Abgelaufenes MHD: Darf man Lebensmittel noch verkaufen?
Tagtäglich landen in Deutschland tausende Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, im Müll. Dabei sind viele der Produkte noch einwandfrei und ohne Bedenken genießbar. Ob Händler abgelaufene Ware anbieten dürfen oder ob die Produkte doch in der Mülltonne landen müssen, erfahren Sie im Folgenden.
Inhaltsverzeichnis
- A. Vorab: Zum Sinn und Zweck des Mindesthaltbarkeitsdatums
- B. Mindesthaltbarkeitsdatum vs. Verbrauchsdatum
- C. Die Folge des Ablaufs des Mindesthaltbarkeitsdatums
- D. Die rechtlichen Stolpersteine für den Verkauf abgelaufener Ware
- E. Abgelaufene Ware und Lebensmittelsicherheit
- I. Abgelaufene Ware als „Lebensmittel“
- II. Abgelaufene Ware als „unsicheres“ Lebensmittel
- III. Bedeutung für die Praxis
- F. Fazit
A. Vorab: Zum Sinn und Zweck des Mindesthaltbarkeitsdatums
Das Mindesthaltbarkeitsdatum beschreibt den Zeitraum, innerhalb dessen der Konsument das Produkt auf jeden Fall ohne wesentliche Geschmacks- und Qualitätseinbußen sowie ohne jedes gesundheitliche Risiko konsumieren kann.
Mit anderen Worten: Der Produzent gewährleistet für diesen Zeitraum die Beibehaltung der spezifischen Produkteigenschaften. Voraussetzung ist natürlich, dass der Konsument das Produkt auch „richtig“ aufbewahrt.
Im Gegensatz dazu beschreibt das sogenannte Verbrauchsdatum den Zeitpunkt, ab dem sehr leicht verderbliche Lebensmittel eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen könnten.
B. Mindesthaltbarkeitsdatum vs. Verbrauchsdatum
Während ein Mindesthaltbarkeitsdatum lediglich aussagt, wie lange ein Lebensmittel die vom Hersteller spezifizierten Eigenschaften (etwa Geschmack, Farbe oder Geruch) bei korrekter Lagerung mindestens aufweist, definiert ein Verbrauchsdatum für leicht verderbliche Lebensmittel, ab welchem Zeitpunkt der Verzehr des Lebensmittel eine mögliche Gesundheitsgefahr darstellt.
Steht auf der Chipstüte also ein „mindestens haltbar bis:“, ist dies eher als Orientierungshilfe zur verstehen, bis zu welchem Zeitpunkt die Chips noch knusprig sind und ihren vollen Geschmack entfalten. Eine unmittelbare Gesundheitsgefahr geht von diesem Lebensmittel bei Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatums aber nicht aus; der Verzehr nach Ablauf ist unbedenklich.
Dagegen sollten Eier, auf deren Karton ein „zu verbrauchen bis:“ steht, nach Verstreichen des angegebenen Datums besser nicht mehr verzehrt werden. Hier droht eine Gesundheitsgefahr.
C. Die Folge des Ablaufs des Mindesthaltbarkeitsdatums
Im Gegensatz zu einem abgelaufenen Verbrauchsdatum bedeutet ein abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum also nicht, dass das Produkt nicht mehr die vom Hersteller angepriesenen Eigenschaften aufweist oder dass die Ware gar verdorben und deren Verzehr bedenklich ist.
Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum (erst kurze Zeit) abgelaufen ist, sind also häufig zu schade für die Mülltonne.
Doch dürfen Händler „abgelaufene“ Lebensmittel weiter verkaufen?
D. Die rechtlichen Stolpersteine für den Verkauf abgelaufener Ware
Bei der Beantwortung dieser Frage sind zwei rechtliche Stolpersteine zu beachten. Zum einen darf der Verbraucher nicht über die (Rest-)Haltbarkeit des Produkts getäuscht werden. Bei ihm darf also beim Kauf des Produkts nicht der Eindruck entstehen, das Mindesthaltbarkeitsdatum sei noch nicht abgelaufen.
Zum anderen ist der Aspekt der Lebensmittelsicherheit zu beachten. Nach Art. 14 der VO (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (kurz „VO 178/2002“)) dürfen Händler keine unsicheren Lebensmittel anbieten. Art. 14 VO 178/2002 normiert somit ein Vermarktungsverbot für unsichere Lebensmittel.
Während der erste rechtliche Stolperstein noch dadurch in den Griff zu bekommen ist, dass der Händler den Verbraucher ausdrücklich darüber informiert, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist bzw. bis zum Eintreffen der Ware beim Kunden voraussichtlich ablaufen wird und insoweit eine Täuschung des Verbrauchers ausschließen kann, ist der zweite Stolperstein die weitaus größere rechtliche Hürde für den Verkauf abgelaufener Produkte.
E. Abgelaufene Ware und Lebensmittelsicherheit
Konkret normiert das Vermarktungsverbot des Art. 14 VO 178/2002, dass Lebensmittel, die nicht sicher sind, nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen.
I. Abgelaufene Ware als „Lebensmittel“
Erste Voraussetzung des Vermarktungsverbots ist dementsprechend, dass es sich bei dem abgelaufenen Produkt überhaupt (noch) um ein „Lebensmittel“ i. S. d. Art. 14 VO 178/2002 handelt. „Lebensmittel“ sind nach Art. 2 VO 178/2002 alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Auch ein Lebensmittel, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, behält seinen Status als Lebensmittel bei. Dies ist selbst dann der Fall, wenn das Lebensmittel jetzt nicht mehr zum Verzehr, sondern zu anderen Zwecken bspw. als Dekoartikel vertrieben wird. Der Händler hätte es sonst in der Hand, durch eine schlichte Änderung des Verbrauchszwecks des Produkts das Vermarktungsverbot zu seinen Gunsten auszuhebeln.
