Baden Würtemberg

Urteil vom BVerfG 2. Senat 2. Kammer

Entscheidungsdatum: 11.08.2009
Aktenzeichen: 2 BvR 941/08

Tenor

Das Urteil des Amtsgerichts Güstrow vom 15. Januar 2007 - 971 OWi 343/06 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock vom 20. März 2008 - 2 Ss (OWi) 128/07 I 99/07 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Gerichtsentscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Güstrow zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

...

Gründe


A.

I.

Der Landrat des Landkreises Güstrow setzte nach Anhörung mit Bescheid vom 4. Mai 2006 gegen den Beschwerdeführer wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (§ 41 Abs. 2, § 49 StVO) ein Bußgeld in Höhe von 50 Euro fest, wobei es sich um eine im Verkehrszentralregister einzutragende und mit drei Punkten bewertete Ordnungswidrigkeit handelte. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe mit seinem Pkw am 16. Januar 2006 die BAB 19 Richtung Rostock befahren und dabei bei km 98,6 die zulässige Höchstgeschwindigkeit (100 km/h) außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h überschritten. Die von der Ordnungsbehörde vorgenommene Geschwindigkeitsmessung erfolgte mit dem Verkehrskontrollsystem Typ VKS der Firma V.

Der Beschwerdeführer legte fristgerecht Einspruch ein und rügte unter anderem, die Video-Aufzeichnung des Verkehrsverstoßes sei ohne ausreichende Rechtsgrundlage angefertigt worden. Es habe an einem konkreten Tatverdacht gefehlt. Weder im Gefahrenabwehrrecht noch im Ordnungswidrigkeitenrecht finde sich eine Befugnis für eine allgemeine oder automatisierte Videoüberwachung, deren Voraussetzungen erfüllt seien. Aus der Schwere des Rechtsverstoßes ergebe sich ein Verwertungsverbot. In der Hauptverhandlung wiederholte er die Einwendungen.

Das Amtsgericht Güstrow verwies im Rahmen der Hauptverhandlung laut Sitzungsprotokoll auf Erlasse zur Verkehrsüberwachung vom 6. September 2002 sowie vom 1. März 2003 und verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 15. Januar 2007 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 50 Euro. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 16. Januar 2006 die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 29 km/h überschritten habe. Die Messung sei mit dem geeichten Verkehrskontrollsystem Typ VKS 3.0 der Firma V. durchgeführt worden. Dabei handele es sich um ein zugelassenes System. Das Gericht habe den Beschwerdeführer als die auf dem Foto abgebildete Person erkannt. Die Verkehrsüberwachung sei zulässig gewesen. Sie sei durch den Erlass des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern zur Überwachung des Sicherheitsabstandes nach § 4 der Straßenverkehrsordnung vom 1. Juli 1999 gestattet worden.

Seinen fristgerecht gestellten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde begründete der Beschwerdeführer damit, dass die Angaben in den Urteilsgründen zum Erlass zur Überwachung des Sicherheitsabstandes falsch und unvollständig seien. Es erscheine geboten, die Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen, weil aus grundrechtlicher Sicht (allgemeines Persönlichkeitsrecht) für einen Eingriff durch eine Videoaufzeichnung die Ermächtigungsgrundlage habe benannt sowie auf Reichweite und Rechtmäßigkeit überprüft werden müssen. Ihm sei auch das rechtliche Gehör versagt worden. Seine Rüge, es habe an einer Ermächtigungsgrundlage gefehlt, habe das Gericht nicht berücksichtigt.

Das Oberlandesgericht Rostock verwarf den Antrag mit Beschluss vom 20. März 2008 als unbegründet. Soweit er rüge, der Tatrichter sei weder in der mündlichen Verhandlung noch in den Urteilsgründen hinreichend auf die rechtlichen Einwendungen eingegangen, sei darin kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu erblicken. Das Gericht sei nicht verpflichtet, jedes Vorbringen eines Betroffenen zu bescheiden. Es habe seine Rechtsauffassung dargelegt. Ein näheres Eingehen auf die davon abweichende Auffassung des Beschwerdeführers sei nicht erforderlich gewesen.

