Baden Würtemberg: Karlsruhe

Urteil vom BGH

Entscheidungsdatum: 18.09.2007
Aktenzeichen: X ZR 89/04

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 19. Mai 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Beklagte schrieb 1997 den Neubau eines Alten- und Pflegeheims auf der Grundlage der VOB/A aus. Der klagende Insolvenzverwalter nimmt die Beklagte auf Ersatz des der Gemeinschuldnerin durch die anderweitige Erteilung des Zuschlags entgangenen Gewinns in Anspruch, weil die Gemeinschuldnerin bei der Erteilung des Zuschlags vergaberechtswidrig übergangen worden sei.

Die interessierten Unternehmen erhielten von der Beklagten das Angebotsformular "EMV (B) Ang". Dieses enthält eingangs eine Aufzählung von Anlagen, unter denen sich auch ein "Verzeichnis über Art und Umfang der von Nachunternehmen auszuführenden Leistungen (vgl. Bewerbungsbedingungen Nr. 7)" befindet. Diese Anlage ist - im Unterschied zu anderen in der Aufzählung genannten Anlagen - von der Vergabestelle nicht durch ein Kreuz in dem dafür vorgesehenen Kästchen gekennzeichnet worden. Unter Nr. 6 des Angebotsformulars kann durch Ankreuzen seitens des Bieters erklärt werden, ob die Leistungen im eigenen Betrieb ausgeführt werden, ob die in der beigefügten Liste aufgeführten Leistungen an Nachunternehmer übertragen werden, obwohl der Betrieb des Bieters auf diese Leistungen eingerichtet ist, oder ob die in der beigefügten Liste aufgeführten Leistungen an Nachunternehmer übertragen werden, weil der Betrieb des Bieters auf diese Leistungen nicht eingerichtet ist. In den Bewerbungsbedingungen, die den interessierten Unternehmen mit den Ausschreibungsunterlagen ausgehändigt wurden, heißt es unter Nr. 7:

" Nachunternehmer

Beabsichtigt der Bieter, Teile der Leistung von Nachunternehmern ausführen zu lassen, muss er in seinem Angebot Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen angeben und die vorgesehenen Nachunternehmer benennen."

Die Gemeinschuldnerin hat in ihrem Angebot keines der Kästchen vor den Erklärungen unter Nr. 6 des Angebotsformulars angekreuzt. Eine Liste, in welcher die von Nachunternehmern auszuführenden Leistungen aufgeführt und die Nachunternehmer namentlich benannt werden, war dem Angebot nicht beigefügt. In einem späteren Gespräch erklärte die Gemeinschuldnerin, den Rohbau selbst ausführen und im Übrigen vorwiegend Subunternehmer aus der Region einschalten zu wollen. Den Zuschlag hat nicht die Gemeinschuldnerin erhalten, sondern die B. GmbH ...

Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers, der die Beklagte entgegengetreten ist.

Gründe

Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat das Schadensersatzbegehren des Klägers schon deshalb für unbegründet gehalten, weil das Angebot der jetzigen Gemeinschuldnerin nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A von der Wertung der Angebote hätte ausgeschlossen werden müssen, nachdem die ausdrücklich geforderten Angaben über Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen nicht erfolgt seien. Bereits nach Nr. 6 des Angebotsformulars seien Angaben dazu zu machen gewesen, ob die Leistungen im eigenen Betrieb ausgeführt werden oder welche Leistungen Nachunternehmern übertragen werden sollten, obwohl oder weil der Betrieb auf diese Leistungen eingerichtet oder nicht eingerichtet sei. Des weiteren sei in den Bewerbungsbedingungen, die den Ausschreibungsunterlagen beilagen, ausdrücklich gefordert, dass der Bewerber, der beabsichtige, Teile der Leistung von Nachunternehmern ausführen zu lassen, in seinem Angebot Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen angeben und die vorgesehenen Nachunternehmer benennen müsse. Diesen eindeutigen Vorgaben habe das Angebot der Gemeinschuldnerin nicht entsprochen. Angaben zu Nachunternehmern habe diese überhaupt nicht gemacht. Wettbewerbsrelevant sei insofern nicht nur, dass Teile der Leistung nicht vom Bieter selbst erbracht werden sollten; entscheidend für die Auswahlentscheidung sei auch, welche Leistungen welcher Nachunternehmer erbringen solle und welche Leistungen der Bieter in welchem Umfang selbst ausführen wolle. Selbst wenn die B. GmbH zu Unrecht den Zuschlag erhalten habe, ergebe sich daraus ein Anspruch auf Schadensersatz mangels eigenen zuschlagsfähigen Angebots der Gemeinschuldnerin nicht.

II. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Ersatzpflicht des öffentlichen Auftraggebers aus culpa in contrahendo (c.i.c.) nach der Rechtsprechung des Senats ihren Grund in der Verletzung des Vertrauens der Bieter oder Bewerber darauf hat, dass das Vergabeverfahren nach den einschlägigen Vorschriften des Vergaberechts abgewickelt wird (BGHZ 139, 280, 283; Sen.Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 30/98, NJW 2000, 661; Sen.Urt. v. 1.8.2006 - X ZR 146/03, VergabeR 2007, 93). Dabei setzt der geltend gemachte, auf das positive Interesse gerichtete Schadensersatzanspruch voraus, dass das Vergabeverfahren an einem Vergabefehler leidet, der Zuschlag einem Dritten tatsächlich erteilt worden ist und der Schadensersatz begehrende Bieter den Zuschlag hätte erhalten müssen (BGHZ 139, 259, 272; Sen.Urt. v. 5.11.2002 - X ZR 232/00, VergabeR 2003, 163; Sen.Urt. v. 16.12.2003 - X ZR 282/02, VergabeR 2004, 480; Sen.Urt. v. 3.6.2004 - X ZR 30/03, VergabeR 2004, 813). An der zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es, wenn das Angebot des Schadensersatz begehrenden Bieters zwingend von der Wertung der Angebote auszuschließen war (Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 85/97, NJW 1998, 3634 unter II.; Sen.Urt. v. 7.6.2005 - X ZR 19/02, VergabeR 2005, 617).

2. Das Berufungsgericht ist weiter in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, dass der öffentliche Auftraggeber ein Angebot, das die in zumutbarer Weise vom Bieter "geforderten Erklärungen" (§ 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A in der bis 2006 geltenden Fassung, § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A Ausgabe 2006) nicht enthält, zwingend von der Wertung der Angebote auszuschließen hat (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOL/A), damit die gebotene Gleichbehandlung aller Bieter in einem transparenten Vergabeverfahren gewährleistet ist (BGHZ 154, 32, 45; BGHZ 159, 186, 192).

a) Entgegen der Auffassung der Revision sind unter "Erklärungen" nicht nur solche Angaben zu verstehen, die die ausgeschriebenen Leistungspositionen selbst betreffen. Wie der Senat bereits entschieden hat, gehören zu den "Erklärungen" auch sonstige Erklärungen wie Angaben nach den Formblättern EFB-Preis (Sen.Urt. v. 7.6.2005 - X ZR 19/02, VergabeR 2005, 617), die Vorlage von Mustern (Sen.Beschl. v. 26.9.2006 - X ZB 14/06 zu § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A, BGHZ 169, 131), aber auch Angaben dazu, welche Leistungen der Bieter nicht selbst erbringen, sondern durch Nachunternehmer erbringen lassen will (Sen.Beschl. v. 16.3.2004 - X ZR 23/03, nicht im Druck veröffentlicht).

b) Die Revision kann auch mit ihrer Auffassung nicht durchdringen, die Ausschreibungsunterlagen seien hinsichtlich der Forderung nach Angabe der durch Nachunternehmer zu erbringenden Leistungen widersprüchlich, diese Angaben seien daher nicht gefordert gewesen.

