Hamburg

Urteil vom Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 3. Zivilsenat

Entscheidungsdatum: 06.05.2004
Aktenzeichen: 3 U 116/03

Tenor

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 7 für Handelssachen, vom 4. März 2003 (407 O 37/03) wie folgt abgeändert:

Die einstweilige Verfügung wird hinsichtlich der Ziffer 1, 2. Alternative wie folgt neu erlassen:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall bis zu 250.000 €, Ordnungshaft insgesamt höchsten zwei Jahre) verboten,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

auf dem Gebiet der Vermittlung von Telefongesprächen mit folgenden Angaben zu werben und/oder werben zu lassen:

/„So können Sie beispielsweise tagsüber von Montag bis Freitag von 7-19 Uhr für 3,09 ct/min im Ortsbereich telefonieren. An allen übrigen Zeiten sogar für nur 1,59 ct/min. Auch alle Ferngespräche sind unerreicht günstig (z.B. nach USA für 4 ct/min“./

Im Übrigen werden die Berufung sowie der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, soweit er nicht zurückgenommen wurde.

Von den Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt die Antragstellerin ¾ und die Antragsgegnerin ¼.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 200.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, das größte deutsche Telekommunikations-Unternehmen, betreibt ein bundesweites Telefonnetz und stellt den Verbrauchern auch die Telefonanschlüsse zur Verfügung. Die Antragsgegnerin vermittelt ebenfalls Telefongespräche im Festnetz, und zwar sowohl im Wege der sog. „Pre-Selection“ als auch im Call by Call-Verfahren. Hinsichtlich der von den Parteien angebotenen Tarife wird auf die Anlagen K 2, K 3, K 4, K 7, AG 4 und AG 5 Bezug genommen.

Am 23.1.2003 erschien im redaktionellen Teil der wöchentlich verkauften Zeitung „Horizont“, welche sich ausweislich ihrer Eigenwerbung gemäß Anlage AG 3 als „Zeitung für Marketing, Werbung und Medien“ bezeichnet, der aus den Anlagen K 12, AG 1 ersichtliche Artikel. In dem Beitrag, der mit „Tele 2 greift nach den Kunden der Telekom“ überschrieben ist, wird der Marketingleiter der Antragsgegnerin, Herr M., wie folgt zitiert:

„Es gibt keine Werbeform, mit der wir die Preisführerschaft von T. gegenüber dem Verbraucher effektiver kommunizieren können als der direkte und provokative Vergleich mit dem Wettbewerber“.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Anlagen Bezug genommen.

Ende Januar 2003 fand bei dem Unternehmen „e.“ Internetauktionen statt, in der ein unter dem e.-Namen „...“ handelnder S. zum einen „Ortsgespräche ab 1,59 ct/min“ (Artikelnummer ...) anbot. In der Produktbeschreibung wurde als Anbieter „eine der führenden Telefongesellschaften in Europa“ benannt. Weiter hieß es dort unter „Vorteile für Sie“:

„... So können Sie beispielsweise tagsüber von Montag bis Freitag von 7-19 Uhr für 3,09 ct/min im Ortsbereich telefonieren. An allen übrigen Zeiten sogar für nur 1,59 ct/min. Auch alle Ferngespräche sind unerreicht günstig (z.B. nach USA für 4 ct/min“.

S. suchte außerdem mittels e.-Auktionen „Vertriebspartner“. In der Beschreibung des Auktionsgegenstandes hieß es unter anderem:

„Unser Anbieter ist eine der führenden Telefongesellschaften Europas und bereits seit Öffnung des freien Marktes in Deutschland tätig. Sie hat im Festnetzbereich mit günstigen Tarifen Standards gesetzt und ist beim Kunden durch Service und ein gutes Preis-Leistungsverhältnis bekannt. Verdienen Sie durch die Vermittlung dieser günstigen Telefontarife!

