Vertragsstrafe bei jedem Verstoß gegen eine Unterlassungserklärung?
Jede Abmahnung ist ärgerlich. Die größere Gefahr geht allerdings von Unterlassungserklärungen aus, die Online-Händler häufig vorschnell, ungeprüft und zu weitgehend abgeben. Sie können zu erheblichen Vertragsstrafe-Forderungen führen und Händler ruinieren. Gegenwehr ist aber möglich, wie dieser Beitrag zeigt.
Inhaltsverzeichnis
- 1) Unterscheidung von berechtigten und unberechtigten Abmahnungen
- 2) Unterlassungserklärung = Vertragliche Verpflichtung zur Unterlassung
- 3) Abwehrmaßnahmen gegen Vertragsstrafe-Forderungen
- (1) Unwirksamkeit der Unterlassungsverpflichtung
- (2) Kein Verstoß gegen Unterlassungsverpflichtung
- (3) Kein mehrfacher Verstoß
- (4) Kein schuldhafter Verstoß
- (5) Unangemessenheit der Höhe der Vertragsstrafe
- 4) Das Wichtigste in Kürze
1) Unterscheidung von berechtigten und unberechtigten Abmahnungen
Berechtigten Abmahnungen können Online-Händler vorbeugen, indem sie ihren Shop vollständig rechtskonform gestalten. Abmahnungen an sich können Händler aber nicht vermeiden, da es jeder Person möglich ist, Schreiben mit dem Titel "Abmahnung" an beliebige Personen zu versenden, egal ob per Briefpost oder E-Mail.
Unberechtigte Abmahnungen lassen sich manchmal auf den ersten Blick erkennen, auch durch das nicht geschulte Auge. In vielen Fällen lässt sich aber nicht sofort erkennen, ob ein Abmahnschreiben vollkommen oder teilweise berechtigt oder unberechtigt ist und es daher vielleicht sogar ignoriert werden kann. Das Einholen fachkundigen Rats ist daher stets empfehlenswert.
Ein Experte kann nicht nur die Berechtigung der einzelnen Unterlassungsforderungen aus einer Abmahnung prüfen und einschätzen, sondern auch sinnvolle Handlungsoptionen für den Abgemahnten identifizieren. Kritisch ist dabei - auch bei berechtigten Abmahnungen - vor allem die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Abgemahnte eine Unterlassungserklärung abgeben sollte.
2) Unterlassungserklärung = Vertragliche Verpflichtung zur Unterlassung
Hintergrund ist, dass die Abgabe einer Unterlassungserklärung zu einer strafbewehrten vertraglichen Verpflichtung des Abgemahnten führt, die in der Unterlassungserklärung angeführten Handlungen künftig zu unterlassen. Jeder Verstoß gegen die Unterlassungserklärung kann dazu führen, einen hohen Geldbetrag zahlen zu müssen.
Zwar scheint es für Abgemahnte eine einfache und schnelle Lösung zu sein, die vom Abmahnenden vorformulierte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und an die Gegenseite zurückzuschicken. Doch ist dies häufig ein Fehler:
- Nicht selten sind die vorformulierten Unterlassungserklärungen zu weit gefasst, so dass sich der Abgemahnte durch deren Abgabe zu teils deutlich mehr verpflichtet, als er zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr müsste.
- Zudem wirkt die Unterlassungsverpflichtung des Abgemahnten sofort ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Sind die abgemahntenen Gesetzesverstöße zu diesem Zeitpunkt noch nicht beseitigt, könnte daher bereits direkt ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung vorliegen, der zur Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe verpflichten würde.
- Abgemahnte sollten sich auch gut überlegen, ob sie in der Unterlassungserklärung künftiges Verhalten versprechen, das sie - etwa aus technisch-organisatorischen Gründen - nicht vollständig kontrollieren und daher auch nicht sicherstellen können. Zwar können nur schuldhafte Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung die Vertragsstrafe auslösen. Doch hierfür genügt bereits (leichte) Fahrlässigkeit, ein Maßstab, der schnell erreicht ist.
3) Abwehrmaßnahmen gegen Vertragsstrafe-Forderungen
Abgemahnte bzw. Unterlassungsverpflichtete sind hohen Vertragsstrafe-Forderungen nicht hilflos ausgesetzt. Vielmehr stehen ihnen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, die hohen Forderungen anzugreifen und zumindest auf einen Vergleich hinzuwirken, der sie bloß zur Zahlung einer viel niedrigeren Vertragsstrafe verpflichtet. Vor allem folgende Ansatzpunkte können hierfür nutzbar gemacht werden.
(1) Unwirksamkeit der Unterlassungsverpflichtung
Unterlassungsgläubiger können nur aus wirksamen Unterlassungserklärungen bzw. Unterlassungverpflichtungen die Zahlung einer Vertragsstrafe fordern. Ist eine Unterlassungsverpflichtung unwirksam, so besteht auch keine Pflicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe.
Verschiedene Gründe sind denkbar, weshalb eine Unterlassungsverpflichtung unwirksam sein könnte. Hierzu zählen zum Beispiel die fehlende Unterschrift oder sonstige Bestätigung des Abgemahnten. Auch die Unterzeichnung der Unterlassungserklärung durch eine hierzu nicht befugte Person kann - je nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls - im Ergebnis die Unwirksamkeit der Unterlassungsverpflichtung bedeuten.
