Google Fonts reloaded: Zahlreiche Abmahnungen der RAAG-Kanzlei
Es will einfach nicht ruhig werden um Google Fonts. Erst die dubiosen Privat-Abmahner, dann die riesige Abmahnwelle in Österreich, später eine große Welle eines Berliner Rechtsanwalts und nun nimmt eine Kanzlei aus Meerbusch an Fahrt auf. Wer immer noch mit dynamisch eingebunden Schriftarten wie etwa Google Fonts arbeitet, bekommt wohl früher oder später ärgerliche Post.
[UPDATE 19.10.2022: Es existiert eine neue Fassung des Abmahnschreibens. Informationen dazu sowie ein aktualisiertes Muster-Reaktionsschreiben finden Sie hier .
I. Worum geht es?
Alleine am 30.09.2022 wurden der IT-Recht Kanzlei fünf Abmahnschreiben der „RAAG-Kanzlei“ des Dikigoros (griechische Bezeichnung für „Rechtsanwalt“) Nikolaos Kairis aus Meerbusch vorgelegt.
Dikigoros Kairis mahnt dabei jeweils für denselben Mandanten (der im Schreiben nur mit Vor- und Nachname benannt wird; eine Anschrift wird nicht angegeben - es handelt sich um einen weitverbreiteten Nachnamen, vermutlich aus dem asiatischen Raum) eine angebliche Datenschutzverletzung ab.
Diese stehe im Zusammenhang mit einer von dem Abgemahnten betriebenen Webseite, die der angebliche Mandant besucht haben will.
Dort sei der Schriftartendienst Google Fonts in einer die Rechte des angeblichen Mandanten verletzenden Weise eingebunden, weil die IP-Adresse an Google weitergegeben worden sein soll.
Im Abmahnschreiben wird dies dann wie folgt formuliert:
„Denn nach dem Aufruf Ihrer Website musste meine Mandantschaft feststellen dass Sie nicht die Zustimmung meiner Mandantschaft besitzen, seine IP Adresse zu nutzen bzw. an den Internet Konzern Google durch Nutzung von Google Fonts weiterzuleiten.
Diesen Verstoß kann meine Mandantschaft leicht durch Screenshots und andere Urkunden nachsehen. So wurden von unserer Mandantschaft mit folgenden Aufrufen seine IP übergeben.(…)
Demnach hat meine Mandantschaft aufgrund der von Ihnen gesetzten Handlung verschiedene Ansprüche nach der DSGVO und des BGB:“
Konsequent erfolgt sodann die Geltendmachung von Ansprüchen auf Löschung, Unterlassung, Schadenersatz und Kostenerstattung sowie auf Erteilung einer Auskunft über die verarbeiteten Daten nach Art. 15 DSGVO.
Zum angeblichen Schadenersatzanspruch wird ausgeführt, dass „Die Datenweitergabe (…) für meinen Mandanten einen tatsächlichen und wirtschaftlichen Nachteil spüren“ lässt. Deswegen bewerte Dikigoros Kairis den immateriellen Schadenersatzanspruch mit 140 Euro.
Hinsichtlich der Kosten wird ausgeführt:
„Sie haben die Kosten dieser anwaltlichen Tätigkeit zu tragen, da Sie durch die eigenmächtige Datenweitergabe rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben. Diese belaufen sich auf 30 € plus Auslagen von 20 €, die geschuldet sind.“
Sodann erfolgt in einem mit dem Absender „RAAG-Kanzlei, Dikigoros Kairis“ als Absender gekennzeichneten und mit „Rechnung Nr. [folgt Rechnungsnummer]“ überschriebenem Dokument eine „Liquidation über die entstandenen gesetzlichen Gebühren“.
