Urteil vom LG Hamburg 27. Zivilkammer
Entscheidungsdatum: 12.01.2012
Aktenzeichen: 327 O 443/11
Tenor
1) Die einstweilige Verfügung vom 17.8.2011 wird bestätigt.
2) Der Antragsgegner hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber im Angebot augenärztlicher Leistungen, insbesondere im Bereich der Behebung von Fehlsichtigkeit mittels einer sogenannten "LASIK Behandlung". Sie streiten vorliegend um die rechtliche Zulässigkeit eines Angebots des Antragsgegners auf dem Internetportal "g".
Die Antragstellerin betreibt in H eine Augenklinik. Der Antragsgegner betreibt eine Praxis in K (vgl. Anlage Ast 1).
Der Antragsgegner bot auf dem Internetportal "g" Gutscheine für sogenannte "LASIK Behandlungen" zu einem Preis von € 999,– statt eines regulären Preises i. H. v. € 4.200,– an (vgl. Anlage Ast 2). Auf den somit eingeräumten Rabatt i. H. v. 76 % wurde im Rahmen des Angebots an verschiedenen Stellen hingewiesen. Wegen der konkreten Ausgestaltung des Angebots wird auf die nachfolgend eingespiegelte Werbung verwiesen: ...
Hierin sah die Antragstellerin eine berufswidrige Werbung. Das aus der Anlage ersichtliche Anbieten und Bewerben von rabattierten ärztlichen Leistungen verstoße gegen § 27 der Berufsordnung für nordrheinische Ärzte. Dem Antragsgegner sei als niedergelassenem Arzt eine berufswidrige Werbung verboten. Berufswidrig sei dabei insbesondere eine anpreisende Werbung. Die hier streitgegenständliche Werbung sei jedoch anpreisend, werde hier doch in marktschreierischer Weise mit einem Rabatt von 76 % bzw. einem Preisnachlass von € 4.200,– auf € 999,– geworben.
Hilfsweise machte die Antragstellerin auch noch einen Verstoß des Antragsgegners gegen die Gebührenordnung für Ärzte geltend.
Auf dieser Grundlage erwirkte die Antragstellerin – nach erfolgloser Abmahnung (vgl. Anlage Ast 5 und Ast 6) – die einstweilige Verfügung der Kammer vom 17.8.2011, auf die verwiesen wird, und mit welcher dem Antragsgegner unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wurde,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs augenärztliche Leistungen zu reduzierten Preisen anzubieten und/oder anbieten zu lassen, wenn dies wie in der Anlage dargestellt geschieht.
Bei der Anlage zum Beschluss handelte es sich um den Auftritt des Antragsgegners auf dem Internetportals "g", wie aus der Anlage Ast 2 ersichtlich.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch verteidigt der Antragsgegner seine Werbung als rechtmäßig. Die angegriffene Werbung, so der Antragsgegner, sei in keinster Weise berufswidrig. Er habe lediglich im Rahmen des hier streitgegenständlichen Onlineauftritts auf die Möglichkeit einer "LASIK Behandlung" zu bestimmten, für ihn betriebswirtschaftlich aufbringbaren Konditionen hingewiesen. Die Art der Informationsbereitstellung für den Patienten sei gerade dazu geeignet, "Hemmschwellen" beim Patienten als Verbraucher abzubauen. Das Gesundheitswesen werde zudem durch preislichen Wettbewerb verbessert, da dieser nämlich zu einer Verbreitung der Gesundheitsfürsorge führe, statt das Gesundheitswesen zu gefährden. Der Antragsgegner verweist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung "Zweite Zahnarztmeinung" des BGH (GRUR 2011, S. 343).
Auch handele es sich nicht um ein marktschreierisches Angebot, dem man sich nicht entziehen könne. Die unterbreiteten Informationen müssten im Rahmen des streitgegenständlichen Auftritts erst vom Patienten gesucht werden. Nicht zuletzt gälten heute auch gelockertere Maßstäbe für die Außendarstellung von Heilberuflern, als dies früher der Fall gewesen sei. Vorliegend handele es sich im Ergebnis um die bloße Bereitstellung sachlicher Informationen und Behandlungsoptionen unter Darstellung der hierfür maßgeblichen Konditionen.