Vorteile für Ihre Kunden:

• Günstige Tarife (durchschnittlich mehr als 50 % Ersparnis gegenüber Telekom)

• ...“.

Auf die Anlage K 14 wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

In den Informationen zu den e.-Auktionen war die Antragsgegnerin nicht ausdrücklich als diejenige Telefongesellschaft benannt worden, welche in den Auktionen gemeint war. Über die Option „Fragen an den Verkäufer“ konnten Interessierte jedoch nachfragen und erhielten dann die aus der Anlage K 14 ersichtliche E-Mail der Firma I. S., in der offen gelegt wurde, dass es um die Vermittlung von Telefontarifen der Antragsgegnerin geht.

Weiter verbreitete eine Vertriebspartnerin der Antragsgegnerin einen Werbeflyer, in dem die Aussage „Absolut unschlagbar - Der neue T.-Tarif“ enthalten war (Anlage K13, nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens).

Die Antragstellerin beanstandet die werblichen Äußerungen insbesondere unter dem Gesichtspunkt der irreführenden Alleinstellungsbehauptung als wettbewerbswidrig.

Die Antragstellerin hat beantragt,

es der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1.

auf dem Gebiet der Vermittlung von Telefongesprächen mit einer preislichen Alleinstellung zu werben und/oder werben zu lassen, insbesondere, wenn dies geschieht mit Angaben wie:

„Es gibt keine Werbeform, mit der wir die Preisführerschaft von T. gegenüber dem Verbraucher effektiver kommunizieren könnten als der direkte und provokative Vergleich mit dem Wettbewerber“

und/oder

„Absolut unschlagbar - der neue T. Tarif“

und/oder

„So können Sie beispielsweise tagsüber von Montag bis Freitag von 7-19 Uhr für 3,09 ct/min im Ortsbereich telefonieren. An allen übrigen Zeiten sogar für nur 1,59 ct/min. Auch alle Ferngespräche sind unerreicht günstig (z.B. nach USA für 4 ct/min“;

und/oder

„Sie hat im Festnetzbereich mit günstigen Tarifen Standards gesetzt“;

und/oder

2.

mit der pauschalen Behauptung zu werben und/oder werben zu lassen, die Verbraucher könnten durchschnittlich mehr als 50 % Ersparnis gegenüber der Antragstellerin erzielen, insbesondere wenn dies geschieht mit Angaben wie:

„Günstige Tarife (durchschnittlich mehr als 50 % Ersparnis gegenüber DT“.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Mit dem Urteil vom 4. März 2003 hat das Landgericht der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel verboten,

„im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

auf dem Gebiet der Vermittlung von Telefongesprächen

1. unter Bezugnahme auf ihre Gesprächsentgelte zu behaupten

„Absolut unschlagbar - der neue T.- Tarif“

und/oder

„... auch alle Ferngespräche sind unerreicht günstig ...“,

solange nicht die Antragsgegnerin in allen Preissegmenten einen deutlichen und dauerhaften Preisvorsprung vor ihren Mitbewerbern innehat,

2. mit der pauschalen Behauptung zu werben und/oder werben zu lassen, die Verbraucher könnten bei Nutzung der Tarife der Antragsgegnerin durchschnittlich mehr als 50 % Ersparnis gegenüber der Antragstellerin erzielen.

Die weitergehenden Anträge hat das Landgericht, auf dessen Urteil im Übrigen Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin.

Nachdem die Antragstellerin den Verfügungsantrag in Bezug auf die an erster Stelle angegriffene Äußerung aus der Zeitung „Horizont“ in der mündlichen Berufungsverhandlung zurückgenommen hat,

beantragt sie nunmehr,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 04.03.2003 (Az. 407 O 37/03) teilweise abzuändern und die Antragsgegnerin weiter zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

auf dem Gebiet der Vermittlung von Telefongesprächen mit folgenden Angaben zu werben und/oder werben zu lassen:

