Der Verkauf von Alkohol im Internet – ohne Altersprüfung möglich?
Bei Bildträgern ist bekannt, dass Kennzeichnungs- und Kontrollpflichten bei der Abgabe im Online-Handel bestehen. Was aber gilt für den Verkauf und die Abgabe von Alkohol im Versandhandel? Kann der Online-Händler Alkohol frei im Internet anbieten und ohne Alterskontrolle versenden? Der nachstehende Beitrag setzt sich mit dieser Frage näher auseinander.
1. Rechtslage beim Versand von Bildträgern
Um die gesetzliche Regelung für den Alkoholversand besser zu verstehen, sollte man sich zuerst die gesetzliche Lage für sog. Bildträger (z.B. DVDs, Blu-Rays oder Computer- und Konsolenspielen) näher betrachten. In Bezug auf Bildträger bestimmt das deutsche Jugendschutzrecht (§ 12 Abs. 1 JuSchG) , dass diese nur Kindern und Jugendlichen zugänglich gemacht werden dürfen, wenn die Bildträger eine Alterskennzeichnung erhalten haben und die jeweilige Freigabe eine Abgabe an Personen der betreffenden Altersstufe vorsieht. Diese Vorschrift gilt insbesondere auch für den Bereich des Versandhandels.
Das Jugendschutzgesetz regelt ausdrücklich, dass nicht gekennzeichnete bzw. als „Keine Jugendfreigabe“ gekennzeichnete Trägermedien nicht im Versandhandel angeboten werden dürfen. Unter Versandhandel ist jedes entgeltliche Geschäft zu verstehen, das im Wege der Bestellung und Übersendung einer Ware durch Postversand oder elektronischen Versand ohne persönlichen Kontakt zwischen Lieferant und Besteller oder ohne dass durch technische oder sonstige Vorkehrungen sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt, vollzogen wird (§ 1 Abs. 4 JuSchG) . Wer damit nicht unter den Begriff des Versandhandels fallen möchte, muss durch technische oder sonstige Vorkehrungen sicherstellen, dass der Versand von nicht gekennzeichneten bzw. als „Keine Jugendfreigabe“ gekennzeichnete Trägermedien nicht an Kinder oder Jugendliche versendet wird.
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2. Rechtslage beim Versand von Alkohol
Zentrale Vorschrift für die Beurteilung der Frage ist § 9 JuSchG, dieser bestimmt in Absatz 1 (Hervorhebungen durch den Zitierenden):
(1) In Gaststätten, Verkaufsstellen oder sonst in der Öffentlichkeit dürfen
1. Branntwein, branntweinhaltige Getränke oder Lebensmittel, die Branntwein in nicht nur geringfügiger Menge enthalten, an Kinder und Jugendliche,
2. andere alkoholische Getränke an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren
weder abgegeben noch darf ihnen der Verzehr gestattet werden.
Auffallend ist, dass das Jugendschutzgesetz im Gegensatz zur Vorschrift des § 12 JuSchG (Regelung der Abgabe von Bildträgern) gerade nicht den Versandhandel nennt. Das Landgericht Koblenz (Beschluss vom 13.08.2007, Az.: 4 HK O 120/07) hatte bislang als erstes, uns bekanntes Gericht über die Frage zu entscheiden gehabt, ob beim Verkauf und Versand von Alkohol (im dortigen Streit war eigentlich nur die Frage des Tabakversands streitig gewesen) ohne Altersprüfung möglich ist. Das Gericht führte in seinen Entscheidungsgründen folgendes aus (Hervorhebungen durch den Zitierenden):
Die für den Tabakwarenvertrieb einschlägige Norm des § 10 JuSchG enthält Regelungen zur Abgabe von Tabakwaren in Gaststätten sowie sonst in der Öffentlichkeit und zum Automatenverkauf. Entsprechendes gilt für den Alkoholverkauf (§ 9 JuSchG) . Im Gegensatz hierzu wird beim Vertrieb von Trägermedien ausdrücklich auf den Versandhandel, der in § 1 Abs. 4 JuSchG legaldefiniert ist, rekurriert und es werden entsprechende Anforderungen festgelegt (§§ 12 Abs. 3 Nr. 2; 15 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG) .
