"Schnittmuster?“ – unlautere Werbung für schönheitschirurgische Eingriffe
Urteil vom OLG München
Entscheidungsdatum: 08.10.2009
Aktenzeichen: 6 U 1575/08
Leitsätze
Die Werbung für schönheitschirurgische Eingriffe, die zugleich das Angebot einer kostenlosen fachärztlichen Beratung enthält, ist im Sinne von § 3 UWG nicht wettbewerbswidrig, da die Gebührenordnung für Ärzte nicht zur Anwendung kommt und somit auch nicht unterschritten wird.
Tenor
1. Die Berufungen der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 15.11.2007 sowie gegen das Ergänzungsurteil vom 14.2.2008 werden zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Das Landgericht hat der Klage, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit der Anzeige in der H M vom 8.3.2007 (Anlage K 2) zu werben, mit Urteil vom 15.11.2007 entsprochen. Zur Begründung wurde ausgeführt: Der Klageantrag sei hinreichend bestimmt, da er sich auf die konkrete Anzeige beziehe. Der Unterlassungsanspruch sei begründet. Er ergebe sich aus § 8 Abs. 1, § 3 UWG i. V. m. § 3, § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG. Die Werbung sei irreführend gemäß § 3 Nr. 2 a HWG, da durch die einzelnen Werbehinweise bzw. durch deren Zusammenschau jedes medizinische Risiko verdrängt bzw. verschwiegen werde. Darüber hinaus liege in der Bezugnahme auf die abgebildete, bei der Beklagten angeblich behandelte Person ein Verstoß gegen § 11 Nr. 11 HWG vor, denn in der Abbildung und dem Text stelle sich dies als persönliche Empfehlung der Person dar. Weiter sei die Werbung der Beklagten unlauter im Sinne des § 3 UWG in Bezug auf die Werbung mit einer kostenlosen fachärztlichen Beratung. Denn nach der Regelung der Musterberufsordnung der Ärzte dürften die Gebührensätze nicht in unlauterer Weise unterschritten werden. Ob die Werbung mit einer kostenlosen fachärztlichen Beratung auch gegen § 7 HWG verstoße, könne dahinstehen.
Das Urteil wurde der Beklagten am 17.12.2007 zugestellt.
Mit Ergänzungsurteil vom 14.2.2008 wurde die Beklagte weiter verurteilt, an den Kläger Abmahnkosten in Höhe von Euro 166,60 nebst Zinsen zu bezahlen. Das Ergänzungsurteil wurde der Beklagten am 21.2.2008 zugestellt.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit den Berufungen vom 8.1.2008 (gegen das Urteil vom 15.11.2007) und vom 21.2.2008 (gegen das Ergänzungsurteil), die mit Schriftsätzen vom 18.2.2008 und vom 21.2.2008 begründet wurden. Sie macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht die Bestimmtheit des Klageantrags bejaht. Ebenso sei zu Unrecht ein Verstoß gegen § 3 Nr. 2 a, § 11 Nr. 11 HWG bzw. gegen § 3 UWG angenommen worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 18.2.2008 Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts München I vom 15.11.2007 sowie das Ergänzungsurteil vom 14.2.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung und ist weiter der Auffassung, dass auch ein Verstoß gegen § 7 HWG vorliege. Der Klage sei bereits dann in vollem Umfang stattzugeben, wenn die Werbung einen der vier Unlauterkeitstatbestände erfülle, wie in der Rechtsprechung des BGH anerkannt sei. Hilfsweise stützt er sich auf die im Protokoll vom 8.10.2009 aufgeführte Reihenfolge.
II.
Die Berufungen der Beklagten gegen das Endurteil vom 15.11.2007 sowie gegen das Ergänzungsurteil vom 14.2.2008 sind zulässig; in der Sache bleiben sie jedoch ohne Erfolg.
1. Das Landgericht ist im Endurteil vom 15.11.2007 offensichtlich davon ausgegangen, dass der auf die konkrete Anzeige bezogene Unterlassungsantrag auf vier unterschiedliche Anspruchsgrundlagen gestützt ist. Es hat die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Verstoßes gegen § 3 Nr. 2 a HWG, gegen § 11 Nr. 11 HWG sowie gegen § 3 UWG i. V. m. der Musterberufsordnung der deutschen Ärzte bejaht und einen Verstoß gegen § 7 HWG offen gelassen.
