Urteil vom Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen 2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 06.05.2004
Aktenzeichen: 2 U 106/03
Tenor
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Bremen vom 13.11.2003 wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Verfügungsklägerin (Klägerin) nimmt die Verfügungsbeklagte (Beklagte) auf Unterlassung einer Rundfunkwerbung in Anspruch. Wegen des Tatbestandes wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Das LG - 2. Kammer für Handelssachen - hat durch Urteil vom 13.11.2003 die zunächst antragsgemäß erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Ergänzung wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und die einstweilige Verfügung vom 6.11.2003 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Berufung der Klägerin ist zwar statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, insb. in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO) .
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils angestellten Erwägungen treffen zu.
Es besteht für die Klägerin kein Verfügungsanspruch. Ihr steht nicht der Anspruch aus § 3 UWG zu, die von ihr beanstandete Rundfunkwerbung
„Hallo Leute … Es lebe billig. Billiger als Makro Markt. Geht nicht. Sollten Sie trotzdem… zahlen wir Ihnen den Differenzbetrag einfach aus. Das ist echte Tiefpreisgarantie …”
zu unterlassen. In dieser Werbeaussage liegt keine verbotene Irreführung i.S.d. § 3 UWG.
Die Ausführungen im Urteil der Kammer für Handelssachen treffen zu.
Die Behauptung „billiger … geht nicht” enthält nicht die Inanspruchnahme einer Alleinstellung. Entscheidend ist die Auffassung des Verkehrs. Es kommt darauf an, welche Wirkung die Werbung auf einen nicht unerheblichen - nicht völlig unbeachtlichen - Teil der Verkehrskreise hat, an den sie sich wendet. Beim Verbraucher darf durch die Werbung keine irrige Vorstellung hervorgerufen werden (Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl., § 3 UWG Rz. 23). Zwar ist eine Alleinstellungswerbung irreführend, wenn sie nicht wahr ist. Durch die Verwendung eines Superlativs in der Werbeaussage wird bei den angesprochenen Verkehrskreisen zwar häufig, aber nicht automatisch die Vorstellung von einer Alleinstellung des Werbenden hervorgerufen. Die Beurteilung der Werbung muss in jedem einzelnen Fall individuell danach vorgenommen werden, wie der Adressatenkreis die Werbung auffasst, wobei es vor allem auf den Gesamtzusammenhang der Werbeaussage ankommt (Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl., § 3 UWG Rz. 68).
Die von der Klägerin beanstandete Werbung wird von den Verkehrskreisen nicht als Alleinstellungswerbung aufgefasst. In ihrer Aussage geht sie lediglich dahin, dass die Beklagte damit kundgibt, sie stelle sich in die Gruppe der preisgünstigsten Anbieter. Sie behauptet nicht etwa, sie sei preisgünstiger als andere Wettbewerber. Eine derartige Inanspruchnahme einer alleinigen Spitzenstellung wird bereits durch das Fehlen der grammatischen Superlativform vermieden.
Vielmehr ist der Werbung die Aussage zu entnehmen, die Beklagte bewege sich mit ihrem Sortiment in der Gruppe der billigsten Anbieter, und ihr Warenangebot sei insgesamt ebenso preisgünstig. Dass eine solche Aussage unwahr ist, wird durch den neuen Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung nicht belegt. Der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher weiß, dass die Einordnung in die Spitzengruppe der preisgünstigsten Anbieter nur in der Gesamtschau gilt und insb. nicht bedeutet und bedeuten kann, die Beklagte werde bei keinem ihrer Artikel preislich unterboten. Er weiß, dass unmöglich bei jedem Artikel der niedrigste Preis im Verhältnis zu den Konkurrenten eingehalten werden kann. Unterbietungen im Einzelfall sind möglich und auch keineswegs unwahrscheinlich. Wie dem durchschnittlich informierten Kunden bekannt ist, lassen sich billigere Preise bei der Konkurrenz im Einzelfall schon deswegen weder ausschließen noch verhindern, weil die Preisbildung täglich im Fluss ist und ein heute noch einmalig erscheinendes günstiges Angebot schon morgen vom Wettbewerber wiederum unterboten werden kann.
Im hier vorliegenden Fall kommt als ein weiterer Gesichtspunkt hinzu, dass selbst eine scheinbare Alleinstellung sofort mit dem Satz eingeschränkt wird, dass dem Kunden, der bei einem anderen Anbieter im Umkreis von 30 km innerhalb von 30 Tagen bei gleicher Leistung ein günstigeres Angebot gesehen hat, das Recht eingeräumt wird, den Differenzbetrag von der Beklagten zu fordern. Dieser Zusatz verstärkt nicht etwa die angebliche preisliche Alleinstellung, sondern relativiert sie vielmehr, da er deutlich macht, dass die Beklagte mit den billigsten Anbietern nur gleichziehen, sie aber nicht etwa unterbieten will (vgl. OLG Bremen, Urt. v. 19.2.2004 - 2 U 94/03).
Im Übrigen fordert diese Werbung der Beklagten den Kunden zur eigenen Überprüfung durch Preisvergleich auf, indem sie sich selbst den Folgen einer möglichen Unrichtigkeit ihrer Aussage bei Preisunterbietung durch die Konkurrenz stellt. Dies wird durch die Festlegungen „30 Tage, 30 km Umkreis” weiter präzisiert, so dass dem Kunden auch noch konkrete Überprüfungs-vorgaben an die Hand gegeben werden.
Diese mit der „Tiefpreisgarantie” verbundene Aufforderung und Zusage tritt in der Rundfunkwerbung auch hinreichend deutlich hervor. Sie wird von dem übrigen Werbetext durch einen Wechsel des Sprechers (eine Stimme aus dem „Off” löst den Sprecher des einleitenden Textes ab) abgesetzt, so dass die damit verbundene akustische Signalwirkung die Aufmerksamkeit des Hörers aufrecht erhält und der Inhalt mithin von diesem gut erfasst werden kann.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
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