Urteil vom OLG Hamm 4. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 20.09.2012
Aktenzeichen: I-4 U 85/12
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 22.03.2012 verkündete Urteil der IV. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken am Vorstand, zu unterlassen,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen im Zusammenhang mit Gewinnspielen, die die Beklagte für minderjährige Verbraucher veranstaltet, die Daten der Teilnehmer zu Werbezwecken zu erheben, wie aus der Anlage K 1 ersichtlich geschehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,- EUR abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A.
Der Kläger verlangt von der Beklagten, es zu unterlassen, im Zusammenhang mit Gewinnspielen, die die Beklagte für minderjährige Verbraucher veranstaltet, die Daten der Teilnehmer zu Werbezwecken zu erheben.
Die Beklagte nahm am 15. und 16. Juni 2011 in L an der O-Messe teil. Diese Messe stellt Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten vor und richtet sich vornehmlich an Schülerinnen und Schüler. Die Beklagte verteilte während dieser Messe Teilnahmekarten für ein Gewinnspiel (Anlage K 1, GA 6). Auf der Vorderseite der Gewinnkarte steht unter einer Fotografie mit vier jungen Personen die Angabe
„Mitmachen und tolle Preise gewinnen.“
Direkt über dieser Angabe steht in einem runden Feld die Angabe
„Bitte Rückseite ausfüllen und abgeben!“
Die Rückseite der „Gewinnkarte“ trägt in der ersten Zeile die größer gedruckte Angabe „Gewinnkarte“. Hierunter stehen in insgesamt neun Zeilen die Angaben „Vorname“, „Name“, „Geburtsdatum“, „Straße/Hausnr.“, „PLZ/Ort“, „Telefon“, „Handy“, „E-Mail“ und „Krankenkasse“. Hierunter steht - etwas abgesetzt - und unter dem kleiner aber fett gedrucktem Wort „Datenschutzhinweis“ die Angabe:
„Die Angaben sind freiwillig. Die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben.“
Direkt hierunter steht unter dem kleiner und ebenfalls fett gedruckten Wort „Einwilligungserklärung“ folgender Text:
„Ich bin damit einverstanden, dass die B N Daten (bzw. die Daten meiner Tochter/meines Sohnes) speichert und nutzt, um mich telefonisch, schriftlich, per E-Mail oder per SMS über die Vorteile einer B-Mitgliedschaft und neue Angebote der B zu informieren und zu beraten.
Diese Einwilligung kann ich jederzeit mit Wirkung für die Zukunft bei der B widerrufen. N Daten werden dann gelöscht.“
Hierunter steht - etwas abgesetzt - das Wort „Datum“ und darunter das Wort „Unterschrift“. Unter der für die Unterschrift vorgesehene Zeile steht kleingedruckt die Angabe
„(bei unter 15-Jährigen Unterschrift des Erziehungsberechtigten)“.
Am unteren Rand der Rückseite der Gewinnkarte sind Angaben zur Beklagten angegeben.
