerbszentralen führen diese Verordnungen auch gerne an, um ihrem Standpunkt vermeintlich mehr Ausdrucksfähigkeit zu verleihen.
Hinweis: Zu beachten ist jedoch, dass die Rechtsprechung sowohl den Ausbildungs- als auch den Meisterverordnungen lediglich Indizwirkung zubilligt (BVerwG, Urt. v. 31.08.2011, Az. 8 C 8/10). Das heißt im Klartext, dass selbst wenn eine abgemahnte Tätigkeit laut der entsprechenden Ausbildungs- oder Meisterverordnung des in Frage kommenden Handwerks als zentral erscheint, es sich nicht zwangsweise wirklich um eine wesentliche (und damit zulassungspflichtige) Tätigkeit im Sinne der Handwerksordnung handelt.
5. Keine wesentlichen Tätigkeiten
Keine wesentliche Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 HwO liegt in den Fällen des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3 HwO vor bei Tätigkeiten, die
- in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können,
- zwar eine längere Anlernzeit verlangen, aber für das Gesamtbild des betreffenden zulassungspflichtigen Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Fertigkeiten und Kenntnisse erfordern, auf die die Ausbildung in diesem Handwerk hauptsächlich ausgerichtet ist, oder
- nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind.
1. Einfache Tätigkeiten
Sog. einfache Tätigkeiten nach § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 HwO sind nicht zulassungspflichtig. Dabei handelt es sich um Tätigkeiten, die aufgrund ihres geringen Schwierigkeitsgrads keine qualifizierten Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzen, um einwandfrei ausgeübt werden zu können. Bei der Zeitspanne von drei Monate handelt es sich nur um einen Richtwert, von dem im Einzelfall abgewichen werden kann.
2. Nebensächliche Tätigkeiten
Nebensächliche Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 HwO sind solche Tätigkeiten, die zwar kurzfristig erlernbar, aber für das Gesamtbild des betreffenden zulassungspflichtigen Handwerks „nebensächlich“ sind. Laut BVerwG ist dies der Fall, wenn sie „untergeordnet und damit vom Typ her gesehen als unbedeutend oder unwesentlich erscheinen“ (BVerwG, Urt. v. 23.06.1983, Az. 5 C 37/81). Wie auch bei einer „einfachen Tätigkeit“ nach § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 HwO hängt es vom jeweiligen Einzelfall ab, wann eine solche nebensächliche Tätigkeit gegeben ist.
3. Nicht aus dem Handwerk entstandene Tätigkeiten
Eine wesentliche Tätigkeit im Sinne der HwO liegt auch nicht bei Tätigkeiten vor, die nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind. Dies trägt dem „dynamischen Handwerksbegriff“ Rechnung: Ergibt die historische Betrachtung des streitgegenständlichen Handwerks, dass eine Tätigkeit aus industriellen Arbeitsmethoden entstanden ist bzw. sich daraus entwickelt hat, so handelt es sich um eine nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstandene und damit nicht wesentliche Tätigkeit (VGH Mannheim, Beschl. v. 16.12.2005, Az. 6 S 1601/05).
4. Kumulationsverbot
Das Kumulationsverbot nach § 1 Abs. 2 S. 3 HwO besagt, dass zwar mehrere, oben genannte zulassungsfreie Tätigkeiten ausgeübt (kumuliert) werden können. Die Gesamtbetrachtung darf jedoch nicht ergeben, dass diese als „wesentliche Tätigkeiten“ eines bestimmten zulassungspflichtigen Handwerks angesehen werden. Dahinter steht die Überlegung, dass verhindert werden soll, dass ein zulassungsfreies Gewerbe entsteht, was wegen der Kombination „nebensächlicher“ oder „einfacher“ Tätigkeiten nahezu identisch zum jeweiligen Handwerksbetrieb ist.
C. Fazit
Handelt es sich bei einer beworbenen Tätigkeit um ein zulassungsbeschränktes Handwerk nach der Handwerksordnung und fehlt eine Eintragung in der Handwerksrolle, kann dies wettbewerbsrechtliche Ansprüche begründen. Ob eine Tätigkeit zulassungspflichtig im Sinne der Handwerksordnung ist, ist immer eine Frage des Einzelfalls.
Hinsichtlich der Eintragung in die Handwerksrolle gilt: Eingetragen wird nicht das Unternehmen als solches, sondern der Inhaber des Betriebs. Die HwO verlangt weiter, dass ein qualifizierter technischer „Betriebsleiter“ (welcher auch parallel der Inhaber sein kann) präsent ist. Qualifiziert heißt in diesem Zusammenhang, dass der Betriebsleiter die in den § 7 Abs. 1a bis 9 genannten Eintragungsvoraussetzungen (z.B. Meisterausbildung) erfüllt.
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1 Kommentar
Sie beziehen sich auf zulassungspflichtige Gewerke nach Anlage A HWO. Wenn jemand ein Gewerbe nach HWO Anlage B (zulassungsfreie Gewerke, die trotzdem in der Handwerksrolle eingetragen werden müssen) betreibt, gilt dafür dieser Beitrag auch oder droht hier keine Abmahnung?