/„So können Sie beispielsweise tagsüber von Montag bis Freitag von 7-19 Uhr für 3,09 ct/min im Ortsbereich telefonieren. An allen übrigen Zeiten sogar für nur 1,59 ct/min. Auch alle Ferngespräche sind unerreicht günstig (z.B. nach USA für 4 ct/min“;/

und/oder

/„Sie hat im Festnetzbereich mit günstigen Tarifen Standards gesetzt“;/

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Auf die Berufung war das landgerichtliche Urteil im Tenor zu 1., 2. Alt. aufzuheben und die einstweilige Verfügung entsprechend dem Berufungsantrag neu zu erlassen. Der Antragstellerin steht der insoweit geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 3 UWG zu.

a) Das Landgericht hat im Tenor zu 1., 2. Alt. unter Verstoß gegen § 308 I ZPO der Antragstellerin etwas zugesprochen, was diese nicht beantragt hatte. Dies stellt einen gemäß §§ 513 I, 546 ZPO mit der Berufung angreifbaren Rechtsverstoß dar, der insoweit zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung führen muss.

aa) Der Verfügungsantrag der Antragstellerin erfasst ausdrücklich das Verbot der im Antrag genannten Behauptung in der im Rahmen der E.-Versteigerung verwendeten konkreten Beanstandungsform. Zugesprochen wurde dagegen allein der letzte Satz der insgesamt in wörtlicher Rede angegriffenen Werbebehauptung, und zwar mit einer nicht vom Antrag umfassten „solange nicht“-Ergänzung. Dies ist keine fallbezogene Konkretisierung i.S. des § 938 ZPO, sondern stellt ein aliud zum gestellten Antrag dar. Der durch § 938 ZPO dem Gericht eröffnete Entscheidungsspielraum besteht lediglich im Rahmen der gestellten Anträge (Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 938 Rn. 2). Der Antrag bezog sich im Streitfall auf die konkrete Verletzungsform, die dadurch geprägt ist, dass durch das Wort „Auch“ die Behauptung „unerreicht günstig“ nicht nur auf Ferngespräche, sondern auch auf die in den vorstehenden, im Antrag genannten Ortsbereichstarifen bezogen wird. Dieser konkrete Bezug, den die Antragstellerin zum Gegenstand ihres Antrags und seiner Begründung gemacht hat, wird durch den Tenor des Landgerichts nicht wiedergegeben.

bb) Soweit der Tenor des Landgerichts durch diese Weglassung einen über den Antrag hinausgehenden Verbotsbereich erhält, ist die Antragstellerin dennoch beschwert und der Berufungsantrag damit zulässig. Es ist anerkannt, dass jedenfalls in Bezug auf die Berufung des Klägers eine formelle Beschwer maßgebend ist, die auch dann vorliegt, wenn unter Verstoß gegen § 308 I ZPO über mehr oder weniger erkannt wurde, als beantragt wurde (Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl. 2004, Vor § 511 Rn. 13).

b) Gegenstand des Verfügungsantrages zu 2 ist das Verbot der Aussage

/„So können Sie beispielsweise tagsüber von Montag bis Freitag von 7-19 Uhr für 3,09 ct/min im Ortsbereich telefonieren. An allen übrigen Zeiten sogar für nur 1,59 ct/min. Auch alle Ferngespräche sind unerreicht günstig (z.B. nach USA für 4 ct/min“./

c) Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach den Grundsätzen der irreführenden Alleinstellungswerbung gemäß § 3 UWG zu.

aa) Die Zulässigkeit einer Spitzen- oder Alleinstellungsbehauptung setzt nach der Rechtsprechung des BGH wegen der anderenfalls bestehenden Gefahr einer Irreführung des Publikums voraus, dass die Werbebehauptung wahr ist, der Werbende einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern vorzuweisen hat und der Vorsprung die Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bietet (BGH GRUR 2002, 182, 183 - Das Beste jeden Morgen m.w.N.).