Nicht nachvollziehbar ist hier zum einen, dass Dikigoros Kairis hier gegenüber dem angeblichen Verletzer zu liquidieren versucht, indem der Abmahnung eine Rechnung des Dikigoros Kairis beigefügt wird. Zum anderen wird in dieser Berechnung der „entstandenen gesetzlichen Gebühren“ eine Position „Schadenersatz“ mit einem Betrag von 140,00 € zzgl. MwSt. aufgenommen.
Warum eine angebliche Schadenersatzposition des angeblichen Mandanten Zugang in eine Berechnung gesetzlichen Gebühren einer anwaltlichen Tätigkeit Eingang findet, wird jedoch nicht erläutert.
In Summe wird dann die Zahlung von „Gebühren“ in Höhe von 190,00 Euro netto zzgl. MwSt., also brutto 226,10 Euro gefordert.
Wie auch schon bei hunderten weiteren Abmahnungen in Sachen Google Fonts geht es am Ende des Schreibens wieder um’s Geld:
Werde der Schadenersatz und die Kosten des Einschreitens des Dikigoros Kairis innerhalb einer Woche bezahlt, sollen sämtliche Ansprüche der angeblichen Mandantschaft verglichen sein und die angebliche Mandantschaft verpflichte sich, „keine weiteren juristischen Schritte aus dieser Cause“ gegen den Abmahnten einzuleiten.
Das Abmahnschreiben schließt mit dem Satz:
„Vorsorglich informiere ich Sie, dass mein Mandant mich in anderen gleichgeschalteten Fällen mit der Klage mandatiert hat.“
II. Was halten wir davon?
Und wieder einer mehr…
Die Thematik Google Fonts hat seit Mitte des Jahres bereits zu zehntausenden Abmahnschreiben geführt. Es will keine Ruhe einkehren.
Wer Google Fonts dynamisch einbindet, so dass die IP-Adresse des Seitenbesuchers ohne Einwilligung zu Google übertragen wird, macht etwas falsch. Google Fonts muss, wie alle anderen Fonts-Dienste, vom Seitenbetreiber lokal eingebunden werden, soll ein datenschutzkonformer Betrieb gewährleistet werden.
Wir können es hier nur nochmals predigen:
Prüfen Sie Ihre Webseiten und binden Sie, wird Google Fonts genutzt, diesen Dienst unbedingt lokal ein, so dass keine Verbindung zu den Servern von Google aufgebaut wird. Eine dynamische Einbindung von (Google) Web Fonts ist datenschutzrechtlich problematisch!
Eine Anleitung zur lokalen Einbindung von Google Fonts finden Sie hier.
Anscheinend werden auch hier erneut Abmahnungen in großer Anzahl für einen einzigen, angeblichen Mandanten ausgesprochen, so dass eine missbräuchliche Geltendmachung angeblicher Ansprüche (etwa im Sinne eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens) schon deswegen derzeit zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. Hierzu müssen aber natürlich die weiteren Entwicklungen abgewartet werden.
Verwunderlich ist zudem, dass der angebliche Mandant hier ausschließlich mit seinem (wohl eher häufig vorkommendem) Namen bezeichnet wird und eine Anschrift fehlt.
Teile des Abmahnschreibens sind inhaltlich zudem überhaupt nur schwer nachvollziehbar.
Warum hier – abweichend von der Rechtsprechung des LG München I, auf welche sich auch bezogen wird, 140 Euro als Betrag für den angeblichen Schadenersatzanspruch angesetzt werden, dazu wird nicht weiter ausgeführt. Ganz generell wird nicht substantiiert dazu vorgetragen, warum die angebliche Datenschutzverletzung auch zu einer Beeinträchtigung von persönlichkeitsrechtlichen Belangen geführt hat, die über ein bloßes Gefühl des Unbehagens hinausgehen.
Bei in großem Umfang ausgesprochen Google-Fonts-Abmahnungen schwingt zudem immer die Problematik des provozierten Datenschutzverstoßes mit. Aus der Vergangenheit ist zu anderen Abmahnvorgängen weiterer Abmahner bekannt geworden, dass die dortigen Abmahner sich technischer Hilfsmittel zum „Aufspüren“ dynamisch eingebundener Google Fonts bedient haben und in einigen Fällen die Verletzer-Webseite nur durch ein Software-Tool aufgerufen worden ist, nicht durch den Abmahner selbst. Eine Software kann aber nicht Opfer einer Datenschutzverletzung sein.
