Niedersachsen

„Geldmaschine?“ – rechtsmissbräuchliche Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen

Urteil vom LG Braunschweig 9. Zivilkammer

Entscheidungsdatum: 08.08.2007
Aktenzeichen: 9 O 482/07

Leitsätze

Wird ein Unterlassungsanspruch nur aus dem Zweck geltend gemacht, „gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen“, ist dies rechtsmissbräuchlich und somit ein Verstoß gegen § 8 IV UWG.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert : Bis zum 16.05.2007: Wertstufe bis 13.000,- Euro

Danach: Wertstufe bis 3.500,- Euro

Tatbestand

Die Klägerin begehrte mit der Klage ursprünglich die Unterlassung einer wettbewerbswidrigen Handlung.

Die Klägerin verkauft über die Internet-Handelsplattform www.norskit.com und über die Plattform www.ebay.de Computerkomponenten und Computerzubehör. Das Unternehmen der Klägerin wurde am 17.10.2006 im Handelsregister eingetragen. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die # AG. Die # AG ist ein gerichtsbekanntes Unternehmen aus der Computerbranche, welches übers Internet Computerzubehör und Komponenten vertreibt, wobei der Jahresumsatz im zweistelligen Millionenbereich liegt. Der Geschäftsführer der Klägerin, Herr # war Gründer und alleiniger Aktionär der # AG. Er ist jetzt der alleinige Vorstand der # AG.

Beim Landgericht Braunschweig sind in der Zeit vom Herbst 2006 bis Sommer 2007 von der Klägerin insgesamt 20 Verfahren anhängig gemacht worden, bei denen es um Unterlassung von Wettbewerbsverstößen im Internet durch Mitbewerber ging bzw. um die Frage der Kostentragungspflicht wegen der Abmahnung der wettbewerbswidrigen Handlung. Innerhalb des letzten Jahres hat die Alleingesellschafterin der Klägerin, die # AG, 30 Verfahren bei dem Landgericht Braunschweig anhängig gemacht, bei denen es um die Unterlassung von Wettbewerbsverstößen im Internet durch Mitbewerber bzw. um die Kostenerstattungspflicht wegen der entsprechenden Abmahnungen geht.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen, welches über die Internetplattform ebay Computerhardware an Endverbraucher vertreibt, so u. a. auch ein 7-Fach Alu-USB Anschlussteil (Anlage K1). Bei dem von der Beklagten ins Internet gestellten Angebot heißt es in den Angaben zum Widerrufsrecht u.a.: "Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angaben von Gründen in Textform oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Belehrung." Diese Widerrufsbelehrung hat die Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 2007 (Anlage K2) beanstandet und die Beklagte aufgefordert, eine vorgefertigte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen (Anlage K2). Die vorgefertigte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung enthielt unter Ziffer 3. die Verpflichtung der Klägerin Kosten der Rechtsverfolgung (Eigenabmahnung) zu ersetzen.

Nachdem die Abmahnung erfolglos geblieben war, reichte die Klägerin Klage ein und beantragte zunächst

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über die Internet-Handelsplattform, insbesondere www.ebay.de den Abschluss entgeltlicher Verträge im Bereich mit Verbrauchern anzubieten und/oder anbieten zu lassen und dabei über die Dauer der Widerrufsfrist mit zwei Wochen zu belehren und über den Beginn der Widerrufsfrist mit "Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Belehrung." zu belehren, wie dies in der Auktion bei www.ebay.de mit der Artikel-Nr. ... geschehen.

2. die Kosten für die Eigenabmahnung in Höhe von 232,00 EUR zu zahlen.

Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 05.04.2007 hinsichtlich der begehrten Unterlassung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsantrages (ursprünglicher Klagantrag zu 1.) übereinstimmend für erledigt erklärt und stellen insoweit widerstreitende Kostenanträge. Neben dem gestellten Zahlungsantrag für die Eigenabmahnung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 06.08.2007 die Klage um einen Auskunftsanspruch und einen Schadensersatzfeststellungsanspruch erweitert. Die Klägerin beantragt daher nunmehr:

1. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Eigenabmahnung in Höhe von 232,-- Euro an die Klägerin zu zahlen.