bb) Entscheidend für das Vorliegen einer Alleinstellungsbehauptung ist, dass sie in der behaupteten Hinsicht jegliche Gleichrangigkeit der Mitbewerber ausschließt. Ob einer Werbeaussage diese Behauptung zukommt, entscheidet die Verkehrsauffassung (BGH GRUR 2002, 182, 184 - Das Beste jeden Morgen; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl. 2002, § 3 Rn. 425). Dabei ist für das Verkehrsverständnis die Vorstellung eines situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers maßgebend. Dementsprechend kommt es nicht auf die möglicherweise hiervon abweichenden Anschauungen einer Minderheit von Verbrauchern an und macht es deshalb grundsätzlich auch keinen Unterschied, ob der Tatrichter seine Sachkunde und Lebenserfahrung zur Bejahung oder zur Verneinung einer Irreführungsgefahr einsetzen möchte (BGH GRUR 2002, 550, 552 - Elternbriefe; BGH WRP 2003, 275 - Thermal Bad). Die Verkehrsanschauung orientiert sich grundsätzlich am Wortsinn der Werbeaussage, das heißt am allgemeinen Sprachgebrauch und am allgemeinen Sprachverständnis (BGH WRP 2003, 275 - Thermal Bad; BGH GRUR 71, 365, 366 - Das große deutsche Wörterbuch).

cc) Der Verkehr entnimmt der angegriffenen Äußerung zunächst, dass der Tarif der beworbenen Telefongesellschaft für Ferngespräche „unerreicht günstig“ ist, wobei jedenfalls der durch die Werbung angelockte und sich bei dem „g.“ mittels der Frage-Option von e. weiter informierende Verbraucher feststellen wird, dass es sich um Werbung für die Tarife der Antragsgegnerin handelt.

Die Aussage „unerreicht günstig“ wird der Verkehr weiter mangels abweichender Anhaltspunkte auf den gesamten Wettbewerb, nicht nur auf die Antragstellerin beziehen. Die Antragstellerin wird in der Werbung zwar in der Überschrift genannt („DT verliert Monopol für Ortsnetzverbindungen“), was jedoch lediglich erklärt, dass jetzt überhaupt andere Anbieter im Ortsnetzbereich existieren können und das beworbene Angebot deshalb marktrelevant ist. Die spätere Erwähnung der DT im Fließtext („Ohne Vorwahlnummer telefonieren Sie wie bisher über die DT“) betrifft lediglich die Erläuterung des Call-by-Call-Verfahrens und gibt wiederum nichts dafür her, dass die Werbebehauptung sich allein auf die Tarife der DT und nicht auch auf eventuell durch die Aufhebung des Monopols zum Zuge kommende weitere Mitbewerber bezieht. Die Antragsgegnerin trägt auch nichts zum Markt vor und behauptet insbesondere nicht, dass es zum Zeitpunkt der Werbung neben der Antragsgegnerin im Ortsbereich nur die Antragstellerin als Anbieterin gegeben hat.

„Unerreicht günstig“ ist eine Alleinstellungsbehauptung, denn „unerreicht“ ist nach dem eindeutigen Wortsinn der Angabe nur derjenige, der mit seinem preislichen Angebot allein vorne steht, weil niemand zu ihm aufgeschlossen ist.

Durch das Wort „auch“ bezieht der Verkehr die Alleinstellungsauslobung nicht nur auf die Ferngespräche, sondern darüber hinaus auf die in den vorangegangenen Sätzen beschriebenen Ortstarife.

Aufgrund des Kontextes der Werbung gemäß Anlage K 14 (dort Anlage 4) ergibt sich keine abweichende Bedeutung.

