Nordrhein-Westfalen

„gelenkig?“ – widerrechtliche Wirkversprechen für Lebensmittel

Urteil vom LG Köln 31. Zivilkammer

Entscheidungsdatum: 07.07.2011
Aktenzeichen: 31 O 119/10

Leitsätze

Wird die positive Wirkung eines Lebensmittels auf die Gesundheit herausgestellt, ohne dass für dieses Versprechen ein hinreichender wissenschaftlicher Nachweis vorliegt, ist dies ein Verstoß im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11, 8 I UWG im Verbindung mit § 11 I Nr. 2 LFGB.

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten verurteilt, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, für das Mittel „B® Gelenke plus ultra Glucosamin + Chondroitin“ wie folgt zu werben:

1. „B® Gelenke plus ultra enthält eine hoch dosierte Vitalstoff-Kombination zur Versorgung stark beanspruchter Gelenke und zum Erhalt einer gesunden Gelenkfunktion.“

2. „gelenkaktive Vitalstoffe zu einem Gelenk-Aktiv-Komplex“

3. „750 mg Glucosaminsulfat unterstützen die Festigkeit und Elastizität der Gelenkknorpel.“

4. „100 mg Chondroitinsulfat tragen zur Geschmeidigkeit der ‚Gelenkschmiere‘ bei.“

5. „Die B® Gelenke plus ultra Chrono Depot® Tabletten versorgen Ihren Körper mit 11 hoch dosierten (hoch konzentrierten) Gelenk-Vitalstoffen. Diese Vitalstoffe sind für den Erhalt einer gesunden Gelenk-Funktion von großer Bedeutung. Denn insbesondere im Alter sowie durch Übergewicht, Sport bzw. körperliche Arbeit werden Gelenkknorpel und Gelenkschmiere oft sehr stark beansprucht. B® Gelenke plus ultra enthält eine spezielle Vitalstoffkombination für den Bedarf gesunder Gelenke. Diese Vitalstoffe sind besonders wichtig für den stark beanspruchten Gelenkknorpel und die Gelenkschmiere, damit eine gesunde Gelenkfunktion erhalten werden kann. Hierzu tragen insbesondere die hoch dosierten Vitalstoffe Glucosaminsulfat (750 mg) und Chondroitinsulfat (100 mg) bei, die als natürliche Bausteine des gesunden Gelenkknorpels bekannt sind.“

6. „Der Bedarf an Gelenk-Vitalstoffen kann nicht immer mit der täglichen Ernährung gedeckt werden. Ursache dafür ist, dass ein Großteil der in Lebensmitteln enthaltenen Vitamine durch Überlagerung bzw. durch falsche Zubereitung wie langes Kochen, Aufwärmen etc. verloren gehen kann. (…) Insbesondere ältere und übergewichtige Menschen und Personen, die im Sport oder durch körperliche Arbeit die Gelenke stark beanspruchen, können einen erhöhten Bedarf an Gelenk-Vitalstoffen haben. Aber auch bei Menschen, die sich einseitig ernähren bzw. eine Diät machen, kann es zu einer Unterversorgung kommen.“

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 166,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 19.03.2010 zu zahlen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Höhe der Sicherheit beträgt für die Vollstreckung aus dem Tenor zu I. 50.000 €, im Übrigen 110% des zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Der Kläger ist als branchenübergreifend und überregional tätiger Verband, der sich die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs zur Aufgabe gemacht hat, anerkannt. Die Beklagte gehört zur W-Gruppe und vertreibt u.a. Nahrungsergänzungsmittel. Über ihr Produkt „B® Gelenke plus ultra Glucosamin + Chondroitin“, das 750 mg Glucosaminsulfat, 100 mg Chondroitinsulfat und eine Kombination von Vitaminen und Mineralstoffen enthält, trifft sie auf der Verpackung und in den Gebrauchsinformationen die aus dem Tenor zu I. ersichtlichen Aussagen. Wegen der Einzelheiten der Verpackung und der Gebrauchsinformation wird auf Anlagen K 1 und K 2 (Bl. 19 ff. d. A.) Bezug genommen.

Wegen dieser Aussagen mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 11.11.2009 ab.

Der Kläger ist der Auffassung, diese Werbeaussagen seien irreführend. Er behauptet, es gebe keinen wissenschaftlich hinreichend gesicherten Beleg dafür, dass die Inhaltsstoffe von „B® Gelenke plus ultra“, insbesondere Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat in den verwendeten Dosierungen, einen positiven Effekt auf die Erhaltung der Gelenkgesundheit hätten und dass Menschen unter bestimmten Voraussetzungen einen erhöhten Bedarf an diesen Stoffen hätten, der durch Nahrungsergänzungsmittel ausgeglichen werden könne.