Mit Abmahnung vom 12. September 2011 forderte der Kläger die Beklagte auf, sich strafbewehrt zu verpflichten, es
„im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern künftig zu unterlassen, die geschäftliche Unerfahrenheit von Minderjährigen auszunutzen, in dem unter dem Vorwand der Teilnahme an einem Gewinnspiel deren personenbezogene Daten zu Wettbewerbszwecken erhoben werden.“
Begründet wurde diese Aufforderung mit näheren Ausführungen dazu, dass ein Verstoß der Beklagten gegen § 4 Nr. 2 UWG unter dem Gesichtspunkt der Ausnutzung des Alters und der geschäftlichen Unerfahrenheit von Verbrauchern vorliege. Mit Schreiben vom 05.10.2011 wies die Beklagte die Rechtsansicht des Klägers zurück, gab aber unter dem 14.10.2011 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, in der es unter Ziffer 1) heißt:
„es vorbehaltlich einer angemessenen Umstellungsfrist bis 30.11.2011 zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd eine an Minderjährige zwischen 15 und 18 Jahren gerichtete Werbung zur Teilnahme an einem Gewinnspiel einzusetzen, in der die Gewinnspielteilnahme und die Einwilligungserklärung zum Erhalt von Informationen über die B optisch derart verknüpft sind, dass die Unterscheidung zwischen beiden Angaben bzw. Erklärungen nicht hinreichend deutlich wird, wenn dies wie in der anliegend beigefügten Gewinnspielkarte erfolgt;“
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, diese Unterlassungserklärung sei nicht ausreichend, um die Wiederholungsgefahr für den von dem Kläger formulierten Wettbewerbsverstoß auszuräumen. Auch nach Abgabe dieser Unterlassungserklärung wäre es der Beklagten möglich, im Rahmen eines Gewinnspiels Daten von minderjährigen Verbrauchern zu Werbezwecken zu erheben.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken am Vorstand, zu unterlassen,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen im Zusammenhang mit Gewinnspielen, die die Beklagte für minderjährige Verbraucher veranstaltet, die Daten der Teilnehmer zu Werbezwecken zu erheben,
hilfsweise mit dem Zusatz „wie aus der Anlage K 1 ersichtlich geschehen.“
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Erhebung von Daten bei minderjährigen Verbrauchern im Rahmen eines Gewinnspiels sei nicht generell unzulässig. Es sei zu beachten, dass je nach Alter, Minderjährige unterschiedliche Entwicklungsstufen aufwiesen, ältere Minderjährige die Bedeutung der Erklärung durchaus einschätzen könnten. Bei dieser Wertung sei zu beachten, dass Minderjährige ab 15 Jahren gemäß § 175 Abs. 1 S. 3 SGB V auch bereits ihre Krankenkasse selber wählen könnten. Soweit die optische Verknüpfung so sei, dass eine Unterscheidung zwischen den Angaben und der Erklärung zur Einwilligung nicht hinreichend deutlich werde, habe die Beklagte dem durch die Unterlassungserklärung vom 14.10.2011 Rechnung getragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 2 UWG zu.
Der Hauptantrag sei unbegründet, weil er von vornherein zu weit gehe. Zwar fielen unter § 4 Nr. 2 UWG auch Handlungen im Vorfeld konkreter Verkaufsförderungsmaßnahmen, so insbesondere auch die Datenerhebung bei Kindern und Jugendlichen zu Werbezwecken. Die Erhebung von Daten bei Kindern sei aber nicht stets und ohne Weiteres als unlauter anzusehen. Schon unter dem Gesichtspunkt eines zunehmenden Reifeprozesses bei unterschiedlichen Altersgruppen komme es nicht in Betracht, der Beklagten generell zu untersagen, im Rahmen von Gewinnspielen für minderjährige Verbraucher die Daten der Teilnehmer zu Werbezwecken zu erheben. Im Übrigen komme es auch immer auf die konkrete Gestaltung der Erhebung an.
Aber auch der Hilfsantrag sei nicht begründet. Bezüglich Minderjähriger, die jünger als 15 Jahre seien, sei ausdrücklich festgehalten, dass die Unterschrift eines Erziehungsberechtigten als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Datenspeicherung und Weiterverwendung vorausgesetzt werde. Insoweit liege schon kein Fall einer unlauteren Datenerhebung vor.
Was die Minderjährigen zwischen 15 und 18 Jahren betreffe, so sei die Datenerhebung nicht grundsätzlich als unlauter anzusehen. In diesem Alter sei von einer ausreichenden Reife auszugehen, die Tragweite einer Einwilligungserklärung zur Datenspeicherung und Datenverwendung zu Wettbewerbszwecken abzusehen. Dabei könne auch nicht außer Acht gelassen werden, dass gemäß § 175 Abs. 1 S. 3 SGB V Minderjährige ab 15 Jahren ihre Krankenkasse bereits selber auswählen könnten.
