Aktuelle Abmahnungen wegen Angabe "Voraussichtliche Versanddauer" als Lieferzeitangabe auf Amazon
Können Online-Händler ihre Waren nicht sofort liefern, stehen sie in der Pflicht, die Lieferzeit auf der Artikelseite anzugeben. Aktuell werden Online-Händler auf der Plattform Amazon wegen der Lieferzeitangabe "Voraussichtliche Versanddauer" abgemahnt. Die Abmahnerin bringt hierbei vor, dass die Lieferzeitangabe zu unbestimmt sei. Lesen Sie mehr zu den Hintergründen dieser Abmahnungen in unserem heutigen Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
- I. Gegenstand und Begründung der Abmahnung
- II. Unternehmer in der Zwickmühle
- III. Automatisierte Angabe hinsichtlich der Versanddauer auf Amazon
- IV. Amazon hält Angabe „voraussichtlich“ bzgl. der Lieferzeit als zulässig
- V. Fazit
- VI. Professionelle Amazon-AGB, Wiederrufsbelehrung & Co. der IT-Recht Kanzlei
I. Gegenstand und Begründung der Abmahnung
1. Rechtgrundlage
Unternehmer sind gem. § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Nr. 7 EGBGB verpflichtet, den Verbraucher über den Termin zu informieren, bis zu dem sie die Waren liefern oder die Dienstleistung erbringen müssen. Diese Informationspflicht gilt für „außerhalb von Geschäftsräumen“ geschlossene Verträge sowie für „Fernabsatzverträge“, somit auch für den Vertrieb von Waren auf Internetplattformen, wie Amazon oder eBay.
2. Abmahnung bei Zuwiderhandlung
Angaben wie „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ oder „Lieferzeit ca. 2-4 Werktage“ stellen nach ständiger Rechtsprechung Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne von §§ 305 ff. BGB dar.
Während letzterer Hinweis nach Auffassung des OLG München mit Beschluss vom 14.10.2014 (Az.: 29 W 1935/14) zulässig sein soll, verstoße nach Ansicht des OLG Bremen mit Urteil vom 05.10.2012 (Az.: 2 U 49/12) die Angabe „voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ gegen § 308 Nr. 1 BGB.
Die Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ ermögliche dem Verwender eine nicht hinreichend bestimmte Frist für die Erbringung der Leistung. Damit werden die dem Kunden im Falle einer Fristüberschreitung zustehende Rechte, vor allem auf Schadensersatz bei Nichtleistung oder Verzögerung der Leistung und Rücktritt vom Kaufvertrag, ausgehöhlt.
Der Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot erschwert es dem Kunden zudem, das Fristende selbst zu erkennen bzw. zu errechnen. Aufgrund der Relativierung der Angabe zur Versanddauer durch den Zusatz „voraussichtlich“ kann der Kunde somit nicht selbst zuverlässig einschätzen, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen die Fälligkeit eintritt und zu welchem Zeitpunkt er den Verkäufer in Verzug setzen kann.
Da es sich bei der Norm des § 308 BGB um eine Marktverhaltensregel zum Schutz der Verbraucher handelt, ist der Hinweis gem. § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG a. F.) nach Ansicht des OLG Bremen unlauter und es liege ein Wettbewerbsverstoß vor, aufgrund dessen Abmahnungen (unter anderem von Mitbewerbern) erfolgen können.
II. Unternehmer in der Zwickmühle
Unternehmer stehen vor einem Dilemma: Grundsätzlich können sie keine genauen Angaben zum Zeitpunkt des Eintreffens der Ware beim Käufer machen, sondern müssen einen Spielraum einrechnen. Der Grund dafür liegt beim Unternehmer selbst, insbesondere sind es zeitliche Schwankungen bis zur Versandauslösung. Hinzu kommt, dass Versanddienstleister meist ein bis zwei Werktage für die Regelzustellung veranschlagen.
Auf der anderen Seite obliegt den Unternehmern jedoch die Pflicht, Angaben zu einer bestehenden Lieferzeit zu machen, da der Verbraucher bei Fehlen einer Lieferzeitangabe davon ausgehen dürfte, dass der Verkäufer die bestellte Ware unverzüglich versendet.
III. Automatisierte Angabe hinsichtlich der Versanddauer auf Amazon
Auf der Plattform Amazon sind die Angaben zur Lieferdauer automatisiert vorgegeben, sodass dem Verkäufer keine andere Möglichkeit bleibt, als eine der von den Internetplattformen festgelegten Optionen auszuwählen.