Der Kläger beantragt,

- wie erkannt -.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Aussagen seien ausschließlich an der Verordnung (EG) Nr. 1924/06 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Health-Claims-Verordnung - HCVO) zu messen, in deren Anwendungsbereich nationales Recht verdrängt werde. Die streitgegenständlichen Aussagen seien nicht gesundheitsbezogen im Sinne der HCVO. Im Übrigen dürften gesundheitsbezogene Aussagen bis zur Verabschiedung der Listen nach Art. 13 HCVO uneingeschränkt weiter verwendet werden, jedenfalls sei der Beklagten eine Aufbrauchfrist von mindestens sechs Monaten zu gewähren. Schließlich seien etwaige Ansprüche des Klägers verwirkt, weil er die Beklagte - was zwischen den Parteien unstreitig ist - wegen inhaltsgleicher Aussagen bereits im Jahr 2007 abgemahnt habe, dies aber nach Abgabe einer Unterlassungserklärung hinsichtlich weiterer Aussagen nicht weiter verfolgt habe. Die erneute Inanspruchnahme sei eine unzulässige Salami-Taktik und stelle ein widersprüchliches Verhalten des Klägers dar.

Die Beklagte behauptet, die streitgegenständlichen Aussagen entsprächen den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, was sie unter Bezugnahme auf umfangreiche Unterlagen näher ausführt.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 22.07.2010. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. T3 (Bl. 576 ff. d. A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2011 (Bl. 647 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

A. Die Klage ist zulässig. Der Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger die Beklagte wegen inhaltsgleicher Aussagen schon im Jahr 2007 außergerichtlich in Anspruch genommen hat. In der erneuten Inanspruchnahme liegt keine künstliche Aufspaltung eines einheitlichen Sachverhalts mit dem vorrangigen Ziel der Gebührenerzielung. Das folgt bereits daraus, dass der Kläger in 2007 sämtliche in Betracht kommenden Unterlassungsansprüche geltend gemacht hat. Dass er diese seinerzeit zum Teil nicht weiterverfolgt hat, hindert ihn nicht daran, dies nunmehr zu tun, zumal sich zwischenzeitlich neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum streitgegenständlichen Themenkomplex ergeben haben, insbesondere durch das Gutachten der J vom 02.07.2009, auf das beide Parteien Bezug nehmen (Anlage K 4, Bl. 51 ff. d. A.).

B. Die Klage ist auch begründet.

I. Der Unterlassungsanspruch des nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktiv legitimierten Klägers folgt aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB, Art. 10 Abs. 1 HCVO.

1. Die streitgegenständlichen Aussagen verstoßen gegen die verbraucherschützenden und damit marktregulierenden Vorschriften des § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB und des Art. 10 Abs. 1 HCVO, weil sie wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind.

a) Es bedarf keiner Entscheidung, ob im Anwendungsbereich der HCVO, die gemäß ihrer Art. 1 Abs. 1 und 22 die Rechtslage hinsichtlich gesundheitsbezogener Angaben in der Union harmonisieren soll, grundsätzlich noch Raum für eine Anwendung der nationalen Vorschriften des LFGB bleibt. Jedenfalls vor Verabschiedung der Liste zulässiger Angaben gemäß Art. 13 Abs. 3 HCVO sind die nationalen Vorschriften neben den Vorschriften der HCVO zu beachten. Die Fortgeltung der nationalen Rechtsvorschriften ergibt sich aus den Übergangsvorschriften des Art. 28 Abs. 5 HCVO, wonach die dort bezeichneten Angaben vor Verabschiedung der Listen gemäß Art. 13 Abs. 3 HCVO nur unter Beachtung der einschlägigen nationalen Vorschriften und der HCVO verwendet werden dürfen.

Letztlich ändert sich die rechtliche Bewertung aber auch nicht, wenn man entweder nur die Vorschriften der HCVO anwendet oder Angaben sowohl an der HCVO als auch am LFGB misst. Die HCVO stellt mindestens ebenso strenge Anforderungen an den Nachweis gesundheitsbezogener Wirkversprechen wie das LFGB. § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFBG verbietet für Lebensmittel Wirkversprechen ohne eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung. Dem entsprechen Art. 5 Abs. 1 a) und Art. 6 Abs. 1 HCVO, die für gesundheitsbezogene Angaben einen Nachweis durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse fordern. Nach dem Wortsinn sind die Anforderungen der HCVO danach sogar strenger als die des LFBG, da die HCVO allgemein anerkannte Erkenntnisse fordert, während das LFBG eine „nur“ hinreichende Absicherung ausreichen lässt. In der Sache setzen beide Normen jedenfalls voraus, dass eine gesundheitsbezogene Angabe bzw. ein Wirkversprechen auf wissenschaftlichen Studien beruht, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards erstellt worden sind.