2. der Klägerin Auskunft über folgende Punkte zu erteilen:

- seit wann und in welchem Umfang Handlungen gem. Ziff. 1 der Klageschrift vom 22.02.2007 in den letzten 6 Monaten vor Rechtshängigkeit begangen wurde, unter Angabe der Anzahl der erfolgten Vertragsabschlüsse, aufgeschlüsselt nach Monaten;

- die variablen Betriebskosten für den Zeitraum der letzten 6 Monate vor Rechtshängigkeit (Material-, Werbe-, Lohnkosten usw.);

- Leistungen, die in den letzten 6 Monaten vor Rechtshängigkeit aufgrund der Zuwiderhandlung an Dritte oder den Staat geleistet wurden;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr aus den Handlungen Ziff. 1 der Klageschrift vom 22.02.2007 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs rechtsmissbräuchlich sei gemäß § 8 Abs. 4 S. 1 UWG und die Klägerin daher auch keine weitergehenden Ansprüche geltend machen könne. Die Klägerin habe Massenabmahnungen durchgeführt mit dem Ziel, kleineren Wettbewerbern durch Generierung von Gebührenforderungen Schaden zuzufügen. Der Geschäftsführer der Klägerin, Herr #, der als Vorstand der # AG fungiert, sei im Rahmen des ebay-Handels bereits durch massenhafte Abmahnungen durch die # AG aufgefallen. Es sei zu vermuten, dass Abmahnungen im dreistelligen Bereich durchgeführt wurden und ein Zusammenhang mit der Abmahntätigkeit der # AG bestehe. Auch der Umstand, dass der abgemahnte Wettbewerbsverstoß zum Zeitpunkt der Klageerhebung aus dem Internet bereits beseitigt gewesen sei, sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen. Aus Presseberichten sei bekannt, dass es sich bei der # AG um ein Unternehmen handelt, welches massenhaft Abmahnungen ausspreche (Anlage B2, Anlage B3). Zu diesem Zweck seien verschiedene Rechtsanwälte engagiert worden. In zwei landgerichtlichen Entscheidungen (Landgericht München - 33 O 21617/06 und Landgericht Paderborn – 7 O 20/07) sei die Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnungen festgestellt worden. Das Abmahnschreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Anlage B1) zeige, dass es sich um ein Massengeschäft handelt, wobei zum Teil über die Klägerin und zum Teil über die # AG abgemahnt werde. Während in der Parteibezeichnung des Schreibens die # AG als Mandantin aufgeführt sei, sei in dem Text von der Firma # GmbH der Klägerin, die Rede.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Vortrag der Beklagten zur Rechtsmissbräuchlichkeit unsubstantiiert sei. Sie bestreitet, dass es Hunderte von Abmahnungen durch die Klägerin gegeben habe. Es sei nicht Aufgabe der Klägerin zu den von der Beklagten vorgetragenen Umstände näher Stellung zu nehmen. Auf ausdrückliche Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 08.08.2007 (Bl. 57 – 60 d.A.), hat der Prozessvertreter der Klägerin erklärt, dass die Fragen von Klägerseite zu den Gesellschaftsverhältnissen, Umsätzen etc. von Klägerseite nicht beantwortet werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.08.2007 (Bl. 57 – 60 d.A.) und dem gerichtlichen Hinweis vom 31.05.2007 (Bl. 24, 25 d.A.) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist in dem nunmehr gestellten Umfang unbegründet und hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils (Unterlassungsbegehren) ist die Klägerin zur Tragung der Kosten verpflichtet.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 232,00 Euro. Es ist unstreitig, dass es sich bei den 232,00 Euro um Kosten für die eigene Abmahntätigkeit der Klägerin handelt. Ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG besteht nicht, da die Regelung des § 12 Abs. 1 S. 2 UWG nur die tatsächlich entstandenen Aufwendungen erfasst, soweit sei erforderlich waren. Im vorliegenden Fall macht die Klägerin eine Abmahnpauschale für die eigene Abmahntätigkeit geltend. Dabei handelt es sich nicht um tatsächlich entstandene Kosten, weil die Abmahntätigkeit durch einen Mitarbeiter des klägerischen Unternehmens keine gesonderten Kosten verursacht. Aus der Rechtsprechung zu der Erstattungsfähigkeit von Abmahnpauschalen bei Verbänden (BGH GRUR 1990, 282, 285 – Wettbewerbsverein IV; Fezer, UWG-Kom., § 12 Rn. 51) ergibt sich nichts anderes. Denn auch in diesen Fällen sind die echten Kosten des Verbandes zu ermitteln, in die zusätzlich die Ausstattung des Verbandes für die Abmahntätigkeit einbezogen werden kann (Fezer a.a.O.). Hier fehlt es an der Ermittlung der echten Kosten durch die Klägerin. Auch nach dem gerichtlichen Hinweis mit Verfügung vom 31.05.2007 hat die Klägerin nichts weiter dazu vorgetragen, wie sich die geltend gemachten Kosten zusammen setzen. Im übrigen ist im Hinblick auf die Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit von Abmahnpauschalen bei Verbänden die anderweitige Interessenlage und Funktion eines derartigen Verbandes, nämlich die Ahndung von Wettbewerbsverstößen im Interesse der Mitglieder, zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist in diesen Fällen der Ansatz einer Pauschale als gerechtfertigt anzusehen. Hingegen ist die wirtschaftliche Interessenlage der Klägerin auf Gewinnerzielung mit den Vertrieb von Produkten gerichtet und damit nicht vergleichbar.