Selbst wenn man aber annehmen wollte, das streitgegenständliche Angebot unterfalle dem Verbot berufswidriger Werbung gem. § 27 BO, verstoße die gerichtliche Untersagungsverfügung gegen die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit des Art 12 GG. Ihm werde durch das gerichtliche Verbot die Möglichkeit genommen, am "normalen" (auch überregionalen) "Tagesgeschäft" in der Patienteninformation und Patientengewinnung teilzunehmen, also einen Weg zu wählen, der heute selbstverständlich zu den Informationsmedien gehört und auch von vielen unterschiedlichen Leistungserbringern genutzt werde. Durch eine Verwehrung sei nicht mehr gewährleistet, dass Patienten ausreichende Informationen vorab erhalten könnten. Gerade hierdurch werde ihm in grundrechtswidriger Weise die Möglichkeit genommen, sich berufsgetreu zu verhalten und Interessenten – auch unter Nutzung von Möglichkeiten neuer Medien – zu informieren.
Schließlich, so der Antragsgegner, werbe die Antragstellerin in gleicher Weise (vgl. Anlage B 1 bis B 3), was zeige, dass es ihr in vorliegendem Fall ausschließlich um die Ausschaltung eines Konkurrenten mittels einer einstweiligen Verfügung gehe.
Der Antragsgegner beantragt,
die einstweilige Verfügung der Kammer vom 17.8.2011 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die einstweilige Verfügung zu bestätigen,
deren Bestand sie verteidigt.
Sie nimmt Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, sie habe – entgegen dem anders lautenden Vorbringen des Antragsgegners – nicht in gleichartiger Weise geworben. Bei den vom Antragsgegner als Anlage B 1 vorgelegten Ausdrucken handele es sich ausnahmslos um Angebote anderer E Gesellschaften und nicht von ihr. Soweit dort ein vermeintlicher Angebotspreis von € 499,– ersichtlich sei, so habe es sich hierbei nicht um den tatsächlichen Preis gehandelt, sondern es müsse sich hierbei vielmehr um einen technischen Fehler auf Seiten des Plattformbetreibers bei der Anzeige des bereits abgelaufenen Angebots gehandelt haben. Ausweislich der Anlage B 1 werde dort die Möglichkeit einer Teilzahlung von € 499,– angeboten, so dass davon auszugehen sei, dass sich die Angabe hierauf bezogen habe.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.
Gründe
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 17.8.2011 ist zu bestätigen. Sie erweist sich auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens des Antragsgegners als rechtmäßig. Mit der Antragstellerin ist davon auszugehen, dass es sich bei dem inkriminierten Internetauftritt des Antragsgegners um eine übermäßig anpreisende Werbung handelt. Der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin basiert auf § 27 Abs. 3 ÄBeO i. V. m. §§ 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG.
Im Einzelnen:
Die Kammer hat bereits in ihrem gerichtlichen Hinweis vom 23.12.2011 ausgeführt:
"In Vorbereitung des Termins am 12.1.2012 wird der Antragsgegner darauf hingewiesen dass seinem Widerspruch – nach vorläufiger rechtlicher Einschätzung der Kammer – wohl keine Erfolgsaussichten beizumessen sein dürfte. Dies ergibt sich aus den nachfolgenden Erwägungen:
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Hinweis des Antragsgegners auf vermeintlich gleichartiges Verhalten der Antragstellerin im Streitfall unerheblich ist. Dies, da der Einwand der "unclean hands" im Unterlassungsprozess grundsätzlich nicht greift und im Übrigen die Möglichkeit zur Widerklage (resp. eines Verfügungsverfahrens) besteht (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 29 Aufl., § 11 UWG, Rdnr. 2.39).