(2) Kein Verstoß gegen Unterlassungsverpflichtung
Im Falle einer wirksamen Unterlassungsverpflichtung könnte eine Vertragsstrafe aber möglicherweise auch deshalb nicht zu zahlen sein, weil gar kein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung vorliegt.
Manche Unterlassungsverpflichtungen sind ungenau formuliert und bedürfen daher der Auslegung. Ob eine bestimmte Handlung tatsächlich ein Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung ist, hängt dann davon ab, wie die Unterlassungsverpflichtung in dieser Hinsicht zu interpretieren ist.
Nicht selten kommt in der Praxis vor, dass eine Unterlassungsverpflichtung umfassender formuliert ist als die entsprechende gesetzliche Pflicht. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob die Parteien vertraglich tatsächlich eine weitergehende Verpflichtung als das Gesetz vereinbaren wollten. Nach der Rechtsprechung ist eine vertragliche Unterlassungverpflegung in der Regel so auszulegen, dass sie ihrem Umfang nach der entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung entspricht. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Parteien eine über die gesetzliche Pflicht hinausgehende Verpflichtung begründen wollten.
(3) Kein mehrfacher Verstoß
Macht der Unterlassungsgläubiger geltend, der Unterlassungsschuldner habe mehrfach gegen eine Unterlassungsverpflichtung verstoßen, so muss die Vertragsstrafe je nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles möglicherweise dennoch nur einmal gezahlt werden.
Dies ist dann der Fall, wenn die mehreren Verstöße aus rechtlicher Sicht als ein Verstoß anzusehen sind, etwa bei einem engen räumlich-zeitlichen Zusammenhang. Wenn eine sog. natürliche Handlungseinheit vorliegt, die das Geschehen zusammenfasst, sprechen gute Argumente gegen eine mehrfache Verwirkung der Vertragsstrafe. Aber natürlich ist dies ein häufiger Diskussionspunkt zwischen den Parteien und könnte daher am Ende durch Gerichte zu klären sein.
(4) Kein schuldhafter Verstoß
Nicht jeder Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung führt automatisch zur Pflicht des Unterlassungsschuldner, die jeweils vereinbarte Vertragsstrafe zu zahlen. Vielmehr besteht diese Pflicht nur bei schuldhaften Verstößen, wenn der Unterlassungschuldner also vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Unterlassungverpflichtung verstoßen hat.
Allerdings genügt für Fahrlässigkeit das Vorliegen leicht fahrlässigen Verhaltens. In der Regel wird es dem Unterlassungsschuldner in der Praxis schwer fallen, überzeugend darzulegen und nachzuweisen, dass er gegen die Unterlassungsverpflichtung nicht einmal nur leicht fahrlässig verstoßen hat.
(5) Unangemessenheit der Höhe der Vertragsstrafe
Alleine weil eine Vertragsstrafe in einer bestimmten Höhe in der Unterlassungsverpflichtung angegeben ist und / oder bei einem späteren Verstoß gefordert wird, muss sie noch lange nicht gezahlt werden.
Vertragsstrafen müssen in ihrer Höhe angemessen sein, d.h. die Forderung von überzogenen Beträgen muss nicht akzeptiert werden.
Sind Unterlassungsschuldner mit hohen Vertragsstrafe-Forderungen konfrontiert, können sie sich gerichtlich dagegen wehren. Ist eine verwirkte Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch, so kann sie nach § 343 Abs. 1 BGB auf Antrag des Unterlassungsschuldners durch Urteil von einem Gericht auf einen angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Dabei ist bei der Beurteilung der Angemessenheit jedes berechtigte Interesse des Unterlassungsgläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse in Betracht zu ziehen.
Allerdings ist nach § 343 Abs. 1 Satz 3 BGB die Herabsetzung der Vertragsstrafe nach deren Entrichtung - also nach der Zahlung der Vertragsstrafe - ausgeschlossen. Wer eine geforderte Vertragsstrafe einmal gezahlt hat, kann demnach keinen Anteil wegen Unangemessenheit zurückfordern.
Hinweis: Wir unterstützen unsere Mandanten mit unseren Leistungen aus unseren Schutzpaketen dabei, ihre Online-Präsenzen im Einklang mit den vielen rechtlichen Vorgaben zu gestalten. Kommt es dennoch zu Abmahnungen, geben wir unseren Mandanten gerne eine Ersteinschätzung ab und helfen auf Wunsch auch bei Abgabe von Unterlassungserklärungen und der Abwehr von Vertragsstrafe-Forderungen. Sprechen Sie uns gerne noch heute an, wenn Sie sich für unsere Leistungen interessieren.
4) Das Wichtigste in Kürze
- Jede Abmahnung ist lästig, ob berechtigt oder unberechtigt, weil sie adressiert werden muss.
- Kritischer als die Abmahnungen selbst sind allerdings die Unterlassungserklärungen, die zu weitreichenden Unterlassungsverpflichtungen und hohen Vertragsstrafen führen können.
- Gegen hohe Vertragsstrafe-Forderungen sind Unterlassungsschuldner aber nicht machtlos. Vielmehr stehen ihnen je nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles einige Abwehrmittel zur Verfügung.
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