2. Der Auskunftsanspruch und der Schadensersatzfeststellungsanspruch scheitern daran, dass die Klägerin nicht dargetan hat, dass der Eintritt eines Schadens, bedingt durch die beanstandete Widerrufsbelehrung im Internet durch die Beklagte, wahrscheinlich ist. Es ist zunächst unstreitig, dass die Klägerin bisher keinen Schaden konkret benennen kann und beziffert hat, der in Zusammenhang mit dem wettbewerbswidrigen Verhalten der Beklagten steht. Für die Geltendmachung eines Schadensersatzfeststellungsanspruchs bedarf es zumindest einer gewissen Schadenswahrscheinlichkeit (BGH WRP 1999,530,534 - Cefallone; BGH WRP 2000, 1258, 1263- Filialleiterfehler). Eine derartige Schadenswahrscheinlichkeit ist von der Klägerin weder dargetan noch ansatzweise aus den zugrunde liegenden Umständen erkennbar. Im Gegensatz zu Fällen der irreführenden Werbung, bei denen nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass der Verbraucher aufgrund der Anlockwirkung dazu verleitet wird u.U. bei dem Mitbewerber zu kaufen, ist in dem vorliegenden Fall nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass der Verbraucher bei seiner Kaufentscheidung durch die wettbewerbswidrige Handlung, nämlich die unzureichende Widerrufsbelehrung, beeinflusst worden ist. Schließlich wird dem Verbraucher aufgrund der unzureichenden Widerrufsbelehrung ein kürzeres Widerrufsrecht, als ihm gesetzlich zusteht, suggeriert und nicht ein längeres Widerrufsrecht, welches seine Kaufentscheidung beeinflussen könnte. Das wettbewerbswidrige Verhalten in Form einer unzureichenden Widerrufsbelehrung wirkt sich in diesem Fall erst bei der Geltendmachung des Widerrufsrechts aus. Ob und inwieweit die Ausübung des Widerrufsrecht sich vorteilig für die Beklagte und nachteilig für die Klägerin auswirkt, kann nicht festgestellt werden. Es ist daher nicht erkennbar, dass die Klägerin aufgrund des beanstandeten Verhaltens der Beklagten einen kausalen Schaden gemäß § 9 UWG haben könnte. Liegt nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein Schaden fern, muss der Kläger darlegen, aus welchen besonderen Umständen sich gleichwohl ein Schaden ergeben könnte (BGH GRUR 2001, 78, 79- Falsche Herstellerpreisempfehlung). Das hat die Klägerin vorliegend nicht getan.

3. Soweit die Parteien den Rechtstreit hinsichtlich der ursprünglich begehrten Unterlassung übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Kostentragungspflicht zu entscheiden, § 91 a ZPO. Gemäß § 91a ZPO trifft die Klägerin unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen die Kostentragungspflicht, denn ohne das erledigende Ereignis wäre die Klägerin mit ihrem Unterlassungsbegehren unterlegen. Grundsätzlich kann eine unzureichende Widerrufsbelehrung, die nicht den Anforderungen des § 355 BGB entspricht, einen Unterlassungsanspruch gemäß der §§ 3, 8, 4 Nr. 11 UWG begründen.

a) Im vorliegenden Fall ist die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs rechtsmissbräuchlich gemäß § 8 Abs. 4 UWG und somit unzulässig. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 8 Abs. 4 UWG betrifft nach herrschender Meinung die Prozessführungsbefugnis und ist somit eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. A., Kap. 13 Rn. 50, 51; BGH GRUR 2002, 715, 717 – Scannerwerbung; BGH GRUR 2006, 2043 f. – Megasale; Piper/Ohly, UWG, 4. A. § 8 Rn. 189).