In der Sache selbst erweist sich das Verbot nach vorläufiger rechtlicher Einschätzung der Kammer als rechtmäßig. Auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens des Antragsgegners ist die Kammer weiterhin der Auffassung, dass der Antragsgegner durch die inkriminierte Werbung die Grenze einer sachgerechten Information überschritten hat und hier in unzulässiger Weise übermäßig anpreisend geworben hat, was das Verbot rechtfertigt (§ 27 Abs. 3 ÄBeO i. V. m. §§ 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG) .
Anpreisend i. S. v. § 27 Abs. 3 ÄBeO ist eine besonders nachdrückliche Form der Werbung, insbesondere mit reißerischen bzw. marktschreierischen Mitteln (vgl. Scholz in: Spieckhoff, Medizinrecht, § 27 MBO, Rdnr. 7). Sie ist gekennzeichnet durch Übertreibungen und die Verwendung von Superlativen mit dem Ziel, die eigene Leistung besonders wirkungsvoll herauszustellen und den Adressaten/Patienten suggestiv zu beeinflussen (vgl. Koch, MedR 2009, S. 387).
Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze ist im Streitfall von einer unzulässigen anpreisenden Werbung des Antragsgegners auszugehen. Im Rahmen der inkriminierten Werbung informiert der Antragsgegner nicht in sachlicher Art und Weise über sein Dienstleistungsangebot, sondern er bewirbt dieses in übermäßig anpreisender Weise. Dies ergibt sich zunächst aus der deutlich hervorgehobenen Angabe "Sehqualität und Sehschärfe wie noch nie für 999 statt 4.200 €" (Unterstreichung durch das Gericht). Ferner durch die deutliche Angabe eines 76%tigen Rabattes und einer Preisersparnis von € 3.201,00. Der angesprochene Verkehr wird darüber hinaus auch unter einen gewissen Druck gesetzt – nämlich da er die Behandlung "Jetzt kaufen!" (Untereichung durch das Gericht) soll, da das Angebot nur noch knapp 5 1/2 Stunden läuft. Ferner weist der Antragsgegner darauf hin, dass bereits 27 Personen sein Angebot in Anspruch genommen haben – der "Deal" aber weiterhin stattfinde (man mithin nicht der einzige Käufer sei).
Die Frage, ob und wie der Antragsgegner in rechtlich zulässiger Weise sein Angebot über das Onlineportal ... anbieten kann, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. So wie aus der Anlage zum Beschluss ersichtlich darf er es offensichtlich aber nicht.
Soweit der Antragsgegner sich zur Rechtfertigung seines Verhaltens auf die Entscheidung "Zweite Zahnarztmeinung" des BGH berufen hat (GRUR 2011, S. 343), geht dieser Hinweis fehl. Dies, da sich der dortige Sachverhalt von Vorliegendem gänzlich unterscheidet. Im vorliegenden Fall geht es nicht darum, ob es grundsätzlich unzulässig ist, Patienten auf ein (gegenüber einem zuvor abgegebenen ersten Kostenvoranschlag) günstiges Angebot hinzuweisen, sondern vielmehr um die Art und Weise der Bewerbung eines Angebotes. In diesem Zusammenhang ist aber regelmäßig auf die Art und Weise des jeweiligen konkreten Falls abzustellen.
Entgegen dem anders lautenden Vortrag des Antragsgegners greift das in Rede stehende Verbot auch nicht in unzulässiger Weise in seine grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit ein. Das Grundrecht der Berufsfreiheit in Art. 12 GG ist nicht schrankenlos gewährleistet, sondern finde seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen. Bei Fragen der Berufsausübung erweist sich eine Schranke bereits dann als zulässig i. S. v. Art 12 GG, wenn sie durch "vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls" gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG NJW 2010, S. 833 – Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung). Um eine solche – zulässige – Schranke der Berufsausübungsfreiheit handelt es sich mithin bei der Regelung in § 27 ÄBeO.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass dem Antragsgegner Werbung für die von ihm angebotenen Leistungen – auch mittels des Internets – durch die Regelung in § 27 ÄBeO nicht schlechterdings verboten ist. Untersagt ist lediglich eine übermäßig anpreisende Werbung seiner Leistungen. Dass im Streitfall vom Vorliegen einer solchen auszugehen ist, ist bereits dargetan worden.