Jedenfalls sind derartige provozierte Datenschutzverstöße nicht gerade förderlich für den Abmahner in Bezug auf die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens, wenn sich ein Gericht hiermit im Detail beschäftigten müsste. Ferner dürfte dann auch ein erhebliches Mitverschulden des Schadenersatzgläubigers zu unterstellen sein, welches zu einer erheblichen Anspruchskürzung der Höhe nach führt.
In das Bild passt auch, dass sich der Abmahner hier weitere behauptete Ansprüche (u.a. auf Unterlassung) durch Zahlung der geforderten Summe für Schadenersatz und Kosten „abkaufen“ lässt.
Für die andernfalls geltend gemachte Datenauskunft dürfte es am Nachweis einer ausreichenden Vollmacht fehlen. Zudem ist die zu beauskunftende Person lediglich durch Nennung eines häufig vorkommenden Vor- und Nachnamens nicht ausreichend identifizierbar.
Vermutlich befinden wir uns am Anfang zahlreicher weitere Abmahnschreiben des Dikigoros Kairis.
Es würde sich dann um eine erneute Abmahnwelle in Sachen Google Fonts handeln.
In den bisherigen Wellen der Google-Fonts-Abmahnungen hat sich gezeigt, dass bei massenweisem Ausbringen entsprechender Schreiben überhaupt nur in sehr wenigen Fällen danach eine ernsthafte Rechtsverfolgung betrieben wird.
Ob dies hier ebenso gelagert ist, wird sich noch zeigen.
III. Muster-Verteidigungsschreiben für unsere Mandanten
Betroffene, die ebenfalls Abmahnpost des Dikigoros Kairis erhalten haben, sind jedenfalls gut beraten, sich von diesem Schreiben nicht einschüchtern zu lassen. Es sprechen doch einige Punkte gegen das Bestehen der behaupteten Forderung auf Zahlung eines Schadenersatzes von 140 Euro.
Seitenbetreiber, die von entsprechenden Abmahnungen betroffen sind, sollten sich mit entsprechenden Einwendungen gegen die Forderungen verteidigen.
Für Update-Service-Mandanten stellen wir im Folgenden ein kostenfreies Musterscheiben für eine Verteidigung gegen eines Abmahnung wegen angeblicher Datenschutzverletzung aufgrund Nutzung von Google Fonts durch Dikigoros Kairis zur Verfügung, ebenso wie ein Muster zur Erteilung einer Datenauskunft nach Art. 15 DSGVO.
Selbstverständlich können Sie auch als neuer Mandant der IT-Recht Kanzlei dann kostenfrei auf das folgende Musterschreiben zugreifen, wenn Sie eines unserer Schuztpakete beauftragen.
Im Regelfall können Sie bereits binnen weniger Stunden nach Auftragserteilung über das Musterschreiben sowie das Muster zur Erteilung einer Datenauskunft verfügen, um der Gegenseite zu antworten.
Ebenso schnell erhalten Sie dann auch Zugriff auf unser Muster zur Erteilung einer Datenauskunft nach Art. 15 DSGVO.
Und das Wichtigste: Mit dem Update-Service der IT-Recht Kanzlei bleiben Sie auf dem neuesten Stand, was rechtliche Anforderungen an Onlineauftritte und aktuelle Abmahnentwicklungen betrifft - für Ihre dauerhafte Rechtssicherheit.
[UPDATE 19.10.2022] Aufgrund einer neuen Fassung des Abmahnschreibens haben wir eine aktualisierte Version des Musterschreibens veröffentlicht. Bitte nutzen Sie die aktualisierte Version, wenn Ihr Abmahnschreiben die Überschrift "Persönlichkeitsrechtsverletzung Datenschutz „Google Fonts“ hier Abmahnung“ trägt.
