Beschluss vom VG Potsdam 3. Kammer
Entscheidungsdatum: 09.06.2008
Aktenzeichen: 3 L 115/08
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
2. Der Streitwert wird auf 25.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Der sinngemäße Antrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 29. Februar 2008 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 31. Januar 2008 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,
hat keinen Erfolg.
Die im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung und dem privaten Interesse der Antragstellerin, von einer sofortigen Durchsetzung verschont zu bleiben, geht zu Lasten der Antragstellerin aus. Denn nach der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens allein gebotenen summarischen Prüfung erweist sich die angegriffene Ordnungsverfügung als rechtmäßig.
Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung bestehen nicht. Wegen der besonderen Eilbedürftigkeit durfte der Antragsgegner nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwBfG Bbg) von einer Anhörung der Antragstellerin vor Erlass der Ordnungsverfügung absehen, im Übrigen ist eine unterlassene Anhörung in dem noch anhängigen Widerspruchsverfahren heilbar.
Das Eingreifen des Antragsgegners, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über die Zuständigkeiten im Arzneimittelwesen vom 27. Oktober 1992 (GVBl. II, 693) zuständigen Behörde, lässt sich zwar nicht unmittelbar auf § 64 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 4 Arzneimittelgesetz (AMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I, 3394) stützen, da vorliegend nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 17 AMG mangels tatsächlicher Verfügungsgewalt der Antragstellerin über die im Streit befangene „E-Zigarette“ und deren Bestandteile nicht von einem „in den Verkehr bringen“ von Arzneimitteln durch die Antragstellerin ausgegangen werden kann. Die Vorschrift des § 64 Abs. 1 AMG, die die Befugnisse der Behörden auch bei vorläufigen Anordnungen (Abs. 4 Nr. 4) gegen Betriebe und Einrichtungen im Arzneimittelbereich näher regelt, kann im Hinblick auf die in § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG weit gefasste Ermächtigungsnorm jedoch nicht als abschließend verstanden werden. Denn nach dieser Vorschrift wird den Behörden die allgemeine Befugnis erteilt, alle zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen zu treffen. Sie bildet als Generalklausel auf dem Gebiet des Arzneimittelrechts die Eingriffsgrundlage zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (vgl. Kloesel/Cyran, Kommentar zum AMG, Stand 2006, Anm. 1 und 3 zu § 69). Auch Sinn und Zweck des Gesetzes, für die Sicherheit im Verkehr zu sorgen (vgl. § 1 AMG) , sprechen dafür, den Behörden bei neuen Gefahrenkonstellationen die Möglichkeit zu geben, angemessen und sachgerecht zu reagieren und dabei auch andere als die in Satz 2 des § 69 Abs. 1 AMG des Maßnahmekatalogs vorgesehenen Maßnahmen ergreifen zu können, soweit dies im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung erlaubt ist (vgl. Rehmann, Kommentar zum AMG, 1999, Rn. 2 zu § 69). Ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 13 Ordnungsbehördengesetz (OBG) dürfte daher nicht erforderlich sein, auch wenn dies im Bedarfsfall zulässig sein dürfte (so Kloesel/Cyran, a.a.O., Anm.1 zu § 69).
Die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG für ein Eingreifen des Antragsgegners dürften erfüllt sein. Es ist vorliegend davon auszugehen, dass das über die von der Antragstellerin betriebene Internet-Handelsplattform zum Verkauf angebotene - für die sog. E-Zigarette bestimmte - flüssige Nikotin als nicht zugelassenes Arzneimittel anzusehen ist und damit ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz vorliegt. Die ab 2002 geltende Fassung (BGBl. I, 2076) des sog. Funktionsarzneimittelbegriffs in § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG fußt auf der Umsetzung der Arzneimitteldefinition nach Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 mit folgendem Wortlaut: Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden, gelten ebenfalls als Arzneimittel. Die Regelung in § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG lautet: Arzneimittel sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.
Nach der aktuellen korrigierten Fassung der Humanarzneimittelrichtlinie durch die Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31. März 2004 sind sog. Funktionsarzneimittel wie folgt definiert: Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen (Art. 1 Nr. 2 b). Auch wenn die letztgenannte aktuelle gemeinschaftsrechtliche Definition sich wegen der wissenschaftlichen Fassung nicht so leicht erschließt, ist allen Definitionen gemeinsam, dass ein Arzneimittel dadurch gekennzeichnet ist, dass es die physiologischen Funktionen des Körpers beeinflusst. (Physiologie bezeichnet die Wissenschaft von den normalen Lebensvorgängen, vgl. OVG Saarlouis, Urteil v. 3. Februar 2006, 3 R 7/05, S. 16 Rn. 117 zitiert nach juris).