Erweist sich das Verbot schon aus den dargetanen Gründen als rechtmäßig, kann die Frage eines (weiteren) Verstoßes gegen die GOÄ im Ergebnis dahingestellt bleiben."
An diesen Ausführungen hält die Kammer weiter fest.
Soweit der Antragsgegner im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Zulässigkeit seiner Werbung unter Hinweis auf zwei Entscheidungen des Bundeverfassungsgerichts verteidigt hat, vermag auch dies eine abweichende Entscheidung nicht zu rechtfertigen.
Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Entscheidung 1 BvR 191/05 vom 13.7.2005. Der dortige Sachverhalt war dadurch gekennzeichnet, dass die dortigen reißerisch anmutenden Anpreisungen für die Werbung als solche insgesamt nicht prägend waren. Das Bundesverfassungsgericht hat für einen solchen Fall statuiert, dass ein Schluss von (reißerischen) Einzelpassagen auf den Gesamtcharakter einer Werbung nur dann verfassungsrechtlich tragbar ist, wenn die herausgegriffenen Passagen charakterisierend für die Werbung insgesamt sind. Im dortigen Fall hat das Gericht eine solche Prägung verneint, da im Vordergrund der drei dort in Rede stehenden Texte die sachliche Information potentieller Patienten über die Behandlungs- und Operationsmethode des dortigen Beschwerdeführers standen. Beschrieben wurde – ausweislich der gerichtlichen Feststellungen – eine relativ neue, vielfach noch unbekannte Behandlungsmethode, wobei die beanstandeten Texte in erster Linie Informationen über Inhalt, Bedeutung und Möglichkeiten der praktizierten Behandlung vermittelt haben.
Vorliegender Sachverhalt unterscheidet sich von der der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhaltskonstellation aber diametral. Im hiesigen Streitfall informiert der Antragsgegner allenfalls rudimentär über die von ihm beworbene "LASIK Behandlung" und die mit der Inanspruchnahme des Gutscheins verbundenen Konditionen. Im Vordergrund stehen vielmehr die bereits im vorstehend angeführten gerichtlichen Hinweis dargestellten übermäßig anpreisenden werblichen Auslobungen, was sich bereits aus der aus der Anlage ersichtlichen konkreten graphischen Ausgestaltung des Angebots ergibt. Gerade diese sind es jedoch, welche dem inkriminierten Angebot das Gepräge geben und dieses charakterisieren.
Ohne Erfolg beruft sich der Antragsgegner schließlich noch auf die weiter von ihm ins Feld geführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1.6.2011 (GRUR 2011 S. 838 – Zahnarzt für Implantologie). Soweit der Antragsgegner unter Hinweis auf diese Entscheidung vorgetragen hat, wenn schon eine Verlosung medizinischer Leistungen im Hinblick auf die grundrechtlich garantierte Berufsausübungsfreiheit zulässig sei, müsse dies erst recht für die hier in Rede stehende Werbung gelten, findet diese Argumentation in der angeführten Entscheidung schon keine Stütze. Der Antragsgegner bietet mit der von ihm offerierten "LASIK" Behandlung eine Behandlungsmaßnahme an, mit der nicht nur unerheblich in die körperliche Integrität eines Menschen eingegriffen wird. Bzgl. solcher Behandlungsmaßnahmen hat das Bundesverfassungsgericht aber festgestellt, dass diese grundsätzlich geeignet sind, schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit, nämlich das Schutzgut der Gesundheit der Bevölkerung, zu betreffen und ein entsprechendes Verbot einer Verlosung auch mit der grundgesetzlich gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit vereinbar ist. Da in der angeführten Entscheidung auch die Verlosung als solche in keinster Weise in besonders aufdringlicher Art und Weise erfolgen sollte, vermag mithin im Ergebnis auch der Hinweis auf die vorstehend angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dem Widerspruch des Antragsgegners nicht zum Erfolg zu verhelfen.
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