Sie finden die aktualisierte Vesion hier
Das Musterschreiben ist hier abrufbar:
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IV. Fazit
Lokal, lokal, lokal und nochmals: Nur lokal!
Wir fassen uns beim Fazit dieses Mal sehr kurz, da anscheinend bei (hundert)tausenden Webseitenbetreibern bislang noch nicht angekommen ist, dass (Google) Web Fonts ausschließlich lokal eingebunden werden dürfen, soll das Ganze datenschutzkonform geschehen.
Eine Anleitung dazu finden Sie hier.
Prüfen Sie Ihre Webseite bzw. befragen Sie Ihren / einen Webtechniker, Webdesigner bzw. Ihre / eine Internetagentur, wenn Sie sich dazu technisch nicht in der Lage fühlen. Andernfalls droht Ihnen unangenehme Post.
Wir werden weiter natürlich berichten, wie sich das Abmahngeschehen durch Dikigoros Kairis entwickelt.
Werden Sie sicher, was Ihren Internetauftritt betrifft: Mit unseren Schutzpaketen ist dies ein Leichtes.
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
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9 Kommentare
Wenn alle Betroffenen Auskunft anfordern, kann er seine Abmahn-Bude dicht machen.
Ich wäre sofort dabei.
Nach dem Aufruf musste ich feststellen das auf dieser Webseite Google Analytics eingebunden ist. Dies ist auch in Ihrer Datenschutzerklärung so angegeben.
Im HTML-Code der Raag-Webseite wird bei jedem Aufruf ein Script direkt von www.googletagmanager.com eingebunden. Dieser Ladevorgang erfolgt direkt von einem Google-Server.
Da dies direkt schon bei ersten Aufruf Ihrer Webseite erfolgt wurden ohne meine Zustimmung persönliche Daten von mir zu Google in die USA übertragen.
böse böse böse - das ist der selbe Sachverhalt wegen die der Dikigoros Nikolaos Kairis mir eine Abmahnung und Zahlungsaufforderung geschickt hat :-()
Die Anwaltskanzlei Raag macht also das Selbe was mir vorgeworfen wird.
Müssen die sich jetzt selbst abmahnen?
Webseitenbetreiber binden OpenStreetMap über ein iframe bzw. durch den Abruf der Kartenbilder vom Server des Anbieters ein. Auf diese Weise erhebt die Map automatisch Daten zum User, unter anderem die IP-Adresse. Dabei handelt es sich um personenbezogene Daten. Seitenbetreiber müssen dafür Vorgaben aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) beachten. Das bedeutet: Informieren Webseitenbetreiber in ihrer Datenschutzerklärung Nutzer nicht darüber, wie, warum und in welchem Umfang sie Daten erheben und an OpenStreetMap versenden, erfüllen sie nicht die Voraussetzungen des deutschen Datenschutzes.
Jemand sollte diese Kanzlei wegen Verstoß gegen DSGVO abmahnen.... :)
Wir selbst haben in unserem Kundenkreis einen Fall dieser Abmahnung. Daher sind wir froh das wir ihn schon zu Beginn auf den Service hier hingewiesen haben.
Dennoch bleibt die Frage offen: was tun mit Google reCaptcha, welches selbst SDK eingebunden ist und dennoch Schriften aus seiner WebFont-Bibliothek zieht?
1. Es wird eine Rechnung gestellt
2. E-Mail Adresse Warum wird ausgerechnet dafür eine andere Endung benutzt und nicht dsgvo@raag-kanzlei.de
3. Die Kanzlei hat eine griechische Umsatzsteuer ID warum wird in dem Schreiben eine deutsche Steuernummer angegeben?
4. Es ist immer die gleiche Privatperson das deutet auf gewerbsmäßiges Abmahnen hin
Just my 50 Cent