Nach der neuesten Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG (siehe oben) wird die Art der Beeinflussung der Körperfunktionen noch präzisiert, wobei fallbezogen nur die pharmakologische Wirkung eines Stoffes von Bedeutung ist. Bei der Frage nach der pharmakologischen Wirkung eines Stoffes ist die ambivalente Wirkung zu berücksichtigen, wonach die Körperfunktionen sowohl positiv (Heilwirkung) als auch negativ (Giftwirkung) beeinflusst werden können (vgl. die Ausführungen OVG Saarlouis, a.a.O., S. 17 Rn. 127 ff). Zusammengefasst ist daher anhand der pharmakologischen Wirkungsweise eines Erzeugnisses zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen (Köperfunktionen) das Vorliegen eines Arzneimittels zu prüfen, (so auch OVG Saarlouis, a.a.O., Rn. 143 und VG Köln, 18 K 1232/06, Urt. v. 25.08.2006, zit. nach Juris, Rn. 61).
Es ist nach den eingereichten Unterlagen und der dem Gericht zur Verfügung stehenden Quellen davon auszugehen, dass das hauptsächlich in Tabakpflanzen vorkommende Nikotin ein Alkaloid mit parasympathomimetrischer Wirkung, d.h. einer intensiven Wirkung auf das vegetative Nervensystem (Nervengift) ist, (vgl. Gutachten des Abgrenzungsbeirats beim österreichischen Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend, vom 6. März 2007; Beurteilung vom Berliner Betrieb für Zentrale Gesundheitliche Aufgaben v. 18.02.2008 sowie http://de.wikipedia.org/wiki/Nikotin). Seine physiologischen Wirkungen werden dahingehend beschrieben, dass es stimulierend auf nikotinerge Acetylcholinrezeptoren in den Ganglien und sympathischen Ganglien im vegetativen Nervensystem wirkt. Nachdem es in den Kreislauf gelangt, werden die Ausschüttung des Hormons Adrenalin sowie der Neurotransmitter Dopamin und Serotonin gefördert, wodurch sich beim Raucher die positiven Effekte des Wohlbehagens und der erhöhten Aufmerksamkeit einstellen. In der Folge werden der Herzschlag beschleunigt und der Blutdruck erhöht. Zu den zentralen Effekten, die aber nur für einen kurzen Zeitraum andauern, gehören vor allem die Steigerung der psychomotorischen Leistungsfähigkeit sowie der Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen. Durch die Nikotinzufuhr verringert sich der Appetit, es kommt zu einer Steigerung der Magensaftproduktion und einer erhöhten Darmtätigkeit. Entzugserscheinungen wie Kopfschmerzen oder Ängstlichkeit können bis zu 72 Stunden andauern. Bei niedriger Dosierung verursacht Nikotin die Stimulierung der sympathischen Ganglien sowie eine Adrenalinausschüttung, was wegen der damit verbundenen Verengung der Blutgefäße die Gefahr für Thrombose, Herzinfarkt und Raucherbein erhöht. Daraus wird deutlich, dass die wirkstoffhaltige Nikotinlösung wegen ihrer Wirkungsweise nach allen einschlägigen Begriffsbestimmungen die Definitionsmerkmale eines Funktionsarzneimittels erfüllt.