Ein Missbrauch gemäß § 8 Abs. 4 UWG legt insbesondere vor, wenn die Geltendmachung eines Anspruchs insbesondere dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Abmahntätigkeit steht in keinem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Geschäftstätigkeit und es besteht bei objektiver Betrachtung kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse an der Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes außer dem Gebührenerzielungsinteresse (BGH GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner; Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. A. § 8 4.12; OLG Frankfurt GRUR – RR 2007, 56 – 58). Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Denn es ist auch nicht ansatzweise ersichtlich, dass mit der Vielzahl der Abmahnungen verbundene Kostenrisiko in einem angemessenen Verhältnis steht zu dem wirtschaftlichen Nutzen der Klägerin. Dieses ist von der Klägerin nicht dargelegt.

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin genügt der Vortrag der Beklagten um die grundsätzlich geltende Vermutung der Klagebefugnis der Klägerin zu erschüttern. Die Beklagte hat zunächst auf die persönliche und wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem klägerischen Unternehmen und der # AG verwiesen. Es ist unstreitig, dass eine derartige Verbundenheit durch die Personalidentität des Geschäftsführers der Klägerin, Herrn #, und dem Vorstandsvorsitzenden der # AG besteht. Die wirtschaftliche Verflechtung liegt vor, weil die # AG alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist. Aus dem vorgelegten Presseartikel und den zitierten landgerichtlichen Urteilen ergibt sich, dass die # AG, Alleingesellschafterin der Klägerin, bei verschiedenen Gerichten gegen potentielle Verletzer vorgeht und es zu Mehrfachabmahnungen durch die # AG gekommen ist. Das von der Beklagten vorgelegte Abmahnschreiben (B1) ist ein Indiz dafür, dass die Abmahntätigkeit nicht nur von der # AG durchgeführt wird, sondern auch von Klägerseite, und zwar durch die selbe Anwaltskanzlei, nämlich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Die falsche Parteibezeichnung ( AG) am Anfang des Abmahnschreibens ist symptomatisch für die Vorgehensweise bei einer Vielzahl von Abmahnungen.

Das sowohl die Klägerin als auch die AG innerhalb des letzten Jahres Wettbewerber vielfach abgemahnt haben und auch gerichtlich gegen die Verletzer vorgegangen sind, ergibt sich aus den weiteren Verfahren der Klägerin und der # AG, die bei dem erkennenden Gericht anhängig sind. Die Klägerin hat innerhalb des letzten ¾ Jahres bei der erkennenden Kammer 17 Verfahren anhängig gemacht und weitere 3 Verfahren bei den Kammern für Handelssachen. Die # AG hat innerhalb des letzten Jahres insgesamt 30 Verfahren beim Landgericht Braunschweig anhängig gemacht, bei denen es um Unterlassung von wettbewerbswidrigen Handlungen im Internet bzw. um die damit verbundenen Kosten ging. Aus diesen Verfahren, die größtenteils bei der erkennenden Kammer anhängig sind bzw. waren, ist ferner bekannt, dass bundesweit durch die # AG und die Klägerin insgesamt mehr als 200 Abmahnungen im Zeitraum eines ¾ Jahres erfolgt sind. Bei diesen Abmahnungen waren im wesentlichen vier Anwaltskanzleien für die # AG und die Klägerin tätig. Die große Anzahl der Abmahnungen und die Art und Vorgehensweise bei den Abmahnungen spricht für eine systematische - auf das Gebühreninteresse gerichtete - Abmahntätigkeit der Klägerin.

Wie es auch aus anderen Verfahren vor dem erkennenden Gericht bekannt ist, fehlt vorliegend jeglicher örtlicher Bezug für eine Geltendmachung des Anspruchs vor dem vor dem nur nach § 14 Abs. 2 UWG zuständigen erkennenden Gericht. Der Sitz der Klägerin ist im Landgerichtsbezirk Hildesheim, Sitz der Beklagten ist in Berlin und der Kanzleisitz der Klägervertreter ist in Hannover. Daher liegt es nahe, dass die Erkennbarkeit der systematischen Vorgehensweise bei den Abmahnungen durch Streuung verschleiert werden soll und dass die Hemmschwelle für einen Widerspruch durch die höheren Kosten heraufgesetzt werden soll. Dies entspricht auch der Vorgehensweise in den weiteren Abmahnfällen, die in den anderen Verfahren benannt sind und unstreitig geblieben sind.