Sodann führte das LG Koblenz weiter aus:
Die Kammer vermag sich der Auffassung der Antragstellerin, der Versandhandel werde vom Verbot der Abgabe "sonst in der Öffentlichkeit" erfasst, nicht anzuschließen. Der Gesetzeswortlaut beinhaltet ein solches Verbot nicht. Eine analoge Anwendung des Gesetzes auf den Versandhandel kommt nicht in Betracht. Eine solche setzt eine planwidrige Lücke voraus, die indes nach Auffassung der Kammer nicht vorliegt. Wenn der Gesetzgeber es beim Vertrieb von Tabakwaren ausdrücklich vermeidet, - Gegensatz zum Vertrieb von Trägermedien - eigens definierte Begrifflichkeiten zum Verbot einer bestimmten Absatzart zu verwenden, lässt sich hieraus schließen, dass ein solches Verbot nicht existieren soll. Der Fernabsatz von Tabakwaren ist daher - bis zu einer entgegenstehenden entsprechenden gesetzlichen Regelung - auch ohne die von § 1 Abs. 4 JuSchG geforderten technischen Vorkehrungen (Altersverifikationssysteme) zulässig.
Das Gericht qualifizierte den Verkauf und Versand von Alkohol nicht als „sonst in der Öffentlichkeit“ im Sinne des § 9 Abs. 1 JuSchG. Nach Ansicht des Gerichts wäre der Verkauf und Versand von Alkohol über das Internet ohne jegliche Kontrollpflichten hinsichtlich des Alters des Käufers für den Händler möglich.
Diese Auffassung des LG Koblenz erfährt Kritik in der Literatur (Liesching in MMR 2007, 725). Der Autor kritisiert, dass nach Auffassung des LG Koblenz der Versand von Alkohol an Kinder und Jugendliche unbeschränkt möglich sei. Weiter vertritt der Autor die Ansicht, dass der Internetversand von Alkohol in der Öffentlichkeit stattfinde und damit als „sonst in der Öffentlichkeit“ im Sinne der gesetzlichen Vorschrift erfolge. Nach dieser Rechtsauffassung wäre § 9 JuSchG anwendbar, die Folge wäre, dass Online-Händler die Abgabebeschränkung des § 9 JuSchG einhalten müssten.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vertritt in seiner das Jugendschutzrecht erläuternden Broschüre die Ansicht, dass der Verkauf von Alkohol der Vorschrift des § 9 JuSchG unterfalle, dies wird wie folgt begründet:
Auch der Versandhandel mit Alkohol (etwa auf Telefon- oder Internetbestellung) unterfällt dem Abgabeverbot. Denn auch das Merkmal der „Öffentlichkeit“ ist bei der Zustellung im öffentlichen Raum gegeben.
Als weiteres Argument gegen die Auffassung des LG Koblenz lässt sich anführen, dass der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 9 JuSchG, Kinder und Jugendliche effektiv vor den Gefahren des Alkoholkonsums zu schützen, für eine Anwendung des § 9 JuSchG auf den Versandhandel von Alkohol spricht.
Weiter lässt sich das Argument anbringen, dass die Ansicht, das Internet als „sonst in der Öffentlichkeit“ zu qualifizieren, auch mit der Entstehungsgeschichte des Jugendschutzgesetzes zu vereinbaren wäre. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Jugendschutzgesetzes (im Jahre 2003) dürfte der Vertrieb von Alkohol im Wege des Versandhandels, insbesondere im Internet, noch keinen nennenswerten Umfang gehabt haben, so dass für den historischen Gesetzgeber die drohende Gefahr des massenhaften Anbietens und Versands von Alkohol nicht erkekennbar gewesen sein dürfte.
Der Ansicht, dass der Online-Verkauf von alkoholischen Produkten unter die Beschränkungen des § 9 JuSchG fällt, schließt sich auch Frau Kirsten Trittermann (Jugendschutz - Leitfaden für die Praxis) an, leider wird diese Ansicht nicht näher begründet.