Soweit die Beklagte darauf verweist, bei den streitgegenständlichen Aussagen handele es sich teilweise nur um unspezifische Angaben gemäß Art. 10 Abs. 3 HCVO, führt dies nicht zu geringeren, sondern zu erhöhten Anforderungen. Solche Angaben sind nämlich nur zusammen mit ausdrücklich zugelassenen Angaben erlaubt und unterfallen zusätzlich Art. 10 Abs. 1 HCVO, der Angaben die den allgemeinen Anforderungen u.a. der Art. 5 und 6 HCVO nicht entsprechen, ohne Ausnahme verbietet. Auch unspezifische Angaben müssen daher wissenschaftlich nachgewiesen sein.

b) Die streitgegenständlichen Angaben sind gesundheitsbezogen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO und enthalten Wirkversprechen im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFBG.

aa) Gesundheitsbezogen im Sinne der HCVO ist nach der Legaldefinition des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Danach genügt es, wenn eine Angabe einen Zusammenhang zwischen dem Lebensmittel und der menschlichen Gesundheit herstellt. Ungeklärt ist, ob dieser sehr weiten Definition auch Aussagen unterfallen, die sich lediglich auf das allgemeine Wohlbefinden beziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 13.01.2011 - I ZR 22/09 - „Gurktaler Kräuterlikör“, Tz. 8 f.). Das betrifft indes nur unspezifische Angaben wie „wohltuend“ oder „bekömmlich“ in Bezug auf ein Produkt, während die streitgegenständlichen Aussagen jeweils einen konkreten Bezug zwischen „B® Gelenke plus ultra“ und der Gelenkgesundheit herstellen:

(1) Die Aussage zu I.1. des Tenors nimmt ausdrücklich für das Produkt „B® Gelenke plus ultra“ in Anspruch, dass es einen Beitrag zur gesunden Gelenkfunktion leistet.

(2) Gesundheitsbezogen ist es auch, wenn die Beklagte in der Aussage gemäß Tenor zu I.2. auf „gelenkaktive Vitalstoffe“ und einen „Gelenk-Aktiv-Komplex“ verweist. Schon der Hinweis auf „Vitalstoffe“ suggeriert, dass das Produkt Einfluss auf die Gesundheit hat und zwar, weil diese Stoffe in den Gelenken aktiv werden oder die Gelenke aktivieren.

(3) Die Aussagen gemäß Tenor zu I.3. und I.4. heben die angeblichen positiven Effekte der Hauptwirkstoffe von „B® Gelenke plus ultra“ auf Gelenkknorpel und „-schmiere“ hervor. Der Gesundheitsbezug liegt auf der Hand.

(4) Die aus den Gebrauchsinformationen der Beklagten entnommenen Aussagen gemäß Tenor zu I.5. und I.6. erläutern ausführlicher, welche Bedeutung insbesondere Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat für die Gelenkgesundheit haben sollen und wie es zu einem erhöhten Bedarf an diesen Substanzen kommen soll, der durch „B® Gelenke plus ultra“ gedeckt werden könne.

bb) Aus den gleichen Gründen stellen sich die streitgegenständlichen Angaben als Wirkaussagen im Sinne von § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LFGB dar.

c) Die streitgegenständlichen Angaben sind wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert bzw. nicht durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse nachgewiesen.

aa) Der wissenschaftliche Nachweis hinsichtlich der ersten fünf Angaben gemäß Ziffer I. des Tenors muss sich auf die positive Auswirkungen von Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat in der in „B® Gelenke plus ultra“ enthaltenen Dosierung auf die Gelenkgesundheit beziehen. Hinsichtlich der Angabe zu I.6. des Tenors muss sich der Nachweis darauf beziehen, dass der Bedarf an diesen Substanzen nicht immer durch die tägliche Ernährung gedeckt werden kann und bei bestimmten Menschen ein erhöhter Bedarf bestehen kann. Die angesprochenen Verkehrskreise werden die behaupteten gesundheitlichen Wirkungen nämlich im Wesentlichen auf die Effekte Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat zurückführen. „B® Gelenke plus ultra“ enthält zwar darüber hinaus 11 Vitamine und Mineralstoffe, auf der Verpackung und in den Gebrauchsinformationen werden aber die Vorteile der „hoch dosierten“ Hauptwirkstoffe Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat derart hervorgehoben, dass die Bedeutung der weiteren „Vitalstoffe“ aus Sicht des Verkehrs in den Hintergrund tritt.

bb) Der Beklagten ist der ihr obliegende Beweis des wissenschaftlichen Nachweises der streitgegenständlichen Aussagen nicht gelungen.

