Sind falsch angegebene Mehrwertsteuersätze per se abmahnfähig?

Sind falsch angegebene Mehrwertsteuersätze per se abmahnfähig?
07.08.2007 | Lesezeit: 4 min

Können im Internet angegebene Endpreise, bei denen eine zu niedrige Umsatzsteuer angesetzt wurde, durch eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung sanktioniert werden? Das OLG Oldenburg entschied sich dagegen, da in diesem Falle eine unlautere Wettbewerbshandlung nicht zu erkennen sei.

Um was ging es im Einzelnen?

Die Parteien waren Konkurrenten auf dem Markt des Handels mit Tiernahrungsmitteln. Ihr Sortiment umfasste jeweils „Knabberohren”, die aus Rinderohren hergestellt und von den Parteien zum Weiterverkauf in Deutschland eingeführt wurden. Die Klägerin vertrieb die Knabberohren als Tierfutter mit einem Umsatzsteuersatz von 16%. Die Beklagten boten die Knabberohren als „Kauspielzeug für den Hund” an und legten bei der Veräußerung an Einzelhandelsunternehmen den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % zu Grunde.

Die günstigere umsatzsteuerrechtliche Zuordnung setzte jedoch voraus, dass die angebotenen Erzeugnisse nach veterinärrechtlicher Beurteilung für die menschliche Ernährung auch tatsächlich geeignet bzw. genießbar sind. Eben darüber stritten sich die Parteien, wobei selbst die Steuerbehörden die ihnen vorgelegten Warenproben uneinheitlich beurteilt hatten.

Die Klägerin sah jedenfalls in der unterschiedlichen Besteuerung eine wettbewerbsverfälschende Ungleichbehandlung zu ihren Lasten und hat daher beantragt, die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, sogenannte „Knabberohren” (Rinderohren - Kauartikel für den Hund) mit einem Mehrwertsteuersatz von 7 % anzubieten und / oder in den Verkehr zu bringen.

Das OLG Oldenburg (30.11.2006, Aktenzeichen:1 U 74/06) hatte sich also unter anderem mit der Frage zu beschäftigen, ob der Klägerin ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch zustehen könnte.

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Entscheidung des OLG Oldenburg

Das OLG Oldenburg konnte im vorliegenden Fall keinen wettbewerbsrechtlichen Verstoß erkennen, wobei es hierzu mehrere Gründe aufzählte:

  • So seien die von den Beklagten angegebenen Endpreise, bei denen eine Umsatzsteuer von 7 % ausgewiesen wird, nicht irreführend. Eine Irreführung würde voraussetzen, dass bei dem Adressaten eine Vorstellung erzeugt werde, die mit den wirklichen Verhältnissen nicht im Einklang stehe. Eine solche Vorstellung werde jedoch im vorliegenden Fall nicht erzeugt.
  • Auch löse die Angabe, der Endpreis enthalte einen Umsatzsteuerbetrag i.H.v. 7%, bei den angesprochenen Verkehrskreisen zunächst nur die Vorstellung aus, dass der Veräußerer auf jeden Veräußerungsvorgang eine Umsatzsteuer an das Finanzamt in der angegebenen Höhe abführen bzw. im Wege des Vorsteuerabzuges geltend machen wird. Diese Angabe sei schon deshalb nicht irreführend, weil die Beklagte nicht in Wahrheit einen anderen als den prozentual ausgewiesenen Betrag an das Finanzamt abführte.
  • Zudem könne die Angabe, der Endpreis enthalte 7% Umsatzsteuer, allenfalls dann irreführend sein, wenn darin eine sachlich falsche Zusicherung zum USt-Satz liege und diese Angabe für den Käufer bei Weiterveräußerung von Bedeutung sei oder ihn gar binde. Das sei jedoch nicht der Fall. Der einfache Ausweis des selbst (zu niedrig) abgeführten Steuersatzes könne keine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung bewirken.
  • Nicht zuletzt sei es auch nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts, Gesetzesverstöße generell zu sanktionieren. Nicht jede Wettbewerbshandlung, die auf einem Gesetzesverstoß beruhe, sei zugleich wettbewerbswidrig. Hinzukommen müsse vielmehr, dass die verletzte Norm zumindest eine sekundäre Schutzfunktion zu Gunsten des Wettbewerbs aufweise. Die verletzte Norm müsse zumindest auch die Funktion haben, das Marktverhalten zu regeln und so gleiche Voraussetzungen für die auf diesem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen. Genau dies sei in Bezug auf die hier in Rede stehenden umsatzsteuerrechtlichen Regelungen nicht der Fall.

Auszug aus dem Urteil:

Das UStG knüpft zwar die Steuerpflicht an die Veräußerung von Waren, es regelt aber nicht die Veräußerung von Waren als Verhalten auf dem Markt. Durch die Besteuerung des Verkaufs liegt zwar die Umsatzsteuer besonders nahe an einer Regelung des Marktverhaltens in Form des Warenverkaufs. Das UStG regelt jedoch unmittelbar nur die Pflicht eines Unternehmers, im Fall eines Warenverkaufs Umsatzsteuer auf den Erlös zu zahlen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Verkaufes selbst werden nicht geregelt.

Und weiter:

Steuerrechtliche Normen verfolgen den Zweck, dem Staat die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben erforderlichen Finanzmittel zu verschaffen. Dies umfasst weder primär noch sekundär den Zweck, ein Interesse von Mitbewerbern oder Verbrauchern an einem bestimmten Marktverhalten anderer Marktteilnehmer zu schützen.

Fazit

Das OLG Oldenburg spricht eine deutliche Sprache: Das Inverkehrbringen von Waren zu einem - angeblich - unzutreffenden Mehrwertsteuersatz ist im wettbewerbsrechtlichen Sinne nicht relevant und damit auch nicht abmahnhähig. Das Urteil sollte nun dennoch nicht als genereller Freibrief für Online-Händler verstanden werden, nun mit willkürlichen Mehrwertsteuersätzen Kunden anzulocken. Vielmehr muss in diesem Zusammenhang auch auf die Besonderheit des vorliegenden Sachverhaltes aufmerksam gemacht werden. SO war es im vorliegendem Fall selbst unter Experten streitig, welcher Steuersatz (7 % oder 19 % ) in bezug auf die "Knabberohren" nun wirklich gilt.

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