Ist der Verkauf von "gebrauchten" eBooks zulässig?
Am 05.03.2013 entschied das LG Bielefeld (Az.: 4 O 191/11), dass ein in den AGB geregeltes Weiterveräußerungs- und Kopierverbot von Hörbüchern und anderen Multimediadateien keine unangemessene Benachteiligung der Käufer darstelle und damit der Weiterverkauf von „gebrauchten“ eBooks untersagt werden könne. Lesen Sie mehr über das spannende Urteil des LG Bielefeld in unserem Artikel.
I. Was war denn eigentlich geschehen?
Ein Telemediendienst bot auf seiner Homepage Bücher, Filme, eBooks und Hörbücher an. Die Hörbücher konnten sowohl auf einem Datenträger als auch als Download erworben werden. Entschied sich der Käufer für einen Download, wurden die Daten gegen Entgelt auf den häuslichen Datenträger des Käufers transferiert. Zuvor hatte der Käufer jedoch den AGB des Telemediendienstes zuzustimmen, in denen unter anderem folgende Klausel enthalten war:
"§ 10 (3): Im Rahmen dieses Angebotes erwirbt der Kunde das einfache, nicht übertragbare Recht, die angebotenen Titel zum ausschließlich persönlichen Gebrauch [...] zu nutzen. Es ist nicht gestattet, die Downloads in irgendeiner Weise inhaltlich und redaktionell zu ändern oder geänderte Versionen zu benutzen, sie für Dritte zu kopieren, öffentlich zugänglich zu machen bzw. weiterzuleiten, im Internet oder in anderen Netzwerken entgeltlich oder unentgeltlich einzustellen, sie nachzuahmen, weiterzuverkaufen oder für kommerzielle Zwecke zu nutzen."
Außerdem hatte der Telemediendienst in den AGB auch Begriffe wie „Kaufvertrag“, „Kaufpreis“ und „Lieferung“, demnach klare Begrifflichkeiten aus dem Rechtsbereich des Kaufrechts benutzt.
Hierin sah die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB. Die Verbraucherzentrale vertrat die Ansicht, dass einerseits der Telemediendienst durch die AGB-Klausel die Rechte des Käufers in unzulässiger Weise auf ein „einfaches Nutzungsrecht“ einschränke, andererseits widerspräche diese AGB-Klausel der berechtigten Kundenerwartung, die erworbene Ware, egal ob körperlich oder unkörperlich, weiter veräußern bzw. kopieren zu können. Diese Kundenerwartung werde im übrigen auch durch die Verwendung kaufvertraglicher Begriffe untermauert, da diese Eigentumserwerb suggerierten.
II. Die Entscheidung des LG Bielefeld
1. Kunde erwirbt nur ein einfaches Nutzungsrecht am eBook
Das LG Bielefeld erteilte der Ansicht der Verbraucherzentrale Bundesverband eine Absage. Dabei widmete es sich zunächst der Frage, welches Recht der Käufer eines Downloads eigentlich erwerbe, und ob die bloße Einräumung eines Nutzungsrechts eine unzulässige Verkürzung dieses eigentlich erworbenen Rechtes sein könnte. Dazu führte das LG Bielefeld aus:
"Wesentliche Vertragspflicht der Beklagten [also des Telemediendienstes] ist die Pflicht zur Verschaffung des dem Kunden versprochenen Rechts. Der primäre Vertragszweck ist im vorliegenden Fall der Erwerb einer Nutzungsmöglichkeit an einem Hörbuch oder eBook. Dies beinhaltet die Ermöglichung des Downloads und des beliebig oft wiederholenden Anhörens oder Ansehens der Datei auf dem heimischen Datenträger; mehr jedoch nicht."
Und dieser Vertragspflicht sei der Telemediendienst auch uneingeschränkt nachgekommen. Das „einfache Nutzungsrecht“, wie es die AGB vorsähen, sei ja gerade wesentlicher Vertragsinhalt, und könne daher auch keine unzulässige Verkürzung darstellen.
Im Übrigen erwerbe der Käufer ja auch kein Eigentum an den Daten (weil dies aufgrund der Unkörperlichkeit von Daten schon nach dem BGB unmöglich ist), so dass der Hinweis auf das Nutzungsrecht bloß klarstellende Bedeutung habe.