Soweit wegen der konkreten Gestaltung der Karte im Hinblick auf die lediglich kleingedruckt eingefügte Einwilligungserklärung nicht hinreichend deutlich werde, dass eine solche abgegeben werde, und unter diesem Gesichtspunkt die Tragweite der Unterschrift auch durch einen 15- bis 18-Jährigen nicht erkannt werden könne, habe die Beklagte dem durch die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 14.10.2011 Rechnung getragen, so dass es insoweit an einer Wiederholungsgefahr fehle.
Ein Fall des § 4 Nr. 3 UWG liege nicht vor. Unter diesem Gesichtspunkt habe der Kläger die Gewinnspielkarte nicht angegriffen. Im Übrigen enthalte die Karte, wenn auch kleingedruckt, einen ausdrücklichen Hinweis auf die Datenerhebung.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.
Dem Landgericht sei darin zuzustimmen, dass es auf die konkrete Gestaltung der Erhebung ankomme. Hier werde die konkrete Gestaltung aber vor allem durch den Umstand geprägt, dass die Erhebung im Rahmen eines Gewinnspiels erfolge und dass bereits dieser Umstand genüge, um eine Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit anzunehmen. Durch die Einbettung in ein Gewinnspiel werde für die Datenpreisgabe ein Anreiz geschaffen, der bei Minderjährigen die erhebliche Gefahr berge, dass sie die negativen Auswirkungen der Datenweitergabe außer Acht ließen.
Ferner sei zu berücksichtigen, dass Kinder und Jugendliche noch nicht in gleicher Weise individuell an sie adressierte Werbung gewöhnt seien. Schon deswegen würden sie den damit verbundenen Belästigungseffekt nicht in derselben Weise zu bewerten wissen, wie es Erwachsene tun.
Auch unter dem Gesichtspunkt des zunehmenden Reifeprozesses bei den unterschiedlichen Altersgruppen habe die Klage nicht abgewiesen werden dürfen. Denn die Beklagte unterscheide lediglich zwischen Minderjährigen, die jünger als 15 Jahre sind, und solchen, die das 15. Lebensjahr überschritten hätten. Es könne nicht - auch nicht unter Hinweis auf § 175 Abs. 2 S. 3 SGB V (gemeint: § 175 Abs. 1 S. 3 SGB V) - angenommen werden, dass 15-jährige generell die notwendige Einsichtsfähigkeit besitzen würden. Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber den Zweck verfolgen wollen, dem Minderjährigen im Rahmen seiner beruflichen Betätigung eine partielle Handlungsfähigkeit zu übertragen. Die Auswirkungen dieser Entscheidungsfreiheit seien schon deswegen eher gering. Der Gesetzgeber habe auch in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht, dass er eine Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit annehme, wenn von Kindern und Jugendlichen Daten zu Werbezwecken erhoben würden.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 22. März 2012 verkündeten Urteils des Landgerichts Dortmund die Beklagte wie erstinstanzlich beantragt zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
B.
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
I.
Die Berufung ist - anders als die Beklagte meint - auch hinsichtlich des Hilfsantrages zulässig. Soweit die Beklagte meint, dass die Berufungsbegründung keine Ausführungen dazu enthalte, weshalb die mit dem Hilfsantrag angegriffene konkrete geschäftliche Handlung entgegen der Auffassung des Landgerichts unlauter sein soll, übersieht sie, dass die Ausführungen des Klägers zur geschäftlichen Unerfahrenheit Minderjähriger im Alter von 15 bis 17 Jahren sowohl den Hauptantrag als auch den Hilfsantrag betreffen.
II.
Der Kläger ist klagebefugt und aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V.m. § 4 UKlaG.
III.
Der Hauptantrag ist unbegründet. Der Kläger hat nicht einen so weitgehenden Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 2 UWG, wie er im Hauptantrag formuliert ist.
Gemäß § 4 Nr. 2 UWG handelt insbesondere unlauter, wer geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, geistige oder körperliche Gebrechen, das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit, die Leichtgläubigkeit, die Angst oder die Zwangslage von Verbrauchern auszunutzen.