Die Ausschlussdefinition des § 2 Abs. 3 AMG, wonach Arzneimittel nicht Tabakerzeugnisse im Sinne des § 3 des Vorläufigen Tabakgesetzes - VTabakG in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1997 (BGBl. I, 2296) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21.12.2006 (BGBl. I, 3365) - sind, wozu das nach den Angaben der Antragstellerin durch Destillation aus Tabakpflanzen gewonnene flüssige Nikotin gehören könnte (vgl. § 3 Abs. 1 VTabakG) dürfte voraussichtlich nicht eingreifen. Denn aus Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung, die sie durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel erhalten hat, folgt der Vorrang arzneimittelrechtlicher Vorschriften. Danach gilt in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von „Arzneimittel“ als auch eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftsrechtliche Rechtsvorschriften geregelt ist, diese Richtlinie (2001/83/EG). Durch Gemeinschaftsrecht wurden die Tabakerzeugnisse in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 89/622/EWG vom 2. Dezember 1989 (zuletzt geändert durch die Richtlinie 92/41/EG vom 15.05.1992) wie folgt definiert: Erzeugnisse, die zum Rauchen, Schnupfen, Lutschen oder Kauen bestimmt sind, sofern sie ganz oder teilweise aus Tabak bestehen. Nikotin wird dagegen unter Nr. 3 gesondert als Nikotin-Alkaloide definiert. Diese Unterscheidung zwischen den Begriffen Tabakerzeugnis und Nikotin ist bereits ein Indiz dafür, dass (extrahiertes) Nikotin nicht ohne weiteres als Tabakerzeugnis angesehen wird. Restzweifel bestehen aber aufgrund der in § 3 Abs. 1 VTabakG enthaltenen Begriffsbestimmung, wonach Tabakerzeugnisse aus Rohtabak unter Verwendung von Rohtabak hergestellte Erzeugnisse sind, die zum Rauchen, anderweitigen oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt sind (Abs. 1). Da hier wegen der fehlenden begrifflichen Unterscheidung unklar ist, ob Nikotin auch als ein Tabakerzeugnis angesehen werden kann - eine in § 3 Abs. 2 VTabakG vorgenommene Gleichsetzung mit Tabakerzeugnissen scheidet mangels Aufzählung des Nikotins aus - greift die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebende Vorrangregelung. Dass nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften vom Vorliegen eines Arzneimittels auszugehen ist, rechtfertigt sich dadurch, dass die Bestimmungen für Arzneimittel in Anbetracht der besonderen Gefahren, die diese Erzeugnisse für die öffentliche Gesundheit mit sich bringen, strenger sind als für andere Erzeugnisse, von denen diese Gefahren nicht ausgehen.
Ob es sich bei dem mechanischen Gegenstand der E-Zigarette und ihren weiteren Bestandteilen, wie dem Inhalationsteil mit elektrisch angetriebenem Zerstäuber (Energiequelle z.B. wiederaufladbare Lithium-Ionen Batterie) sowie dem Nikotindepot (Behälter für das flüssige Nikotin) um Medizinprodukte nach § 3 Gesetz über Medizinprodukte – MPG – vom 2. August 1994 (BGBl. I S. 1963) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 2002 (BGBl. I S. 1228), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung medizinprodukterechtlicher und anderer Vorschriften vom 14. Juni 2007 (BGBl. I S. 1066) handelt, kann dahinstehen. Entscheidend für die Einordnung eines Produktes als Arzneimittel oder Medizinprodukt ist die Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Arzneimittelgesetzes und des Gesetzes über Medizinprodukte, die von ihren Zielsetzungen jeweils auf die Erkennung, Verhütung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten gerichtet sind. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AMG i. V. m. § 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG i. V. m . § 3 Nr. 1 Buchstabe a) und b), Nr. 2 MPG sind Arzneimittel gegenüber Medizinprodukten dahingehend abzugrenzen, dass bei überwiegend pharmakologischer Wirkung ein Arzneimittel, bei überwiegend physikalischer Wirkung ein Medizinprodukt vorliegt (vgl. hierzu OVG Münster, Beschluss v. 11. Juni 2007, 13 A 3903/06, zit. nach juris, S. 3 Rn. 4 m.w.N; VG Köln, Urt. v. 25. August 2006, 18 K 1232/06, zit. nach juris, S. 12 Rn. 61 ff m.). Wie oben bereits ausgeführt, wird mit Hilfe der E-Zigarette über einen beim Ansaugen erzeugten Zerstäubungsvorgang das flüssige Nikotin konsumierbar gemacht. Wegen der im summarischen Verfahren