3. Fazit
Bislang liegt nur eine gerichtliche Auffassung hinsichtlich des Anbietens und Versands von Alkohol über das Internet vor, diese Ansicht des LG Koblenz kann als durchaus händlerfreundlich angesehen werden. Eine gesicherte Rechtsprechung ist hierin aber noch nicht zu erkennen. Es sprechen gute Gründe für eine Alterskontrolle bei der Abgabe von Alkohol über das Internet, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich zukünftige Gerichtsentscheidung gegen den Beschluss des LG Koblenz richten werden und die Abgabebeschränkungen des § 9 JuSchG einzuhalten sind.
Wer sicher handeln möchte, der führt bereits jetzt eine Altersprüfung beim Verkauf und Versand von Alkohol durch.
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4 Kommentare
Verständlicherweise...
Beic recherche findet sich tonnenweise harter Alkohol in diesen Anzeigen, die doch vor Veröffentlichung allesamt geprüft werden. Wie kann es sein, dass dort noch niemand eingegriffen hat?
Ist es legal als Privathändler Alkohol über das Internet zu verkaufen?
Die Aussage des Ministeriums ist durchaus skeptisch zu sehen. Die Mehrheit der Bevölkerung dürfte davon ausgehen, dass der eigene Briefkasten, die eigene Türschwelle oder das gemietete Fach in der Packstation gerade KEIN öffentlicher Raum ist.
Mit dem Begriff der Öffentlichkeit wollte der Gesetzgeber nicht den Versandhandel erfasst sehen, sondern vielmehr vom privaten Bereich abgrenzen, um z.B. das Nippen des Kindes am Sektglas beim Familienfest nicht zu kriminalisieren.
Das Argument, der Gesetzgeber konnte 2003 noch nicht mit dem Versand von Alkoholika rechnen und habe daher die Bezugnahme auf den Versandhandel in § 9 JSchG schlicht vergessen, ist zudem gewagt, zumal er die Bezugnahme damals für Medienprodukte explizit aufgenommen hatte. Der Gesetzgeber mag nicht immer mit besonderer Weitsicht gesegnet sein, aber solch gravierende Kurzsichtigkeit sollte man ihm nun doch nicht unterstellen.
Insofern kann man dem LG Koblenz nur zustimmen, wenn es eine planwidrige Regelungslücke verneint. Dies umso mehr, als ein Verstoß gegen § 9 JSchG eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit bedeutet. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber in den fast 10 Jahren seit 2003 keinen Anlass gesehen hat, die Regelung zu erweitern, sollte im Gegenteil davon abhalten, einen OwI-Tatbestand per Analogie auszuweiten.
Dass sich ferner seitdem auch nur ein einziges Gericht mit der Angelegenheit auseinandersetzen musste, zeigt, dass auch keine gesellschaftspolitische Notwendigkeit hierfür besteht. Dies mag sicherlich auch daran liegen, dass Jugendliche selten über den Versandhandel Alkohol bestellen dürften. Die meisten <18jährigen wohnen eher selten im eigenen Hausstand und wenn das Paket dann von Mama oder Papa angenommen wird, dürfte die Verlegenheit groß sein.
Mit einer allgemeinen Altersverifikationspflicht würde vielmehr das Gesetz auf den Kopf gestellt und der Online-Handel gegenüber dem stationären Handel klar benachteiligt. So sagt § 2 Absatz 2 des JSchG: "Personen, bei denen nach diesem Gesetz Altersgrenzen zu beachten sind, haben ihr Lebensalter auf Verlangen in geeigneter Weise nachzuweisen. Veranstalter und Gewerbetreibende haben in Zweifelsfällen das Lebensalter zu überprüfen." Die Rede ist hier also von "Identifikation auf Verlangen" und "Prüfung in Zweifelsfällen". Generelle Altersverifikationspflichten würden aber dazu führen, jeden Kunden zu überprüfen. Dies ist mit erheblichen Kosten verbunden (eine Ausweisprüfung durch den Postpoten an der Haustür gibt es nicht umsonst) und macht den Einkauf für den Kunden unattraktiver (Kunde muss zu Hause sein, muss sich ausweisen, muss Zusatzgebühren für die Altersverifikation tragen).
Es ist schade, dass Sie als "IT-Recht Kanzlei" das Angebot und den Versand von z.B. einem guten Wein als eine "drohende Gefahr" deklarieren und keinerlei Argumente für eine online-händlerfreundliche Auslegung der Gesetzeslage finden.