2. Weiterveräußerungs- und Kopierverbot in AGB
Weiterhin sei auch der Ausschluss der Weiterveräußerung und des Kopierens der erworbenen Datei nicht unzulässig. Dazu das LG Bielefeld führte hierzu aus:
"Das nachvollziehbare Interesse der Beklagten an der Verhinderung eines unkontrollierbaren und möglicherweise urheberrechtsverletzenden Sekundärmarktes überwiegt vorliegend das sekundäre Weiterveräußerungsinteresse des Verbrauchers. [...] Denn bei Dateien besteht die Besonderheit, dass diese verlustfrei, praktisch ohne Gebrauchsverlust, digital übertragen werden können, ohne dass der ursprüngliche Veräußerer hieran partizipiert."
Diese Besonderheit des Online-Handels sei dem durchschnittlichen Verbraucher auch bekannt, so dass er auch mit erhöhten rechtlichen Beschränkungen zu rechnen habe.
3. Die Verwendung kaufrechtlicher Begriffe
Die Benutzung kaufrechtlich geprägter Begriffe sei nach Ansicht des Gerichts dem auch nicht abträglich, da dies nicht als Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu sehen sei, sondern vielmehr der terminologischen Vereinfachung diene. Denn laut LG Bielefeld seien
"...kaufrechtliche Begriffe [...] dem Laien bekannt und für diesen nachvollziehbar. Unbekanntere urheberrechtliche Formulierungen würden dagegen lediglich zu Verwirrung führen mit dem Ergebnis, dass der Verbraucher vom Erwerb der Datei Abstand nehmen könnte."
III. Europarechtliche Dimension
1. Grundlegende Überlegungen
Nun befinden wir uns ja aber im Bereich des Verbraucherschutzes und des Urheberrechtes - beides Rechtsgebiete, in denen die Europäische Union (und insbesondere der Europäische Gerichtshof) mittlerweile ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat. Daher kam das LG Bielefeld auch nicht umhin sich europarechtlichen Fragen zu widmen, in conrecto sich die Frage zu stellen, ob ein Weiterveräußerungs- und Kopierverbot in AGB nicht etwa den Vorgaben des Unionsrechts widerspräche.
Dazu stellte das LG Bielefeld zunächst fest, dass die Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes über § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB Eingang in die Inhaltskontrolle der AGB fänden. Die Grundgedanken des UrhG hätten also eine Leitbildfunktion bei der gerichtlichen Kontrolle der AGB.
Einer dieser Grundgedanken ist der sogenannte „Erschöpfungsgrundsatz“ des § 17 Abs. 2 UrhG, wonach urheberrechtlich geschützte Werke dann, wenn sie durch Verkauf in den freien Warenverkehr gebracht wurden, grundsätzlich auch weiterveräußerbar sind. Das Recht des Urhebers ist also mit Erstverkauf „erschöpft“. Allerdings setze diese Erschöpfung laut LG Bielefeld
„...nach traditioneller Auffassung ein körperliches Werkstück voraus, da der Grundsatz nur die Verkehrsfähigkeit von Waren schützt, in denen das Werk verkörpert ist, und nicht die von einem Werkexemplar ungebundene Übermittlung erlaubt.“
Kurz gesagt sei der Erschöpfungsgrundsatz also nach dem LG Bielefeld nicht anwendbar, da es sich bei Downloads um unkörperliche Waren handele (und gerade nicht um körperliche Waren, wie dies beim klassischen Buch der Fall ist), zudem sei die Online-Übermittlung schon keine Verbreitungshandlung im Sinne des § 17 Abs. 2 UrhG, was allerdings zwingend notwendig wäre, um eine Erschöpfung nach urheberrechtlichen Maßstäben annehmen zu können.
2. Auch EuGH-Rechtsprechung zur Gebrauchtsoftware führe zu keiner anderen Beurteilung
Allerdings stellt das UrhG (bzw. ein Großteil seiner Vorschriften) die Umsetzung einer EU-Richtlinie dar, so dass also bei der Auslegung von § 17 Abs. 2 UrhG die Vorgaben des Unionsrechts und insbesondere des EuGH zu berücksichtigen sind.