allein möglichen vorläufigen Prüfung dürfte danach die Hauptwirkung bei der Anwendung der E-Zigarette wegen der bestimmungsgemäßen Aufnahme des Nikotins bei der pharmakologischen Wirkung liegen. Darüber hinaus folgt aus den Erwägungen (6. Absatz) der dem Gesetz über Medizinprodukte zugrundeliegenden Richtlinie 93/42/EG vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte, dass in dem Fall der Einheit eines Medizinproduktes mit einem Arzneimittel, das ausschließlich zur Verwendung in der vorgegebenen Kombination bestimmt und nicht wieder verwendbar ist, diese feste Einheit der Richtlinie zum Arzneimittel unterliegt. Vorliegend ist von einer Einheit der E-Zigarette mit dem flüssigen Nikotin auszugehen, wobei die E-Zigarette, mit deren Hilfe das Nikotin appliziert wird, ohne seinen Inhaltsstoff keine nachweisbare eigene Wirkung auf den menschlichen Körper erzielt. Das in seiner Wirkung umstrittene Nikotin als Inhaltsstoff kann daher nicht (lediglich) ergänzende Wirkung auf den Körper haben, so dass die Voraussetzungen des § 3 Nr. 3 MPG nicht erfüllt sein dürften. Wenn der E-Zigarette wegen des elektronisch gesteuerten Zerstäubungsprozesses als Produkt eine eigene physikalische Wirkung zukäme, wäre diese aus Sicht der Kammer wegen der dann in Anwendung zu bringenden, bereits oben erwähnten Vorrangregelung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG zu vernachlässigen. Auch wenn es sich um Medizinprodukte handeln würde, wäre eine Zuständigkeit des Antragsgegners nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) i.V.m. der Verordnung über Zuständigkeiten nach dem Medizinproduktegesetz, der Medizinprodukte-Betreiberverordnung und Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPZV) vom 9. Februar 2005 (GVBl. II, 138) gegeben. Die Kammer braucht jedoch - wie dargelegt - nicht zu entscheiden, ob die Ordnungsverfügung des Antragsgegners ihre Rechtfertigung im Zusammenhang mit der Durchführung der Überwachung von Medizinprodukten auch in § 26 Abs. 2 MPG oder wegen unzulässiger Anbringung der CE-Kennzeichnung in § 27 Abs. 2 MPG oder aber anlässlich eines Verfahrens zum Schutz vor Risiken durch Medizinprodukte gemäß § 28 Abs. 1 und 2 MPG finden könnte.
Der Antragsgegner hat im Rahmen des ihm nach § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG eingeräumten Ermessens auch eine ordnungsgemäße Störerauswahl getroffen. Das ihm nach § 69 Abs. 1 AMG zustehende Auswahlermessen hat er erkannt und in der Ordnungsverfügung – wenn auch knapp – dargelegt. Der Antragsgegner hat sich aus Gründen der Effektivität für ein Einschreiten gegen die Antragstellerin als Betreiberin der Internetplattform entschieden. Es ist zumindest erkennbar, aus welchen Gründen gegenüber der Antragstellerin die Entfernung der Angebote der benannten Produkte im Internet angeordnet wurde. Die Erwägungen zur Auswahl des Störers und der Mittel sind im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzt worden, was nach § 114 Satz 2 VwGO zulässig ist.
Die Antragstellerin ist Verhaltensstörerin gem. § 16 Abs. 1 Ordnungsbehördengesetz (OBG). Auf diese Vorschrift kann nach § 11 Abs. 2 OBG zurückgegriffen werden, wonach die Vorschriften des Ordnungsbehördengesetzes für Sonderordnungsbehörden – hier den Antragsgegner – gelten, da § 69 Abs. 1 AMG – wie oben dargelegt – nicht als abschließende Eingriffsermächtigung anzusehen ist (vgl. Kloesel/Cyran, AMG, Stand 2006, Anm. 1 m.w.N.). Nach § 16 Abs. 1 OBG sind Maßnahmen gegen Personen zu richten, die eine Gefahr verursachen. Zwar sind vorliegend die Anbieter der nicht zugelassenen E-Zigaretten und deren Teile ebenfalls als Verursacher der Gefahr anzusehen. Es ist aber nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner ein Vorgehen gegen die über die Landesgrenzen hinweg agierenden Anbieter als weniger geeignet angesehen hat. Gegen ein Vorgehen gegen die Anbieter spricht das Erfordernis einer daraus resultierenden landesübergreifenden Zusammenarbeit zwischen den jeweils zuständigen Behörden, was zwangsläufig zeitliche Verzögerungen mit sich bringt und Abstimmungsprobleme aufwirft. Den Angaben des Antragsgegners zufolge fehlte es im Übrigen in Brandenburg an entsprechenden Anbietern, gegen die hätte vorgegangen werden können. Die Inanspruchnahme der Antragstellerin