Das mit dem Hauptantrag geforderte Verbot wäre dann berechtigt, wenn es geeignet und erforderlich wäre, um die Ausnutzung der Schutzbedürftigkeit aller Minderjährigen zu verhindern. Zu Recht weist das Landgericht unter Verweis auf die Kommentierung von Köhler/Bornkamm (30. Aufl, 2012, § 4 Rn 2.24) darauf hin, dass der mit dem Alter zunehmende Reifeprozess bei Minderjährigen zu berücksichtigen ist. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es nicht in Betracht, der Beklagten generell zu untersagen, im Rahmen von Gewinnspielen für minderjährige Verbraucher die Daten der Teilnehmer zu Werbezwecken zu erheben. Im Übrigen würden unter ein so formuliertes Verbot auch Gewinnspiele fallen, bei denen zusätzlich noch die Unterschrift der Eltern vorgesehen wäre.
IV.
Der Hilfsantrag ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 2 UWG, es zu unterlassen, im Zusammenhang mit Gewinnspielen, die sie für Minderjährige veranstaltet, die Daten der Teilnehmer in der Weise zu erheben, wie sie es mittels der als Anlage K 1 zur Klageschrift in Kopie beigefügten Gewinnkarte getan hat.
1. Es liegt eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vor. In aller Regel handelt es sich bei im Rahmen von § 4 Nr. 2 UWG zu beurteilenden Verhaltensweisen um Werbemaßnahmen. Jedoch können auch sonstige geschäftliche Handlungen unter den Tatbestand des § 4 Nr. 2 UWG fallen, wie etwa die Ermittlung von Kundendaten im Zusammenhang mit der Veranstaltung eines Gewinnspiels (Köhler/Bornkamm UWG, 30. Aufl., § 4 Rn 2.13). Genau so liegt hier der Fall. Der Kläger will die Erhebung von Daten im Zusammenhang mit Gewinnspielen für Minderjährige verboten wissen.
2. Ein Wettbewerbsverstoß ist nicht von vornherein unter dem Gesichtspunkt des § 28 BDSG ausgeschlossen. Zwar gilt der Satz, dass dann, wenn die Datenerhebung gemäß § 28 BDSG gesetzlich zulässig ist, diese auch nicht unlauter ist (Köhler Bornkamm a.a.O. § 4 Rn 2.41; OLG G GRUR 2005, 785). Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben. Hier ist die Datenerhebung nicht erforderlich für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG). Auch die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BDSG liegen nicht vor.
3. Die Voraussetzung der Ausnutzung der Schutzbedürftigkeit - hier in Form der Ausnutzung des Alters in Verbindung mit der geschäftlichen Unerfahrenheit und der Leichtgläubigkeit - ist erfüllt.
a. Zunächst ist klarzustellen, dass die Erhebung von Daten bei Verbrauchern zur kommerziellen Werbung für sich allein nicht unlauter i.S.v. § 4 Nr. 2 UWG ist (Köhler/ Bornkamm a.a.O. Rn 2.41; OLG G GRUR 2005, 785).
b. Hinsichtlich der Minderjährigen im Alter unter 15 Jahre ergeben sich hier keine Probleme, weil die Gewinnkarte der Beklagten für diese Personengruppe die Teilnahme an dem Gewinnspiel und die Einwilligungserklärung von der Unterschriftsleistung eines Elternteils des Minderjährigen abhängig macht.
c. Es kann aber - anders als es das Landgericht sieht - nicht davon ausgegangen werden, dass Minderjährige ab dem 15. Lebensjahr grundsätzlich die nötige Reife haben, um die Tragweite der Einwilligungserklärung zur Datenspeicherung und Datenverwendung zu Werbezwecken abzusehen.
Geschäftliche Unerfahrenheit liegt vor, wenn eine Person nicht die Erfahrungen im Geschäftsleben hat, die bei einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher zu erwarten sind und die es ihm ermöglichen würden, die rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung einer Handlung zu erfassen und kritisch zu bewerten. Es handelt sich dabei nicht um eine feste Größe; vielmehr ist das Fehlen geschäftlicher Erfahrung in Bezug auf die konkrete Handlung und den konkret angesprochenen Personenkreis festzustellen (Köhler/Bornkamm a.a.O. Rn 2.23).