Unerheblich ist weiter das Bestreiten der Existenz des Angebots i.S. der Anlage K 14 durch die Antragsgegnerin, da dieses durch die Vorlage der Anlage K 14 von der Antragstellerin glaubhaft gemacht wurde.

dd) Diese angegriffene Werbebehauptung ist irreführend. Die Antragstellerin hat durch die Preisvergleiche gemäß Anlage K 9, welche die Antragsgegnerin nicht angreift, glaubhaft gemacht, dass es im Bereich „City“, der den Ortsbereich umfasst, zu unterschiedlichen Zeiten mehrere günstigere Anbieter gibt.

ee) Die Antragsgegnerin ist als Störerin auch passivlegitimiert. Für eine Störerhaftung ist es genügend, dass überhaupt eine auf den Haupttäter zurückgehende wettbewerbswidrige Beeinträchtigung geschaffen wird oder besteht und dass der Störer an der Schaffung und Aufrechterhaltung des wettbewerbswidrigen Zustandes trotz Bestehens der rechtlichen Möglichkeit, den (Haupt-) Täter an dessen wettbewerbswidrigem Verhalten zu hindern, willentlich und adäquat kausal mitgewirkt hat. Verschulden ist nicht erforderlich (Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl. 2002, Einf. Rn. 247). Aus der Anlage K 14, insbesondere der E-Mail von S. sowie dem Auszug aus der Homepage der Antragsgegnerin ergibt sich, dass S. im Rahmen des Vertriebspartnerprogramms der Antragsgegnerin gehandelt hat. Dies wird von der Antragsgegnerin auch nicht bestritten. Damit ist hinreichend wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihres Vertriebssystems auf S. rechtlich und tatsächlich einwirken und dessen werblichen Äußerungen unterbinden konnte und nach wie vor kann.

Spätestens ab Kenntnis von der hier relevanten e.-Verkaufsaktion, nämlich ab Zustellung des Verfügungsantrags, lag auch eine willentliche Duldung der Äußerung durch die Antragsgegnerin vor. Sie hat weder den Antrag sofort anerkannt noch vorgetragen, S. von weiteren derartigen Äußerungen abgehalten zu haben oder abhalten zu werden. Die Antragsgegnerin hat vielmehr die Behauptung inhaltlich als „reklamehafte Übertreibung verteidigt. Jedenfalls im Sinne einer Erstbegehungsgefahr liegen aufgrund dieser Umstände ernsthafte und greifbare Anhaltspunkte vor, die eine weitere Verwendung der angegriffenen Behauptungen durch den Vertriebspartner S. mit Duldung der Antragsgegnerin besorgen lassen.

d) Auf die Gesichtspunkte der Dringlichkeit und der Verjährung geht die Antragsgegnerin im Berufungsverfahren zu Recht nicht mehr ein. Sie greifen auch nicht durch. Die e.-Auktion (K 14, Anlage 4) begann am 27.1.03, der Verfügungsantrag wurde am 13.2.03 und damit hinreichend zügig bei Gericht anhängig gemacht.

2. Im Hinblick auf die weitere streitgegenständliche Äußerung „Sie hat im Festnetzbereich mit günstigen Tarifen Standards gesetzt“ ist die Berufung unbegründet. Das Landgericht hat insoweit zu Recht den Verfügungsantrag zurückgewiesen.

Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder nach den von der Antragstellerin zur Begründung ihres Angriffs angeführten Grundsätzen der Alleinstellungswerbung noch sonst aus dem Gesichtspunkt der Irreführung gemäß § 3 UWG zu.

Gegenstand des Verfügungsantrages zu 3 ist das Verbot der Aussage „Sie hat im Festnetzbereich mit günstigen Tarifen Standards gesetzt“.