ist das geeignete und erforderliche Mittel, um schnell und effektiv die durch den Vertrieb über das Internet bestehenden Gesundheitsgefahren zu bekämpfen. Die hier getroffene Auswahl des Adressaten trifft auch im Rahmen des Ordnungsrechts nicht auf grundlegende rechtliche Bedenken, denn die Antragstellerin schafft als Betreiberin des Internet - Marktplatzes eine entscheidende Gefahrenquelle, die eine Mitverantwortlichkeit im polizeirechtlichen Sinn rechtfertigt (früher Figur des Zweckveranlassers, vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., § 20, S. 315). Der Inanspruchnahme als Störer steht auch nicht entgegen, dass der Betreiber einer Internetplattform grundsätzlich von ihm zustehenden Rechten Gebrauch macht und daher ein hinreichend sachlicher Grund für die Zurechnung einer dabei von ihm geschaffenen Gefahr zu verneinen wäre (vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, a.a.O., S. 316). Entscheidend ist, dass der Betreiber einer Internetplattform nach dem Telemediengesetz (TMG) unter bestimmten Voraussetzungen in Verantwortung genommen wird. Nach § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG müssen Diensteanbieter (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1), wozu die Antragstellerin zählt, bei Kenntnis einer rechtswidrigen Handlung oder der Information unverzüglich tätig werden, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren. Es trifft sie danach eine Mitverantwortlichkeit, dass es nicht zu weiteren Rechtsverletzungen kommt. Vorliegend war die Antragstellerin ab dem 29. Januar 2008 durch den Antragsgegner darüber informiert, dass es sich bei den Angeboten zur Versteigerung der E-Zigarette, samt ihrer einzelnen Bestandteile, um zulassungspflichtige Arzneimittel handelt, deren Vertrieb gegen das Arzneimittelgesetz verstößt.
Die vom Antragsgegner erlassene Anordnung, diese auf der Internetplattform angebotenen Produkte (E-Zigaretten, Nikotindepots und Nachfüllflüssigkeit für Nikotindepots und ähnliche Produkte) unverzüglich zu entfernen, ist ein geeignetes und erforderliches, insbesondere auch verhältnismäßiges Mittel zur Gefahrenabwehr. Auch wenn man davon ausgehen muss, dass eine vollständige Eliminierung aller gesetzeswidrigen Angebote auf elektronischer Basis möglicherweise nicht sichergestellt werden kann, handelt es sich bei dem Setzen von sogenannten Suchfiltern um eine effektive Methode, unzulässige Angebote zu entfernen, und damit deren Vertrieb (bezogen auf das Internet) weitestgehend zu unterbinden (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 19. April 2007, I ZR 35/04, zit. nach juris, S. 13, Rn. 47). Dass die einzusetzende Filtertechnik auf Grenzen stößt und nicht in Fällen sicher greift, in denen keines der für die Angebote verwendeten Schlüsselwörter verwendet wird, liegt in der Natur der Sache und spricht nicht gegen die Tauglichkeit des elektronischen Kontrollmittels. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin über ein geeignetes und einsatzbereites Mittel zur Gefahrenabwehr verfügt und der Einsatz auch erforderlich ist. Die Entfernung der gesetzeswidrigen Angebote auf elektronischer Basis ist erforderlich, um effektiv gegen die davon ausgehenden Gesundheitsgefahren vorzugehen. Zugleich ist diese Vorgehensweise der Antragstellerin bereits aus anderen Sachgebieten bekannt und vertraut, von einer unverhältnismäßigen Belastung kann gemessen an den ihr als Diensteanbieter aus dem Telemediengesetz (vgl. § 10 Satz 1 Nr. 2) resultierenden Verpflichtungen nicht ausgegangen werden. Auch danach obliegt ihr ein unverzügliches Tätigwerden, um die Informationen zu sperren oder den Zugang zu ihr zu sperren.
Die Geeignetheit des Mittels wird auch nicht grundsätzlich von der Antragstellerin bezweifelt. Sie führt nämlich aus, dass selbst bei bewusst von Anbietern verwendeten Schreibfehlern der Filter entsprechend angepasst werden kann, um diese Schreibfehler zu erfassen. Da kein Filter sämtliche Schreibfehler erfassen könne, werde eine kleine Gruppe von Angeboten möglicherweise vom Filter nicht aufgegriffen. Dies sei jedoch für die Gefahrenabwehr irrelevant, denn typische Schreibfehler könne die Antragstellerin erfassen, untypische Schreibfehler führten dazu, dass potentielle Käufer das Produkt erst gar nicht fänden.