II.

Mit seiner fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG sowie aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

Er macht im Wesentlichen geltend, die Videoaufzeichnung stelle einen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten seien von einer Autobahnbrücke aus alle durchfahrenden Fahrzeuge verdeckt gefilmt worden. Der jeweilige Fahrer sei erkennbar und identifizierbar aufgenommen worden. Eine vorherige Auswahl dahingehend, ob der Betroffene eines Verkehrsverstoßes verdächtig sei, habe nicht stattgefunden. Daher hätte kein Verkehrsteilnehmer die Möglichkeit gehabt, sich durch rechtmäßiges Verhalten der Videoaufzeichnung zu entziehen. Die Löschung sei frühestens nach Auswertung erfolgt. Für eine derartige Geschwindigkeitsüberwachung bestehe keine gesetzliche Grundlage, weshalb der Grundrechtseingriff nicht gerechtfertigt sei.

Das Urteil des Amtsgerichts verletze ihn in seinen Grundrechten, weil das Amtsgericht dieses Vorbringen nicht in seine Urteilsfindung einbezogen habe. Die Bezeichnung eines Erlasses als Rechtsgrundlage für die mittels einer dauerhaft verdeckten Videoaufzeichnung vorgenommenen Geschwindigkeitsmessung sei offensichtlich unvertretbar und gehe über eine abweichende Rechtsauffassung oder einen einfachen Rechtsirrtum hinaus. Vielmehr seien Grundrechte komplett übersehen worden. Das Fehlen einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung hätte nach der Abwägungslehre des Bundesgerichtshofs zu einem Beweisverwertungsverbot führen müssen. Es liege ein bewusster oder zumindest grob fahrlässiger Rechtsverstoß der Behörden vor, der mit einem gravierenden Grundrechtseingriff verbunden sei. Diese Fehler seien vom Oberlandesgericht verfestigt worden.

III.

Dem Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern wurde gemäß § 94 BVerfGG Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Es hat von einer Stellungnahme abgesehen.

B.

In dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang nimmt die Kammer die insoweit zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind insoweit gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 87, 273 <278 f.>; 96, 189 <203>). Die Verfassungsbeschwerde ist auch offensichtlich begründet. Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.

I.

Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen verstoßen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Bedeutung als Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG).

1. Das dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) folgende Willkürverbot zieht der Rechtsprechung bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts nur gewisse äußerste Grenzen (vgl. BVerfGE 42, 64 <73>). Nicht jede fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts stellt daher auch einen Gleichheitsverstoß dar. Von Willkür kann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 87, 273 <278 f.>; 96, 189 <203>). Ein Richterspruch ist jedoch willkürlich und verstößt damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 62, 189 <192>; 70, 93 <97>; 96, 189 <203>). In einem derartigen Fall kommt ein verfassungsgerichtliches Eingreifen in Betracht (vgl. BVerfGE 62, 189 <192>). Dabei ist Willkür nicht im Sinne eines subjektiven Vorwurfs sondern objektiv zu verstehen, als eine Maßnahme, die im Verhältnis zu der Situation, der sie Herr werden will, tatsächlich und eindeutig unangemessen ist (vgl. BVerfGE 62, 189 <192>; 70, 93 <97>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Oktober 1998 - 2 BvR 1328/96 -, NVwZ-Beilage 1999, S. 10 f.).

2. Die angegriffenen Entscheidungen halten einer an diesen Maßstäben ausgerichteten verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Rechtsauffassung, die mittels einer Videoaufzeichnung vorgenommene Geschwindigkeitsmessung könnte auf einen Erlass eines Ministeriums gestützt werden, ist unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar und daher willkürlich.