Geschäftliche Unerfahrenheit kann insbesondere bei Kindern und Jugendlichen vorliegen, was schon aus den Wertungen der §§ 104 - 115 BGB folgt. Allerdings sind Kinder und Jugendliche nicht generell der Gruppe geschäftlich unerfahrener Personen zuzuordnen, wie sich schon aus der Wertung des § 110 BGB ergibt. Vielmehr ist der mit dem Alter zunehmende Reifeprozess bei Minderjährigen zu berücksichtigen. Demgemäß sind altersbezogene Abstufungen hinsichtlich der geschäftlichen Unerfahrenheit vorzunehmen (Köhler/Bornkamm a.a.O. § 4 Rn 2.24).
Sicherlich gibt es zahlreiche Minderjährige in der Altersstufe der 15 - 17-Jährigen, die die nötige Reife schon mitbringen, um die Tragweite der Einwilligungserklärung zur Datenspeicherung und Datenverwendung zu Werbezwecken abzusehen. Dabei ist aber zu beachten, dass auch innerhalb dieser Gruppe mit zunehmendem Alter im Schnitt auch die Reife zunimmt. Das bedeutet, dass in dem Kreis der 17-Jährigen die Anzahl derjenigen, die die nötige Reife mitbringen, wiederum deutlich höher ist als in dem Kreis der 15-Jährigen. Werden Kinder oder Jugendliche zur Überlassung ihrer Daten gegen ein „Entgelt“ (z.B. Teilnahme an einem Gewinnspiel oder Werbegeschenk) aufgefordert, ist allerdings in der Regel eine Ausnutzung ihrer geschäftlichen Unerfahrenheit anzunehmen (Köhler/Bornkamm a.a.O. Rn 2.41). Das ergibt sich daraus, dass Minderjährige aufgrund ihrer geringen Lebenserfahrung in der Regel weniger in der Lage sind, die vollständigen Auswirkungen der Preisgabe ihrer personenbezogenen Daten abzuschätzen. Dies gilt auch und insbesondere vor dem Hintergrund, dass dann, wenn sich die Maßnahme nicht nur an eine einzelne Person, sondern an eine bestimmte Personengruppe richtet, das Vorliegen geschäftlicher Unerfahrenheit in Bezug auf den Durchschnitt dieser Gruppe zu ermitteln ist. Denn in der Altersgruppe der 15-Jährigen oder auch 16-Jährigen gibt es zahlreiche Personen, die die Auswirkungen der Preisgabe ihrer personenbezogenen Daten nicht vollständig abschätzen können. In dieser Gruppe bilden diese Personen sogar die Mehrheit. Bei ihnen überwiegt beim Lesen der Gewinnkarte der Anreiz, möglicherweise etwas zu gewinnen, das konsequente Nachdenken darüber, was wohl infolge der Preisgabe der Daten passieren könnte. Es kann aufgrund der Unerfahrenheit in geschäftlichen E2 nicht angenommen werden, dass der Durchschnitt dieses Personenkreises bereits sensibilisiert ist für die Auswirkungen der Datenpreisgabe.
Zutreffend ist, dass bei der Beurteilung auch die gesetzlichen Wertungen zu beachten sind.
So ist der Gedanke der §§ 112 und 113 BGB zu sehen, wonach Minderjährige für bestimmte Geschäfte in bestimmten Situationen unbeschränkt geschäftsfähig sein können. Jedoch verhält es sich in diesen Konstellationen so, dass die gesetzlichen Vertreter (im Falle des § 112 BGB sogar mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts) den Minderjährigen zuvor ermächtigt haben, einen selbständigen Betrieb zu führen oder ein Arbeitsverhältnis einzugehen. Hier geht es darum, dass die Jugendlichen im Alter von 15 - 17 Jahren völlig allein handeln.