Bei dieser Rechtslage geht auch eine Interessenabwägung im Übrigen zu Lasten der Antragstellerin aus. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung genießt Vorrang gegenüber den Interessen der Antragstellerin, vom Vollzug verschont zu bleiben. Denn das auf die Ermächtigungsnorm des § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG gestützte Vorgehen zur Entfernung sämtlicher auf die E-Zigarette und ihre Bestandteile bezogener Angebote auf der Internetplattform dient dazu, den Konsum von reinem Nikotin, dessen schädliche Wirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung nachgewiesen sind, zu unterbinden. Dabei gilt, dass Arzneimittel im Hinblick auf ihr besonderes Gefährdungspotential grundsätzlich nur nach Zulassung in den Verkehr gebracht werden dürfen (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Beschluss v. 9.12.1998, 11 M 4962/98, zit. nach juris, S. 5 Rn. 32). Hier dürfte auch zu berücksichtigen sein, dass insbesondere die Anbieter der E-Zigarette damit werben, ihre Konsumenten auf den Weg zur Gesundheit zu bringen. So wird in der Werbung ausschließlich hervorgehoben, dass ihr Konsum im Vergleich zur herkömmlichen Zigarette viel gesünder sei, da die beim gewöhnlichen Rauchen bei der Verbrennung des Tabaks anfallenden krebserregenden Substanzen wie Teer, Benzol und Kohlenmonoxid nicht entstünden. Verschwiegen wird dabei u.a. auch, dass bei der rauchlosen Zigarette der komplette Nikotingehalt (durchschnittlich 10-12 mg pro Zigarette) inhaliert wird und nicht nur wie bei der herkömmlichen Zigarette wegen der hohen Glühtemperatur ein Bruchteil dessen. Nicht zuletzt ist auch nicht zu unterschätzen, dass durch die Beimischung besonderer Aromastoffe (Vanille, Erdbeere, Rum etc.) auch für Jugendliche der Anreiz zur Inhalation des flüssigen Nikotins gegeben sein kann, wobei hier wegen der Gefahr der überhöhten Dosierungen mit besonderen Schäden für die Gesundheit gerechnet werden muss. Dass die rauchlose Zigarette auch im Rahmen einer Entwöhnungstherapie eingesetzt werden kann, ist insoweit ohne Bedeutung.
Schließlich begegnet die in Ziff. 2. der Ordnungsverfügung enthaltene Androhung eines Zwangsgeldes im Fall der Zuwiderhandlung keinen durchgreifenden Bedenken. Diese entspricht den gesetzlichen Anforderungen nach §§ 15, 17, 21, 23 Abs. 2 VwVG BB. Der Antragsgegner hat sich ermessensfehlerfrei für die Androhung eines Zwangsgeldes entschieden. Sie ist vorliegend das zweckmäßigste Zwangsmittel zur Durchsetzung der Ordnungsverfügung. Eine Ersatzvornahme scheidet wegen Fehlens einer vertretbaren Handlung aus, die Anwendung unmittelbaren Zwangs kommt wegen des noch weiter reichenden Eingriffs nur als letztes Mittel in Betracht. Da die Antragstellerin als Betreiberin einer Internet-Handelsplattform am Erlös der Fremdversteigerungen beteiligt ist (vgl. auch BGHZ, Urteil v. 19. April 2007, I ZR 35/04, zit. nach juris), ist das wirtschaftliche Interesse an der Nichtbefolgung der Ordnungsverfügung als hoch einzuschätzen. Der in Ansatz gebrachte Höchstbetrag von 50.000,-- Euro nach § 20 Abs. 1 VwVG BB erscheint danach als noch gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer sich an Ziff. 1.6.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2004) orientiert und vorliegend davon ausgeht, dass die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes höher ist als der für die Grundverfügung selbst zu bemessende Streitwert (Satz 2) der hier mit 15.000,00 Euro (vgl. Ziff. 54.2.1 des Streitwertkatalogs anzusetzen wäre. Wegen der Vorläufigkeit der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist dieser Wert auf die Hälfte zu reduzieren.
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