Dieser Qualifizierung als ein einheitlicher Streitgegenstand, die mit der Sichtweise des Klägers übereinstimmt, der sich hierzu auf die Rechtsprechung des BGH GRUR 2001, 453 – TCM-Zentrum stützt, könnte nur dann beigetreten werden, wenn man als den maßgeblichen Lebenssachverhalt auf den Inhalt der Anzeige abstellt, der unter allen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen geprüft werden kann. Dabei wird jedoch vernachlässigt, dass vom Kläger in Bezug auf die konkrete Anzeige mehrere unterschiedliche Sachverhalte vorgetragen werden. So wird der Verstoß gegen § 3 Satz 2 Nr. 2 a HWG auf die genannten Textstellen in der Anzeige gestützt, die der angesprochene Verkehr so verstehe, dass mit dem schönheitschirurgischen Eingriff keinerlei Risiken verbunden seien und der gewünschte Erfolg mit Sicherheit zu erwarten sei. Auf die Nennung der zufriedenen Patientin "K" in Verbindung mit der bildlichen Darstellung stützt der Kläger den Verstoß gegen § 11 Nr. 11 HWG. Der geltend gemachte Verstoß gegen § 7 HWG wird auf einen anderen Inhalt der Anzeige nämlich die kostenlose fachärztliche Beratung gestützt, die auch unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen die ärztliche Berufsordnung beanstandet wird. Dass die konkrete Anzeige zum Gegenstand des Unterlassungsantrags gemacht wurde, steht dem nicht entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH wird der Streitgegenstand einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage nach dem Antrag und dem dazu vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt. In Fällen der behaupteten Irreführung gehört neben dem Vortrag zu einer bestimmten Werbemaßnahme auch der weitere Vortrag zu der dadurch hervorgerufenen Fehlvorstellung (vgl. BGH GRUR 2001, 181, 182 – dentalästhetika I; GRUR 2007, 161 Tz. 9; Bergmann, GRUR 2009, 224, 225 f; Köhler, in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 12 Rdn. 2.23 f; ders., GRUR-RR 2008, 145, 153; Harte/Henning/Bergmann, UWG, 2. Aufl., Vorb zu § 12 Rdn. 18 ff; jeweils m. w. N.). Bei einem behaupteten Verstoß gegen § 3 Satz 2 Nr. 2 a HWG gehört neben dem Vortrag zu einer bestimmten Werbemaßnahme die Behauptung, dass hierdurch der unzutreffende Eindruck erweckt wird, dass hierdurch ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann (BGH aaO S. 182 f – dentalästhetika I).
Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die Klagepartei mit ihrem Klagevorbringen drei unterschiedliche Lebenssachverhalte im vorgenannten Sinne zu Entscheidung gestellt, was entweder kumulativ oder alternativ – so der Kläger hilfsweise im Termin vor dem Senat – geschehen kann. Dementsprechend hat der Senat vorrangig den geltend gemachten Verstoß gegen § 7 HWG zu prüfen. Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht einen Verstoß gegen § 7 HWG offen gelassen hat, da es den maßgeblichen Lebenssachverhalt – Angebot einer kostenlosen fachärztlichen Beratung – bei seiner Entscheidung zu § 3 UWG i. V. m. der Musterberufsordnung zugrunde gelegt hat (vgl. auch BGH GRUR 2008, 443 – Saugeinlagen).
Im Übrigen besteht Veranlassung zu dem Hinweis, dass es auch bei einer alternativen Klagebegründung – die Beurteilung des Klägers als zutreffend unterstellt – im Rahmen des zur Entscheidung gestellten Lebenssachverhalts der Wahl des Gerichts überlassen bliebe, unter welchem von mehreren in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten es das begehrte Verbot ausspricht. Wenn es einem Kläger darauf ankommt, alle Inhalte einer Werbeanzeige einer rechtlichen Überprüfung zuzuführen, kann er dies nur mit einer kumulativen Klagebegründung erreichen (vgl. Bergmann aaO S. 226 re. Sp.). Diesen Weg hat der Kläger bewusst nicht beschritten.
2. Dem Kläger steht der Anspruch auf Unterlassung der konkreten Werbeanzeige gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3, § 4 Nr. 11 UWG 2004 i. V. m. § 7 HWG bzw. gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG 2008 i. V. m. § 7 HWG zu.
Das Unterlassungsbegehren ist auf Wiederholungsgefahr nach der Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG 2004 gestützt. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsantrag sind daher die Bestimmungen des UWG 2008 anzuwenden. Der Unterlassungsanspruch besteht aber nur dann, wenn das vom Kläger beanstandete Verhalten auch schon auf der Grundlage des UWG 2004 wettbewerbswidrig war.
a. Die Werbung der Beklagten für die schönheitschirurgischen Eingriffe, die sich auf die Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit bezieht, unterfällt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG dem Anwendungsbereich des HWG. Da dies auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird, sind hierzu keine weiteren Ausführungen veranlasst.
b. Gemäß § 7 Abs. 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen oder sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, sofern nicht einer der genannten Ausnahmetatbestände gegeben. Die hier allein in Betracht kommenden Ausnahmeregelung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG greift nicht ein, da es sich bei der kostenlosen fachärztlichen Beratung nicht um die Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen handelt.