Das Berufungsgericht hat aus Nr. 6 des den interessierten Unternehmen übermittelten Auftragsformulars hergeleitet, dass von den Bietern die verschiedenen in dieser Nummer aufgeführten Erklärungen gefordert werden, nämlich ob der Bieter die ausgeschriebenen Leistungen im eigenen Betrieb ausführt, ob er Leistungen durch Nachunternehmer ausführen lässt, obwohl sein Betrieb auf diese Leistungen eingerichtet ist, und ob er Leistungen durch Nachunternehmer ausführen lässt, weil sein Betrieb auf diese Leistungen nicht eingerichtet ist, wobei im zweiten und dritten Fall die durch Nachunternehmer zu erbringenden Leistungen "in der beigefügten Liste" aufzuführen sind. Das ist eine mögliche, wenn nicht sogar die naheliegende Auslegung dieses Teils des Auftragsformulars. Aus dem Umstand, dass nach den Feststellungen im Tatbestand des Berufungsurteils die Anlage "Verzeichnis über Art und Umfang der von Nachunternehmern auszuführenden Leistungen (vgl. Bewerbungsbedingungen Nr. 7)" nicht angekreuzt und die Anlage den Ausschreibungsunterlagen auch nicht beigefügt war, lässt sich allenfalls ableiten, dass dann, wenn die ausgeschriebenen Leistungen nicht im eigenen Betrieb des Bieters ausgeführt werden, die erste geforderte Erklärung also nicht abgegeben werden kann, entweder das "Verzeichnis über Art und Umfang der von Nachunternehmern auszuführenden Leistungen (vgl. Bewerbungsbedingungen Nr. 7)" anzufordern oder die in der zweiten und dritten Frage nach Nr. 6 des Angebotsformulars geforderte Liste über die von Nachunternehmern ausgeführten Leistungen vom Bieter selbst zu erstellen und dem Angebot beizufügen ist. Aus dem genannten Umstand ergibt sich daher weder ein Widerspruch in den Ausschreibungsunterlagen noch lässt sich aus ihm ableiten, die fraglichen Erklärungen seien nicht gefordert. Rügen, dass im Übrigen für das Verständnis und die Auslegung der Ausschreibungsunterlagen wesentlicher Streitstoff übergangen sei, werden von der Revision nicht erhoben.

3. Eine Nachholung der nach den Ausschreibungsunterlagen mit dem Angebot abzugebenden Erklärungen darüber, welche Leistungen der Bieter selbst ausführt und welche durch Nachunternehmer ausgeführt werden, in einem Aufklärungsgespräch nach § 24 VOB/A kam entgegen der Auffassung der Revision nicht in Betracht. Ein transparentes und die Bieter gleich behandelndes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden. Dies erfordert beispielsweise, dass hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet und die ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert waren, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen; der Ausschlusstatbestand ist nicht erst dann gegeben, wenn das betreffende Angebot wegen fehlender Angaben im Ergebnis nicht mit anderen Angeboten verglichen werden kann (BGHZ 154, 32, 45; 159, 186, 192). Deshalb ist die Berücksichtigung einer späteren Änderung oder Ausgestaltung der Gebote nach § 23 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen. Eine solche ist immer dann gegeben, wenn sich die nachträgliche Erklärung nicht lediglich auf die inhaltliche Klärung eines an sich festgelegten Gebotes beschränkt (vgl. § 24 VOB/A, vgl. Sen.Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 30/98, NJW 2000, 661). An der notwendigen Festlegung fehlte es hier, weil offen geblieben ist, welche Leistungen angebotsgemäß durch Nachunternehmer auszuführen sind. Auch fehlende Angaben der hier fraglichen Art können mithin vom Bieter nicht nachgeholt werden (vgl. auch Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, VOB, 16. Aufl., § 24 VOB/A Rdn. 7).

4. Da das Angebot der jetzigen Gemeinschuldnerin wegen der fehlenden Erklärungen zu den von Nachunternehmern zu erbringenden Leistungen zwingend von der Wertung auszuschließen war, hat das angefochtene Urteil schon aus diesem Grunde Bestand. Auf die Frage, ob das Angebot auch deshalb von der Wertung auszuschließen war, weil die Nachunternehmer mit dem Angebot nicht namentlich benannt worden sind, kommt es deshalb nicht an.

III. Die Revision ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Scharen Keukenschrijver Meier-Beck

Asendorf Gröning

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