a) In der vom Beschwerdeführer angefertigten Videoaufzeichnung liegt ein Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen (vgl. BVerfGE 65, 1 <42 f.>). Durch die Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials wurden die beobachteten Lebensvorgänge technisch fixiert. Sie konnten später zu Beweiszwecken abgerufen, aufbereitet und ausgewertet werden. Eine Identifizierung des Fahrzeuges sowie des Fahrers war beabsichtigt und technisch auch möglich. Auf den gefertigten Bildern sind das Kennzeichen des Fahrzeuges sowie der Fahrzeugführer deutlich zu erkennen. Das Amtsgericht hat im angegriffenen Urteil ebenfalls festgestellt, dass ausreichende Konturen auf den Bildern vorhanden sind, und den Beschwerdeführer als die abgebildete Person identifiziert. Dass die Erhebung derartiger Daten einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt, entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1 BvR 2492/08 -, Umdruck, S. 26; BVerfGE 120, 378 <397 ff.>; BVerfGK 10, 330 <336 f.>).

Der Eingriff in das Grundrecht entfällt nicht dadurch, dass lediglich Verhaltensweisen im öffentlichen Raum erhoben wurden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trägt in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen des Einzelnen, der sich in die Öffentlichkeit begibt, Rechnung (vgl. BVerfGE 65, 1 <45>; 120, 378 <398 f.>; BVerfGK 10, 330 <336>). Es liegt auch kein Fall vor, in dem Daten ungezielt und allein technikbedingt zunächst miterfasst, dann aber ohne weiteren Erkenntnisgewinn, anonym und spurenlos wieder gelöscht werden, so dass aus diesem Grund die Eingriffsqualität verneint werden könnte (vgl. dazu BVerfGE 115, 320 <343>; 120, 378 <399>). Die vom Beschwerdeführer angefertigten Videoaufnahmen wurden gerade in einem Bußgeldverfahren als Beweismittel genutzt. Inwiefern zwischen Übersichtsaufnahmen des auflaufenden Verkehrs und Aufnahmen der Fahrzeugführer sowie der Kennzeichen zu differenzieren ist, kann offen gelassen werden.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist der Einschränkung im überwiegenden Allgemeininteresse zugänglich. Diese bedarf jedoch einer gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht und verhältnismäßig ist (vgl. BVerfGE 65, 1 <43 f.>; 120, 378 <401 ff.>; BVerfGK 10, 330 <337>). Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfGE 65, 1 <44 ff.>; 100, 313 <359 f.>; BVerfGK 10, 330 <337 f.>).

b) Das Amtsgericht hat im angefochtenen Urteil die mittels einer Videoaufzeichnung vorgenommene Geschwindigkeitsmessung auf den Erlass zur Überwachung des Sicherheitsabstandes nach § 4 StVO des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juli 1999 (Az.: V 652.621.5-2-4) gestützt und damit diesen als Rechtsgrundlage für Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung herangezogen.

Eine solche Rechtsauffassung ist verfehlt und unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar. Es handelt sich bei dem Erlass - ausweislich der einleitenden Bemerkung - um eine Verwaltungsvorschrift und damit um eine verwaltungsinterne Anweisung. Derartige Regelungen, durch die eine vorgesetzte Behörde etwa auf ein einheitliches Verfahren oder eine einheitliche Gesetzesanwendung hinwirkt, stellen kein Gesetz im Sinn des Art. 20 Abs. 3 sowie des Art. 97 Abs. 1 GG dar und sind grundsätzlich Gegenstand, nicht Maßstab der richterlichen Kontrolle (vgl. BVerfGE 78, 214 <227>). Eine Verwaltungsvorschrift kann für sich auch keinen Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung rechtfertigen, da es einer formell-gesetzlichen Grundlage bedarf. Der parlamentarische Gesetzgeber hat über einen derartigen Eingriff zu bestimmen und Voraussetzungen sowie Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar festzulegen (vgl. BVerfGE 65, 1 <44>). Das Amtsgericht, das im Erlass des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg - Vorpommern eine hinreichende Grundlage für die konkret durchgeführte Verkehrsüberwachung und damit auch für die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Grundrechtseingriffe gesehen hat, setzt sich mit dieser verfassungsrechtlichen Problematik nicht ansatzweise auseinander.