Die Bestimmung des § 7 HWG wurde nach dem Wegfall des RabattG und der ZugabeVO im Jahre 2001 beibehalten (Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Aufhebung der Zugabeverordnung und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften vom 23.7.2001, BGBl. I S. 1661). Die in § 1 Abs. 2 ZugabeVO geregelten Ausnahmen vom Zugabeverbot wurden in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG aufgenommen (BT-Drucks. 14/6469, S. 9; Gröning, HWG, § 7 Rdn. 4, 48). § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG entspricht der früheren Regelung in § 1 Abs. 2 lit. f ZugabeVO. Ebenso wie diese frühere Regelung ist der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG auf solche Fallgestaltungen beschränkt, bei denen im Zusammenhang mit der Erbringung einer Hauptleistung eine Beratung erfolgt (vgl. Seydel, Zugabeverordnung und Rabattgesetz, 4. Aufl., § 1 ZugabeVO Rdn. 280; Baumbach/Hefermehl, UWG, 21. Aufl., § 1 ZugabeVO Rdn. 93; jeweils m. w. N.). Wie das OLG Hamburg in dem Beschluss vom 3.3.2008 (BeckRs 2008, 10682 = Magazindienst 2008, 463; auch in Juris) zutreffend ausgeführt hat, ist die von der Beklagten beworbene kostenlose fachärztliche Beratung als Teil der Hauptleistung zu qualifizieren und nicht als deren Ergänzung in Gestalt einer Beratung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG (ebenso Gröning aaO Rdn. 48). Denn die von der Beklagten kostenlos angebotene fachärztliche Beratung in Bezug auf die von Interessenten gewünschte schönheitschirurgische Maßnahme ist, wie vom Kläger unwidersprochen ausgeführt, Teil einer ärztlichen Leistung, die in der Regel nur gegen Geld zu erhalten ist. Auch die Beklagte zieht nicht in Zweifel, dass die Zugabe in Form der kostenlosen fachärztlichen Beratung nicht als geringwertige Kleinigkeit im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HWG eingestuft werden kann.
c. Bei der Beschränkung der Werbung mit Zuwendungen und sonstigen Werbegaben im Bereich der Heilmittelwerbung (§ 7 HWG) handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 HWG (vgl. BGH, Urt. v. 26.3.2009 – I ZR 99/07 Tz. 21 – DeguSmiles & more), die – wie bereits im Termin erörtert – in Bezug auf die hier streitgegenständliche Werbung für schönheitschirurgische Leistungen auch nicht durch die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. Nr. 311 v. 18.11.2001, S. 67) verdrängt wird (vgl. BGH aaO Tz. 23 – DeguSmiles & more).
d. Dagegen erfüllt das Angebot einer kostenlosen fachärztlichen Beratung nicht den Tatbestand des § 3 UWG (2004). Eine unzulässige Unterschreitung der maßgeblichen landesrechtlichen Berufsordnung der Ärzte – nur die landesrechtlichen Berufsordnungen, nicht die Musterberufsordnung der Deutschen Ärzte, kommen als zu beachtende Verhaltensnormen in Betracht (vgl. Köhler, in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 Rdn. 11.74 m. w. N.) –, wonach der Arzt die Sätze der Gebührenordnungen nicht unterschreiten darf, ist nicht gegeben, da die Gebührenordnung für Ärzte bei der hier in Rede stehenden Klinikwerbung der Beklagten nicht zur Anwendung kommt (vgl. Köhler aaO § 4 Rdn. 11.114 m. w. N.).
3. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann der Kläger die Erstattung der Kosten für die Abmahnung vom 10.5.2007 (Anlage K 5) verlangen. Ob der Kläger die Erstattung der Abmahnkosten verlangen kann, richtet sich nach dem zum Zeitpunkt der Abmahnung maßgeblichen Recht (BGH WRP 2009, 1229 Tz. 13 – Geld-zurück-Garantie II).
4. Ob daneben die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Nr. 2 lit. a HWG sowie des § 11 Nr. 11 HWG erfüllt sind, bedarf aufgrund der obigen Ausführungen keiner Entscheidung.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
6. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO.
7. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 543 Abs. 2 ZPO) .
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