Eine weitere gesetzliche Wertung ist in § 175 Abs. 1 S. 3 SGB V abzulesen. Nach dieser Vorschrift können Minderjährige ab 15 Jahren ihre Krankenkasse bereits selber auswählen. Jedoch trifft die Bewertung des Landgerichts, dass die Entscheidung zur Speicherung von Daten zum Zwecke der Zusendung von Werbung nicht über die Tragweite der Wahl einer Krankenkasse hinausgeht, nicht zu. Denn im Vorfeld der Entscheidung, nach der Schule einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz anzunehmen, wird der Minderjährige spätestens kurz vor Vertragsabschluss durch seine Eltern oder ggfls. durch den neuen Arbeitgeber mit dem Erfordernis vertraut gemacht, sich auch für eine Krankenkasse zu entscheiden. Das heißt, der Minderjährige kann sich dann in Ruhe informieren und für eine Krankenkasse entscheiden.
Bei dem Gewinnspiel auf einer Messe betreffend die Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten hat der Minderjährige noch gar keinen konkreten Arbeitsplatz vor Augen. Hier geht es zunächst darum, diverse Möglichkeiten zu eruieren und vielleicht auch schon einmal einen Kontakt zu knüpfen. Jedenfalls richtet sich die Messe und auch die Beklagte - wie sie vorgetragen hat - an solche Jugendliche, die - als Schülerinnen und Schüler - kurz davor stehen, ihre Schulausbildung zu beenden und eine Ausbildung zu beginnen und damit auch ein Ausbildungsverhältnis zu begründen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass heutzutage der Vorlauf bei Ausbildungsplätzen einen Zeitraum von bis zu einem Jahr ausmacht. Das bedeutet, dass der Entscheidungsprozess für die Eingehung eines Ausbildungsverhältnisses und damit auch für die Auswahl einer Krankenkasse eher längerfristig angelegt ist.
Die Entscheidung, vor die der Jugendliche mit der Gewinnkarte auf der Messe gestellt wird, ist ganz kurzfristig. Er muss also die Vor- und Nachteile der Preisgabe seiner personenbezogenen Daten innerhalb einer kurzen Zeit beim Besuch der Messe abwägen. Für die Auswahl seines zukünftigen Arbeitsplatzes und der zukünftigen Krankenkasse und der dabei abzuwägenden Vor- und Nachteile kann er sich deutlich mehr Zeit lassen. Außerdem sind die Nachteile dahingehend, dass der Jugendliche mit Abgabe seiner Daten zukünftig „auf allen Kanälen“, also per Post, per Handy, per Festnetz und per E-Mail, für die Beklagte erreichbar ist, für diesen in der Kürze der Entscheidungszeit nicht unbedingt sogleich erkennbar.
Schließlich ist auch die Wertung des Gesetzgebers zu betrachten, wonach der Tatbestand der Nummer 2 (gemeint § 4 Nr. 2 UWG) „besonders schutzwürdige Verbraucherkreise, wie insbesondere Kinder und Jugendliche, aber auch … vor einer Ausnutzung ihrer Unerfahrenheit geschützt werden“ sollen. „Erfasst werden sollen auch Fälle im Vorfeld von konkreten Verkaufsförderungsmaßnahmen, so etwa, wenn Daten von Kindern oder Jugendlichen zu Werbezwecken erhoben werden.“ (vgl. BT-Drucks. 15/1487, S. 17). Diese Ausführungen des Gesetzgebers sprechen auch dafür, dass er nicht nur die Schutzwürdigkeit bei Kindern, sondern auch bei Jugendlichen, zu denen nun einmal auch die Personen im Alter von 15 - 17 gehören, sieht.
4. Der Wettbewerbsverstoß ist erheblich, weil durch die wettbewerbswidrig erlangte Möglichkeit, umfassendere Werbemaßnahmen durchführen zu können, ein deutlicher Marktvorteil gegenüber Mitbewerbern entstehen kann.
5. Die Wiederholungsgefahr ist durch den Wettbewerbsverstoß indiziert. Dem steht auch nicht die strafbewehrte Unterlassungserklärung der Beklagten vom 14.10.2011 entgegen, weil diese lediglich die fehlende optische Trennung zwischen Gewinnspiel und Einwilligungserklärung betrifft.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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