Bayern: München

Urteil vom OLG München 6. Zivilsenat

Entscheidungsdatum: 12.01.1995
Aktenzeichen: 6 U 6446/93

Tatbestand

(Übernommen aus BayObLGR)

Die Parteien streiten, ob die Beklagte Patente der Klägerin verletzt oder sich deshalb wettbewerbswidrig verhält, weil sie Ersatzkotflügel für Autos der Klägerin anbietet, die im Gegensatz zu Originalkotflügeln nicht verzinkt sind.

Mit Urteil vom 17.9.1993 hat das LG die Klage in vollem Umfange abgewiesen, weil sie weder unter dem Gesichtspunkt der Patentverletzung noch im Hinblick auf §§ 1 und 3 UWG Erfolg habe. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Ansinnen weiter.

Gründe

Die zulässige Berufung hat Erfolg. ...

... II. Die Klage ist nach § 1 und § 3 UWG begründet.

Die Beklagte hängt sich in unlauterer Weise an die Qualitätswerbung von A. an. Die Leistungsminderung unverzinkter Kotflügel wird nicht dem Ersatzteil, sondern dem Gesamtprodukt zugerechnet, so daß der Ruf der Klägerin geschädigt wird.

Unabhängig davon wird ein relevanter Teil des angesprochenen Verkehrs dahingehend getäuscht, daß er beim Erwerb von Ersatzkotflügeln, die von der Beklagten stammen, annimmt, er erwerbe einen verzinkten Kotflügel.

Im einzelnen tragen folgende Überlegungen diese Wertung:

1. Die Mitglieder des Senats gehören als Autofahrer zum angesprochenen Verkehr.

Sie werden von der Werbung der Klägerin erreicht, haben diverse Markenfabrikate gefahren und kommen als Käufer für Ersatz- oder Zusatzfahrzeuge bezüglich der jetzt gefahrenen Wagen sowie als Werkstattkunden nach Blechschäden in Frage. Schließlich sind sie der "interessierte" Verkehr, der auch die im stehenden und ruhenden Straßenverkehr sichtbaren Fahrzeuge zur Kenntnis nimmt und für künftige Entscheidungen in die Wertung einbezieht. Sie kennen auch den Original-Ersatzteilhandel über Vertragshändler sowie den Ersatzteilhandel über Dritte.

Insoweit kann der Senat ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen aufgrund eigener Sachkunde entscheiden. Die Mitglieder des Senats gehören allerdings nicht zu den Händlern, die von der Beklagten unmittelbar Ware beziehen und verfügen insoweit über keine ausreichende Sachkunde.

Im Gegensatz zur Behauptung des LG messen die Mitglieder des Senats als angesprochener Verbraucherverkehr Rostschäden durchaus Bedeutung zu, denn ein rostendes Auto ist in Haltbarkeit und Wiederverkaufswert stark beeinträchtigt und erscheint deshalb als unattraktiv.

Nicht geteilt wird auch die Ansicht des LG, die Ursache für Rostschäden sei vielfältig, und der Verkehr führe solche daher nicht gerade auf fehlende Verzinkung zurück. Gerade bei anschraubbaren Kotflügeln werden Unfallschäden wegen der hohen Lohnkosten vielfach durch Austausch der Teile behoben, so daß der Verkehr bei Rostschäden im Steinschlagbereich (Radkasten, Vorderseite) oder an Kanten in der Regel gerade nicht von unzureichend reparierten Unfallschäden ausgeht, sondern von schlechtem Material.

2. Den Mitgliedern des Senats ist auch bekannt, daß die Preise für Originalersatzteile ganz allgemein sehr hoch sind, so daß die Summe für alle Teile wesentlich über dem Verkaufspreis eines kompletten Fahrzeugs liegt, obwohl es sich nur um Ersatzteile handelt, also ohne Montagekosten usw. Die Firmen haben für diesen Umstand zwar die verschiedensten Erklärungen zur Hand, die aber über den hohen Preis nicht hinweghelfen.

Es besteht daher ein starkes Interesse auf Verbraucherseite an einem "Zweitmarkt" für Ersatzteile, die natürlich passen müssen, nicht mangelhaft sein dürfen und die, infolge der fehlenden Monopolstellung und des Preiswettbewerbes unter den Anbietern, vor allem billiger sein sollten als die "Original"-Ersatzteile.

Bei einem relativ neuen Fahrzeug wird der markenbewußte Verbraucher auf Original-Ersatzteile Wert legen. Wenn das Fahrzeug jedoch älter ist, man sparen will, man einen Schaden selber bezahlen muß, das Fahrzeug verstärkt Anfängern zur Verfügung stellt oder andere vergleichbare Gründe vorliegen, ist ein preiswerteres Fremd-Ersatzteil von gesteigertem Interesse.

Was dessen Qualität anbelangt, so erwartet man hiervon wohl vielfach aufgrund des Preisgefälles, obwohl dies überwiegend auf ganz anderen Umständen beruht, nicht die gleiche Qualitätsstufe wie beim Originalersatzteil. Es muß jedoch unbedingt "passen" und auch von der Leistung her entsprechen und die fahrzeugspezifischen Merkmale aufweisen, was z.B. bei einer Lichtmaschine, einem Anlasser, einem Kühler usw. auf der Hand liegt. Bei Kotflügeln erwartet der Verkehr im allgemeinen, daß sie passen, die erforderliche Stabilität, die von Fabrikat zu Fabrikat je nach Funktion der Kotflügel im Rahmen des Gesamtaufbaus des Fahrzeugs unterschiedlich sein kann, aufweisen, und daß sie eine "normale" Haltbarkeit aufweisen. Mangels besonderer Versprechungen, von welcher Seite auch immer, erwartet der Verkehr im allgemeinen nicht mehr.

3. Eine Besonderheit gegenüber dem allgemeinen Ersatzteilgeschäft und -markt besteht vorliegend darin, daß die Klägerin mit sehr großem Aufwand herausstellt, daß sie als einziger deutscher Automobilhersteller vollverzinkte Fahrzeuge produziert, dadurch ein erheblich verbesserter Rostschutz bestünde, und sie daher 10-Jahre Garantie gegen Durchrostung geben könne.(Wird ausgeführt.)

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