Hinzu kommt, dass bei sämtlichen Abmahnungen durch die Klägerin und die # AG mit denselben Textbausteinen gearbeitet worden ist. Auch dieses ist ein Indiz für missbräuchliche Massenabmahnungen. Es weist daraufhin, dass mit wenig Aufwand und ohne Rücksicht auf die dem Einzelfall zugrundeliegenden Umstände immer gleich reagiert wird, gleichgültig ob und welche wirtschaftliche Bedeutung der Wettbewerbsverstoß für die Klägerin tatsächlich hat. In diesem Kontext ist ebenfalls zu sehen, dass die Gegenstandswerte bei den Abmahnungen größtenteils in dem Bereich zwischen 15.000,- Euro und 25.000,- Euro liegen und somit – in Anbetracht der geringen Bedeutung der Verstöße- im oberen Bereich liegen. Der Ansatz hoher Gegenstandswerte führt zur Erzielung hoher Gebühren.

Aus anderen Verfahren ist auch bekannt, dass die Rechnungen der Prozessbevollmächtigten auf die Abgemahnten ausgestellt sind und nicht auf die jeweilige Mandantschaft. Es ist daher zu vermuten, dass das wirtschaftliche Risiko der Kosten für die Rechtsverfolgung nicht bei der Klägerin bzw. der # AG liegt.

Bei dem Großteil der Abmahnungen, die Gegenstand der hiesigen Verfahren sind, erzielen die Abgemahnten keine nennenswerten Umsätze und stellen daher keine ernste wirtschaftliche Gefahr für das klägerische Unternehmen dar.

Auch der Umstand, dass das wettbewerbswidrige Verhalten zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits abgestellt war, spricht für eine Missbräuchlichkeit der Geltendmachung des Unterlassungsbegehrens. Zwar ist es grundsätzlich richtig, dass die Wiederholungsgefahr mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zum Zeitpunkt der Klagerhebung nicht beseitigt war. Jedoch ist vor dem Hintergrund der geringen Schwere des Wettbewerbsverstoßes in diesem Fall nicht nachvollziehbar, welches andere wirtschaftliche Interesse als das Kostenerstattungsinteresse mit der Klage verfolgt wird. Denn es ist bei einem derartigen Verstoß nicht davon auszugehen, dass nach dessen tatsächlicher Beseitigung die Befürchtung besteht, dass dieser Verstoß erneut begangen wird und der Klägerin damit eine wesentliche wirtschaftliche Beeinträchtigung im Wettbewerb droht. Ferner ist auch zu berücksichtigen, dass nach dem Kenntnisstand des Gerichts die Klägerin in mehreren Verfahren, wie in dem vorliegenden, selbst abgemahnt hat und die Kosten dem Verletzer dafür in Rechnung gestellt hat. Auch diese Vorgehensweise spricht dafür, dass bei dem Aussprechen der Abmahnungen das Gebührenerzielungsinteresse im Vordergrund stand.

c) Die Klägerin hat auch nicht durch substantiierten Vortrag widerlegt, dass die eben genannten Umstände nicht geeignet sind, eine Rechtsmissbräuchlichkeit zu bejahen. Gelingt es der Beklagtenseite, wie im vorliegenden Fall, die grundsätzlich für die Klagebefugnis sprechende Vermutung zu erschüttern, so hat die Klägerseite seinerseits substantiiert die aufgekommenen Verdachtsgründe zu widerlegen (Teplitzky, wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. A. Kap. 13 Rn. 54; BGH GRUR 2001, 178 – Impfstoffversand an Ärzte; BGH GRUR 2006, 243 f. – Megasail). Trotz der Anordnung des persönlichen Erscheinens des Geschäftsführers der Klägerin zwecks Sachaufklärung ist der Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Darüber hinaus hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Klägerin zu dem für das Gericht maßgeblichen Fragen, wie Gesellschaftsverhältnisse, Abmahnverhalten und Handhabung der Gebührenabrechnung durch den Prozessbevollmächtigten keine Stellung nehmen wird. Außerdem hat sie sich hinsichtlich der Behauptung, dass viele Abmahnungen durch die Klägerin und die # AG erfolgt sind, darauf beschränkt, dieses einfach zu bestreiten. Ein derartiges einfaches Bestreiten ist im Hinblick darauf, dass die Klägerin weiß, wie viel Abmahnungen sie ausgesprochen hat, unzulässig und daher unbeachtlich. Es gibt auch keine Erklärungen seitens der Klägerin, weshalb ein derartiges Vorgehen gegen Verletzer erforderlich ist. Der bloße Hinweis, dass es im Interesse des Wettbewerbs liegt, dass wettbewerbswidriges Handeln unterlassen wird, ist vor dem Hintergrund der zugrundeliegenden Umstände unzureichend.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 91a ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Bei der Bemessung des Streitwertes war zum einen das ursprüngliche Unterlassungsbegehren zu berücksichtigen und nach übereinstimmender Erledigungserklärung das Kosteninteresse sowie der begehrte Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsanspruch.