VG München: Minderjährige sind vor dem Zugriff auf pornografische bzw entwicklungsbeeinträchtigende Texte im Internet zu schützen

VG München: Minderjährige sind vor dem Zugriff auf pornografische bzw entwicklungsbeeinträchtigende Texte im Internet zu schützen
von Mag.iur. Johannes Well
28.01.2013 | Lesezeit: 3 min

Die 17. Kammer des VG München entschied am 26.07.2012 in der Rechtssache M 17 K 11.6112, dass im Internet veröffentlichte Texte dem Jugendmedienstaatsvertrag (JMStV) unterlägen, und daher gegebenenfalls vor dem unberechtigten Zugriff durch Minderjährige zu schützen seien. Dies könne sich einerseits daraus ergeben, dass es sich bei besagten Texten um Pornographie handele (§ 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 u 2 JMStV), und andererseits daraus, dass diese Texte entwicklungsbeeinträchtigend seien (§ 5 Abs. 1 JMStV).

Im zugrunde liegenden Fall verkaufte der Kläger Latexbekleidung in einem Online-Shop. Unter der Rubrik "Stories" peppte dieser sein Angebot durch kurze Texte expliziten Inhalts auf. Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) kam in ihrem Prüfbericht zu dem Ergebnis, dass diese kurzen Texte gegen den JMStV verstießen. Ihr Inhalt sei pornografisch bzw entwicklungsbeeinträchtigend, und der Anbieter habe es unterlassen diese Texte vor dem Zugriff Minderjähriger zu schützen. Eine entsprechende Empfehlung an die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BJM) führte zu dem durch den Kläger angefochtenen Bescheid.

Das VG München kam in Anbetracht des Inhalts der angeführten Texte zu dem Ergebnis, dass manche dieser Texte tatsächlich pornographisch seien, da sie "sexuelle Inhalte in grober Form beschrieben. Die Personen [seien] auf ihre Geschlechtsteile und deren Funktion reduziert." Alle übrigen "Stories", befand das Gericht, seien als entwicklungsbeeinträchtigend einzustufen, da hier sexuelle Praktiken dargestellt seien, "bei deren Ablauf zum Teil der "Reiz" aus dem Objektstatus der Frauen abgeleitet" werde.

Bei dieser Textbeurteilung orientierte sich das Gericht explizit an den Empfehlungen der KJM. Das Gericht maß diesen nämlich den Status sachverständiger Aussagen bei. Demzufolge könnten die Einschätzungen der KJM "nur mit dem gleichen Aufwand in Frage gestellt werden [...], der notwendig [sei], um die Tragfähigkeit fachgutachtlicher Äußerungen zu erschüttern". Ein bloßer Sachvortrag der Gegenseite sei dafür also ungeeignet.

Das KJM ordnete beispielhaft den Text "Blind Date" als Pornografie ein, da hier nämlich "sexuelle Vorgänge selbstzweckhaft und in grober Form beschrieben werden und dabei Sexualpraktiken der außergewöhnlichen und bizarren Art ausgebreitet werden." Als Entwicklungsbeeinträchtigend sah das KJM diejenigen Texte, die geeignet waren die Eigenverantwortlichkeit und Gemeinschaftsfähigkeit von Minderjährigen negativ zu beeinflussen. Dies gelte etwa, "wenn sexuelle Vorgänge selbstzweckhaft und ohne nachvollziehbaren Handlungskontext gezeigt werden, da hier eine sozial- und sexualethische Desorientierung zu befürchten ist." Kinder und Jugendliche besäßen noch nicht genügend Lebenserfahrung, um solch drastische und einseitige Darstellungen sexueller Vorgänge adäquat einordnen zu können.

Fazit: Auch Texte können derart pornografisch sein, oder zumindest entwicklungsbeeinträchtigend, dass sie unter § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 u 2, bzw § 5 Abs. 1 JMStV fallen und vor dem Zugriff von Minderjährigen geschützt werden müssen. Als Mindestmaß dessen, was technisch abzuschirmen ist, haben also solche Darstellungen sexueller Praktiken zu gelten, die ihren Reiz zum Teil auch aus dem Objektstatus der Frau ableiten.

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