a) Die Voraussetzungen einer irreführenden Alleinstellungswerbung gemäß § 3 UWG sind nicht erfüllt. Dem Wortsinn der angegriffenen Behauptung lässt sich eine Alleinstellungsberühmung nicht entnehmen. Ein „Standard“ ist nach dem herkömmlichen Sprachgebrauch nicht die Spitze, sondern ein als „mustergültig“, „modellhaft“ oder „normal“ angesehenes Niveau (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. 2003, Seite 1505). Dem Verkehr ist geläufig, dass es insoweit eine Bandbreite, reichend von einem geringen bis zu einem hohen Standard geben kann, was ebenfalls dem Verständnis als Beschreibung einer absoluten Spitzenstellung entgegensteht. Zu berücksichtigen ist hier weiter, dass die Antragsgegnerin in der angegriffenen Werbung den Plural gebraucht hat. Der Verkehr wird deshalb in Rechnung stellen, dass sich die Aussage nicht auf alle Tarife bezieht, sondern nur auf einige von mehreren. Er hat bereits von daher keinen Anlass, der Behauptung eine Alleinstellungsberühmung mit Geltung für alle Tarife zu entnehmen. Gegen eine Alleinstellungsberühmung spricht weiter, dass die Antragsgegnerin keinen Superlativ oder Komparativ verwendet, also nicht etwa mit „den günstigsten Tarifen“ oder „mit günstigeren Tarifen“ Standards gesetzt haben will, sondern lediglich durch „günstige“ Tarife.

Der Senat verkennt nicht, dass die Antragsgegnerin nicht lediglich für sich in Anspruch nimmt, Preise entsprechend dem Standard anzubieten, sondern „Standards gesetzt“ zu haben. Wenn jedoch ein „Standard“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und allgemeinen Sprachverständnis keine allein stehende Spitze darstellt, dann ist auch das Setzen eines ebensolchen Standards keine erstmalige Vorgabe eines jedenfalls bis dahin unerreichten Spitzenwertes.

Der Antragstellerin ist allerdings zuzugeben, dass jemand, der werblich für sich in Anspruch nimmt, Standards gesetzt zu haben, auf dem beworbenen Gebiet ein Leistungsniveau erreicht haben muss, dass im oberen Bereich des maßgebenden Wettbewerbsfeldes anzusiedeln ist, weil das Niveau nur dann geeignet ist, als Modell oder Muster für andere zu dienen. Dass die Tarife der Antragsgegnerin im Bereich der Festnetztelefonie nicht zur Spitzengruppe des Wettbewerbs gehören und die angegriffene Behauptung aus diesen Grunde irreführend ist, hat die Antragstellerin nicht behauptet und glaubhaft gemacht. Ihre Darlegungen zielen vor dem Hintergrund ihres Angriffs unter dem Gesichtspunkt der Alleinstellungsauslobung lediglich darauf, einen (angeblichen) Vorsprung der Beklagten gegenüber allen anderen Wettbewerbern, insbesondere gegenüber der Antragstellerin selbst, zu widerlegen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Tarifvergleiche in den Anlagen K 8 - K 10 den gesamten Tarifmarkt abbilden, so dass nicht ersichtlich ist, dass nicht jedenfalls einige verkehrsrelevante Tarife der Antragsgegnerin preislich in die Spitzengruppe des Marktes einzuordnen sind.

Eine von der Klägerin geltend gemachte absolute Vorrangbehauptung ergibt sich vorliegend auch nicht aus den Umständen der dem Antrag zugrunde liegenden Werbung. So finden sich auch im Kontext der Werbebehauptung kein Superlativ oder sonstige Gesichtspunkte, die auf eine Alleinstellung hinweisen. Im Gegenteil: Dort wird eher moderat ein „gutes Preis-Leistungsverhältnis“ (nicht: „bestes ...“, „unschlagbares ...“ oder „unerreichtes ...“) behauptet und ist mehrfach, auch in dem angegriffenen Satz selbst, von „günstigen Tarifen“ (nicht „günstigsten“) die Rede. Schließlich wird die Antragsgegnerin als „eine der führenden Telefongesellschaften in Europa“ und nicht als „die führende“ bezeichnet, was im Gesamtkontext ggf. auf eine alleinige Preisführerschaft hindeuten könnte.

b) Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass auch jenseits der Grundsätze der Alleinstellungswerbung eine Irreführung gem. § 3 UWG nicht ersichtlich ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 I, 269 III ZPO.

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