Mt Entscheidung vom 03. Juli 2012 hatte der EuGH (Rs.: C 128/11) entschieden, dass bei Computerprogrammen durchaus eine Erschöpfung eintrete, selbst wenn das jeweilige Computerprogramm als Download erworben und dieses schon benutzt wurde, so dass ein Weiterveräußerungs- und Kopierverbot durchaus dem Grundgedanken des § 17 Abs. 2 UrhG widerspräche und folglich auch in AGB unzulässig sei.
Das LG Bielefeld sah jedoch einen erheblichen Unterschied zwischen Dateiendownloads von Gebrauchtsoftware und Dateiendownloads von Multimediadaten, wobei es sich offensichtlich davor scheute, diesen Unterschied zu verdeutlichen. Vielmehr berief es sich darauf, dass der EuGH seine Entscheidung ja vor allem auf die Richtlinie 2009/24/EG gestützt hätte, die speziell nur für Computerprogramme anwendbar sei, nicht hingegen für Multimediadaten.
Eine Übertragbarkeit des Urteils sei aufgrund der Verschiedenheit zwischen Dateiendownloads von Gebrauchtsoftware und Dateiendownloads von Multimediadaten nicht möglich, da es sich bei Multimediadateien eben nicht um Computerprogramme handele. Die AGB-Regelung eines Weiterveräußerungs- und Kopierverbotes verstoße folglich auch nicht gegen Vorgaben des EU-Rechts und sei damit auch unionsrechtlich unbedenklich.
IV. Kommentar
Das Urteil des LG Bielefeld mag leider gerade betreffend des Punktes zur Entscheidung des EuGH nicht ganz überzeugen. Es ist zwar einzusehen, dass sich ein Computerprogramm von einer Multimediadatei unterscheidet, da letztere beim Anwenden nicht verändert wird, doch stellt dies das LG weder dar, noch begründet es ausreichend, weshalb das Datenpaket Computersoftware sich vom *Datenpaket Multimediadatei" unterscheiden soll. Wenn nach der Rechtsprechung des EuGH die Erschöpfungswirkung beim Download von Computerprogrammen mit der bloßen Speicherung der Downloaddatei auf dem heimischen Datenträger eintritt, und nicht etwa mit dem Beginn der Installation, dann ist nicht nachvollziehbar, weshalb dies bei Downloads von Multimediadateien anders zu beurteilen sein sollte.
Des Weiteren hatte der EuGH in obiger Entscheidung gerade bekräftigt, dass die Veräußerung per CD oder DVD einer Veräußerung durch Herunterladen wirtschaftlich gleichgestellt ist. Die Online-Übertragung entspricht funktionell der Aushändigung eines materiellen Datenträgers. Die Richtlinie 2009/24/EG bestätigt diese Sichtweise zudem.
Demzufolge muss auch die dem UrhG zugrundeliegende Richtlinie 2001/29/EG vor diesem Hintergrund gelesen zu werden, so dass die Unterscheidung zwischen körperlichem und unkörperlichem Werk nicht verständlich erscheint, insbesondere, da keine qualitativen Unterschiede zwischen Computerdaten und Multimediadaten zu erkennen sind.
V. Fazit
Per Download erworbene Multimediadateien dürfen laut LG Bielefeld also weder weiterveräußert noch kopiert werden. Der Ausschluss eines solchen Rechts in AGB sei zulässig und stelle keine ungerechtfertigte Benachteiligung des Käufers dar. Die Einräumung eines „einfachen Nutzungsrechts“ sei ebenfalls bloß klarstellender Natur, und daher ebenfalls zulässig.
Allerdings ist das letzte Wort in Sachen Verkauf "gebrauchter" eBooks noch nicht gesprochen, da die Argumentation des LG Bielefeld nicht vollends überzeugen kann. Dem EuGH zufolge ist nämlich die Aushändigung eines materiellen Datenträgers dem Herunterladen einer Datei sowohl wirtschaftlich, als auch funktionell vergleichbar. Wieso also die Weiterveräußerung von CDs oder DVDs möglich, der Weiterverkauf von Multimediadateien jedoch ausgeschlossen sein soll, kann das LG Bielefeld nicht überzeugend und stichhaltig begründen.
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