Auf Amazon findet sich diese Angabe auf der jeweiligen Infoseite über den Unternehmer unter den Versandbedingungen des Verkäufers. Dort ist dann - ggf. auch mehrfach nach Versandart und Zielland unterteilt - folgende Angabe zu finden:
"Voraussichtliche Versanddauer: x-y Tage"
IV. Amazon hält Angabe „voraussichtlich“ bzgl. der Lieferzeit als zulässig
Der IT-Recht Kanzlei liegt das nachstehende Statement seitens Amazon vor, welches wir von einem Mandanten zur Verfügung gestellt erhalten haben:
"Wir halten die Formulierung "Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Tage" in der detaillierten Verkäuferinformation und die Formulierung „Versand voraussichtlich:“ auf der finalen Bestellseite für rechtlich in keiner Hinsicht zu beanstanden. Ebenso wie die auch vom OLG Bremen ausdrücklich als zulässig bezeichnete Formulierung „circa“ bedeutet auch die Formulierung „voraussichtlich“ eine rein objektive Einschätzung der Versanddauer, wie sie sich zum Zeitpunkt der Bestellung für den Verkäufer als realistisch darstellt."
Nach Ansicht von Amazon ist die Formulierung „voraussichtlich“ hinsichtlich der Lieferdauer somit zulässig und verweist auf ein Urteil des OLG Bremen aus dem Jahr 2012 (Az.: 2 U 49/12). Darin wird die Formulierung „circa“ als rechtmäßig angesehen. Für Amazon ist diese Bezeichnung mit der Formulierung „voraussichtlich“ gleichzusetzen und deswegen rechtlich unproblematisch.
Leider setzt sich Amazon selbst nicht mit dem Urteil des OLG Bremen grundlegend auseinander, da das Gericht seinerzeit explizit die Verwendung des Zusatzes "voraussichtlich" bei der Lieferzeitangabe als unzulässig eingestuft hatte. Gleichwohl erging das Urteil des OLG Bremen nicht im Zusammenhang mit der Lieferzeitangabe auf Amazon, es steht hierbei eine aktuelle Entscheidung über den Zusatz auf Amazon aus.
V. Fazit
Der Zusatz einer unbestimmten Angabe im Rahmen der Lieferzeitangabe, wie z.B. „voraussichtlich“, dehnt die Lieferfrist in einer Weise aus, die es dem Verbraucher in der Regel unmöglich macht, den Zeitpunkt der Lieferung nach zuverlässigen Kriterien zu ermitteln. Gerade im Hinblick auf die Rechtsfolgen einer verzögerten Lieferung, die eine Besserstellung des Empfängers durch Verzugsregeln bewirken sollen, führt eine durch ungefähre Lieferangaben inzident bewirkte Fristausweitung zur Unzulässigkeit dieses Hinweises. Das Miteinbeziehen von unbestimmbaren Modalitäten, die eine Verzögerung rechtfertigen würden, sollte deshalb dem Verbraucher nicht auferlegt werden.
Augenblicklich ist nicht davon auszugehen, dass Amazon die Lieferzeitangabe ändern wird, da Amazon selbst diese Angabe als zulässig ansieht, es wird daher einem gerichtlichen Verfahren vorbehalten bleiben, zu klären, ob die Ansicht Amazons Bestand haben oder fallen wird.
Eine zuverlässige Möglichkeit zur Entfernung des Zusatzes "voraussichtlich" aus den Lieferzeitangaben ist uns derzeit nicht bekannt. Zwar teilte uns ein Mandant mit, Amazon würde den vom OLG Bremen beanstandeten Hinweis nur dann einblenden, wenn bei der Versandstaffelung das Kriterium Gewicht oder Menge ausgewählt wird, würde hingegen als Kriterium der Warenwert ausgewählt, blende Amazon den Zusatz „Voraussichtliche Versanddauer“ nicht ein. Allerdings hatten uns bereits zahlreiche weitere Mandanten mitgeteilt, dass dieser Hinweis so nicht umsetzbar sei.
VI. Professionelle Amazon-AGB, Wiederrufsbelehrung & Co. der IT-Recht Kanzlei
Die IT-Recht Kanzlei bietet Online-Händlern, die Waren über Amazon vertreiben, eine Widerrufsbelehrung mit AGB und Datenschutzerklärung im Paket für folgende Länder an:
- AGB, Widerrufsbelehrung & Co 2014 für Amazon Deutschland
- AGB, Widerrufsbelehrung & Co 2014 für Amazon Frankreich
- AGB, Widerrufsbelehrung & Co 2014 für Amazon England
- AGB, Widerrufsbelehrung & Co 2014 für Amazon Spanien
- AGB, Widerrufsbelehrung & Co 2014 für Amazon Italien
- AGB für Amazon USA
Hinweis: Sie möchten rechtssicher auf dem Marketplace von Amazon handeln? Gerne stellen wir Ihnen unsere Rechtstexte für Amazon.de, Amazon.co.uk, Amazon.it und Amazon.es zur Verfügung. Informieren Sie sich hier.
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
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3 Kommentare
auch bei mir wird die "voraussichtliche" lieferzeit angezeigt.