Daraus folgt: Das Produkt ist und bleibt auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums ein Lebensmittel i. S. d. Art. 14 VO 178/2002.
II. Abgelaufene Ware als „unsicheres“ Lebensmittel
Kniffliger wird es bei der Beantwortung der Frage, ob ein solches Lebensmittel „unsicher“ i. S. d. Verordnung ist. Was darunter genau zu verstehen ist, regeln die weiteren Absätze des Art. 14 VO 178/2002. So gelten Lebensmittel nach Art. 14 Abs. 2 VO 178/2002 als nicht sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie entweder gesundheitsschädlich sind und/oder zum Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind.
III. Bedeutung für die Praxis
Den Händler, der Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, weiterhin zum Verkauf zum Zwecke des Verzehrs anbieten möchte, treffen erhöhte Sorgfaltspflichten.
Er muss trotz des überschrittenen Mindesthaltbarkeitsdatums sicherstellen können, dass die Ware einwandfrei ist. Dies kann etwa durch entsprechende Stichproben aus derselben Charge mit gleichem Mindesthaltbarkeitsdatum erfolgen.
Der Händler darf nur sichere Lebensmittel bereitstellen. Kommt er bei einer entsprechenden Kontrolle zu dem Ergebnis, dass das „abgelaufene“ Lebensmittel nicht mehr von einwandfreier Qualität ist, darf die Ware nicht mehr verkauft werden.
Damit bleibt festzustellen, dass es – eine einwandfreie Qualität der Ware vorausgesetzt – kein gesetzliches Verbot gibt, Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum noch abzuverkaufen.
Im Onlinehandel kommt jedoch erschwerend hinzu, dass die Ware noch an den Kunden versendet werden muss. Entweder durch entsprechenden Zeitablauf oder durch die Versandbedingungen (z.B. bei Kühlware) kann die Qualität des Produkts damit auf dem Versandweg „kippen“.
Da eine entsprechende Prognose, ob das Lebensmittel auch nach dem Eintreffen beim Kunden trotz abgelaufenem Haltbarkeitsdatum noch von einwandfreier Qualität ist, bei Frisch- bzw. Kühlware unmöglich zu treffen sein dürfte, empfiehlt sich bei solchen Waren kein Abverkauf im Versandweg bei überschrittenem Mindesthaltbarkeitsdatum.
F. Fazit
Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum (erst kurz) abgelaufen ist, sind häufig zu schade für die Mülltonne.
Weist der Händler ausdrücklich auf den Umstand der Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums hin und kann er sicherstellen, dass das Lebensmittel noch von einwandfreier Qualität, also sicher ist, darf die Ware noch abverkauft werden.
Lebensmittel, deren Verbrauchsdatum überschritten wurde, dürfen dagegen keinesfalls mehr verkauft werden.
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9 Kommentare
Habe ich ein Rückgaberecht?
Hätte der Kunde jetzt theoretisch auch rechtlich eine Handhabe, mich wegen der Verkaufs abgelaufener Ware zu belangen oder gilt die versiegelte Dose bis zum letzten Tag des aufgedruckten MHD als nicht abgelaufen?
Dazu natürlich der Hinweis: Ich gebe in meinem Shop immer das korrekte MHD an, ebenso die Verzehrsmenge. Das Problem war also immer, dass die Kunden nicht ordentlich nachgedacht bzw. alle verfügbaren Angaben gelesen hatten, nicht, dass ich etwa "alte" Ware undeklariert verkaufen würde!
Es ist also nicht hinreichend, dass man den ABLAUF des MHD ankündigt.
Das MHD sollte immer angegeben sein. Bei dem Affentanz, den wir um Cookies und Datenschutz treiben, sollte der Aufwand minimal sein.
Ein Händler, der große Chargen vom Hersteller oder Großhändler bezieht, erhält immer auch die Charge digital mit. Ein weiteres Datenfeld mit dem MHD ist dort kein Aufwand. Dass der Handel sich damit nur einen Gefallen täterätä (Qualität, Vertrauen, Kundenbindung), wird wohl vor allem von diesem selbst nicht gesehen.
Wenn ein Kochschinken über NHD ist und in die frischetheke geräumt wird , die Kunden werden nicht informiert das der Kochschinken über MHD ist. Ist das dann also trotzdem erlaubt?
wie sieht es denn bei Einwegmasken aus, die trocken und sicher gelagert worden sind. Auf der einen Packung von Hersteller A ist eine Sanduhr aufgedruckt, auf der 2. Packung nur ein Fabrikationsdatum und kein MHD.
Darf so etwas verkauft werden? Oder hat zum Beispiel Toilettenpapier ein MHD oder Druckerpapier?
Mit freundlichen Grüssen
Da ich als Verbraucher immer mal wieder
mit einem solchen Umstand konfrontiert bin, würde mich Ihre Einschätzung hierzu sehr interessieren. (Konkret geht es um ein bestimmtes Trinkschokoladenpulver mit Marzipangeschmack. Auch einmal erlebt: Frische Schafsmilch, deren MHD seit 9 Stunden abgelaufen war. Der Verkauf wurde mir verweigert, obwohl ich dem Geschäftsführer versicherte, dass die Milch sofort zu Käse weiterverarbeitet würde.)
Ein prominenter Discounter überklebt das MHD (zumindest Tag und Monat) und bietet ohne weiteren Hinweis die Fleischware zum Verkauf an.
Ist das zulässig?
MfG