Ausweislich der Ziffer 1 hat der Erlass im Übrigen nur die ortsfeste Überwachung des Sicherheitsabstandes von Kraftfahrzeugen zum vorausfahrenden Fahrzeug zum Gegenstand. Die Verfolgung anderer Ordnungswidrigkeiten soll dagegen unberührt bleiben. Mit der Frage der Anwendbarkeit auf den Fall des Beschwerdeführers, dem gerade kein Verstoß gegen die Abstandsregelungen des § 4 StVO vorgeworfen wurde, sondern die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, setzt sich das Urteil ebenfalls nicht auseinander.

Ob es zutrifft, dass die Anfertigung der Videoaufzeichnung nach keiner gesetzlichen Befugnis gestattet war und ob, wenn dies der Fall ist, daraus ein Beweisverwertungsverbot folgt, wird das Amtsgericht erneut zu prüfen haben.

c) Das Oberlandesgericht hat diesen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 bekräftigt, weil es den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen hat. Indem es dabei auf die Rechtsauffassung des Amtsgerichts verwiesen hat, hat es sich dessen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbare Begründung zu Eigen gemacht.

3. Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen beruhen auch auf dem festgestellten Verfassungsverstoß, da nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die Gerichte im Fall ordnungsgemäßer Prüfung zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangt wären (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 55, 95 <99>; 89, 381 <392 f.>; BVerfG, /Beschluss/ der /2./ /Kammer des Zweiten Senats/ vom 31. August 1993 - 2 BvR 843/93 -, NJW 1994, S. 847). Anhand der insofern unvollständigen Urteilsfeststellungen ist nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen einer Rechtsgrundlage für den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erfüllt wären und dass der Vortrag des Beschwerdeführers daher insofern unzutreffend wäre.

Nach den allgemeinen strafprozessualen Grundsätzen (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. 2008, Einl Rn. 55 ff., m.w.N.), die über § 46 Abs. 1 OWiG auch im Bußgeldverfahren sinngemäß anwendbar sind, kann aus einem Beweiserhebungsverbot auch ein Beweisverwertungsverbot folgen (vgl. Lampe, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, § 46 Rn. 18; Seitz, in: Göhler, OWiG, 14. Aufl. 2006, § 46 Rn. 10c m.w.N.). Dies ist in Fällen, in denen keine gesetzliche Regelung getroffen ist, anhand einer Betrachtung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009, § 26 StVG, Rn. 2; Lampe, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, § 46 Rn. 18; Seitz, in: Göhler, OWiG, 14. Aufl. 2006, § 46 Rn. 10c). Es erscheint danach zumindest möglich, dass die Fachgerichte einen Rechtsverstoß annehmen, der ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht. Ein günstigeres Ergebnis kann daher nicht ausgeschlossen werden.

4. Da die Verfassungsbeschwerde schon wegen der Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG begründet ist, bedarf es nicht der Entscheidung, ob darüber hinaus weitere Grundrechte verletzt sind.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist im Übrigen unzulässig.

Durch den Bußgeldbescheid ist der Beschwerdeführer nicht mehr beschwert. Nach einem zulässigen Einspruch hat ein Bußgeldbescheid grundsätzlich nur noch die Funktion einer Beschuldigung, die den Gegenstand des Verfahrens begrenzt (vgl. Seitz, in: Göhler, OWiG, 14. Aufl. 2006, Vor § 65, Rn. 8, m.w.N.; vgl. auch BGHSt 23, 280; 23, 336 <338 f.>).

Soweit der Beschwerdeführer sich darauf beruft, durch die Videoaufzeichnung sei sein allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzt worden, fehlt es an der Erschöpfung des Rechtswegs. Er hat keine gerichtliche Entscheidung über die Zulässigkeit herbeigeführt, etwa nach § 62 OWiG.

Im Übrigen wird von einer weiteren Begründung abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

III.

Die Kammer hebt die angegriffenen Gerichtsentscheidungen nach Maßgabe der § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG auf und verweist die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.

IV.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Da der nicht zur Entscheidung angenommene Teil der Verfassungsbeschwerde von untergeordneter Bedeutung ist, sind die Auslagen in vollem Umfang zu erstatten (vgl. BVerfGE 86, 90 <122>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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