Die von der Kammer beauftragte Sachverständige Dr. T3 kommt in ihrem Gutachten vom 07.01.2011 zu dem Ergebnis, dass ein Beitrag von Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat in der in „B® Gelenke plus ultra“ enthaltenen Dosierung auf die Knorpelgesundheit von gesunden Menschen nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zwar nicht auszuschließen sei, jedoch keinesfalls als nachgewiesen gelten könne. Ein echter wissenschaftlicher Nachweis derartiger Effekte durch eine doppelblinde, placebo-kontrollierte, randomisierte Versuchsanordnung sei aufgrund des immensen Aufwands, insbesondere der erforderlichen Dauer einer solchen Studie von mindestens fünf Jahren, praktisch nicht zu führen. Der grundsätzlich denkbare Nachweis durch Studien anhand von Surrogatparametern oder Biomarkern sei ebenfalls bislang nicht geführt. Es gebe nur eine entsprechende Studie, die aber bereits eine deutlich höhere Dosierung als im streitgegenständlichen Produkt verwende (1.500 mg / Tag und 3.000 mg / Tag). Ein Bedarf, Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat gesondert zu sich zu nehmen, oder Personengruppen, die einen Mangel an diesen Substanzen aufweisen, seien ebenfalls nicht auszumachen.

Dieses Ergebnis ihres Gutachtens hat die Sachverständige auch im Rahmen ihrer Befragung in der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2011 unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten im Schriftsatz vom 25.02.2011 und der Stellungnahme des Parteigutachters Dr. T vom 23.02.2011 nicht revidiert.

cc) Für die Einholung eines weiteren Gutachtens unter Modifizierung der Fragestellung und durch einen anderen Sachverständigen, wie von der Beklagten mit Schriftsatz vom 06.08.2010 angeregt, bestand keine Veranlassung.

Die Kammer hat keine Zweifel an der Qualifikation der Sachverständigen Dr. T3, die als Wissenschaftlerin am Institut für Ernährungswissenschaften der Universität H u.a. im Bereich Angewandte Diätetik tätig ist. Dass die Sachverständige nicht spezifische in Bezug auf Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat geforscht und publiziert hat, ist ihrer Qualifikation nicht nur nicht abträglich, sondern geradezu Voraussetzung für eine unvoreingenommene Beantwortung der Beweisfrage. Aufgabe der Sachverständigen war es nämlich nicht, die Frage der Wirkungen von Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat auf die Gelenkgesundheit durch eigene Forschungen zu klären, sondern die Frage beantworten, ob die den streitgegenständlichen Angaben zugrunde liegenden Wirkaussagen nach dem aktuellen Stand der Forschung als nachgewiesen angesehen werden können. Das Gutachten, in dem die Sachverständige die Ergebnisse eingehend und schlüssig begründet, gibt ebenfalls keinen Anlass, an ihrer Qualifikation zu zweifeln.

Die Beweisfrage hat die Kammer bewusst offen formuliert, um die Begutachtung nicht bereits durch die Fragestellung in eine bestimmte Richtung zu lenken. Eine weitere Spezifizierung der Beweisfrage im Hinblick auf die einzelnen streitgegenständlichen Angaben war im Hinblick auf die eindeutigen Ergebnisse des Gutachtens nicht veranlasst.

2. Dass der Kläger Unterlassungsansprüche wegen gleich gelagerter Aussagen bereits im Juli 2007 geltend gemacht und diese nicht weiter verfolgt hat, führt nicht zur Verwirkung der Ansprüche. Unabhängig von der Frage, ob die Beklagte aus der sich anschließenden nur wenig über zwei Jahre währenden Untätigkeit des Klägers überhaupt in schutzwürdiger Weise schließen konnte, dass der Kläger die seinerzeit geltend gemachten Ansprüche nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgreifen würde, ergibt sich die Berechtigung, die Aussagen erneut anzugreifen, aus der bereits erörterten Fortentwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse (s.o. A.). Angesichts dessen kann dem Kläger auch kein widersprüchliches Verhalten vorgeworfen werden.

3. Eine Aufbrauchfrist ist der Beklagten nicht zu gewähren. Die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 6 und 7 HCVO liegen ersichtlich nicht vor. Sie betreffen nicht gerichtliche Verbote, sondern Entscheidungen der Europäischen Kommission. Der pauschale Vortrag der Beklagten zu den ihr im Falle einer Verurteilung entstehenden wirtschaftlichen Nachteilen reicht nicht aus, um die Voraussetzungen einer Aufbrauchfrist nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen, zumal die Beklagte schon seit der Abmahnung im November 2009 Gelegenheit hatte, sich auf ein mögliches Verbot der streitgegenständlichen Aussagen einzustellen.

II. Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten beruht auf § 12 Abs. 2 UWG. Angesichts des Gutachtens der EFSA vom 02.07.2009 war der Kläger berechtigt, die Beklagte erneut abzumahnen, so dass es auf die Berechtigung der früheren Abmahnung aus dem Jahr 2007 nicht ankommt.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 30.000 €

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